Ausland


KULTUR & GESELLSCHAFT


                                                          DER JINDO – MEHR ALS EINE KOREANISCHE HUNDERASSE
 

Siyeon Kim-Vogt (Foto: Mina Vogt)

„Ein Jindo ist für Koreaner wie Kimchi und Bulgogi”, sagt Siyeon Kim-Vogt lachend. Die gebürtige Koreanerin spricht von der koreanischen Hunderasse, dem „Korea Jindo Dog“, als Wahrzeichen Koreas. „Jindos sind einfach ein Stück von Korea.”

Ein solches Stück von Korea findet sich auch am Rande von Bielefeld, mitten im Teutoburger Wald, fast am Ende einer kleinen Straße, die sich durch die grüne Natur schlängelt. Hinter einem hohen Zaun auf einem wunderschönen Grundstück lebt Siyeon Kim-Vogt mit ihrem Ehemann, fünf Kindern und vier koreanischen Hunden. Vor einem Vierteljahrhundert ist sie nach Deutschland gekommen, war klassische Sängerin und ist heute Deutschlands einzige Jindo-Züchterin.

„Viele fragen, ob das eine Mischung aus einem Schäferhund und einem Husky sei”, erklärt sie. Tatsächlich erinnern Jindos oftmals an Huskys, teilen sie sich doch viele typische Körpermerkmale. Beide Rassen zählen als Spitztyp.

Jindos sind mittelgroße Hunde. Die Widerristhöhe liegt gewöhnlich zwischen 45 und 55 cm und das Gewicht zwischen 15 und 23 Kilo. Die Rüden sind größer als die Hündinnen. Die Ohren dreieckig und spitz und der Schwanz über dem Rücken geringelt.

FAST NOCH EIN WOLF

Die Farben reichen von weiß, den sogenannten „Baekgus“, über gelblich („Hwanggu“) und rot bis hin zu grau („Heukgu”), getigert („Beulindeul“ vom englischen „brindle“) und schwarz. Schwarzen, schwarz-roten und rot-weißen Jindos werden von einigen Bewohnern der Insel Jindo immer wieder besondere Jägerqualitäten nachgesagt. Aber gerade außergewöhnliche Farbkombinationen oder Muster sind oft nicht Teil des Rassestandards.

Auch wenn bis heute nicht ganz klar ist, woher genau der Jindo stammt, auf der namensgebenden koreanischen Insel Jindo ist die Rasse zu dem geworden, was sie heute ist. Dort existierten Jindos seit tausenden Jahren, heißt es beim koreanischen Hundezüchterverein. Die Abgeschiedenheit der Insel im Südwesten Koreas hat dazu beigetragen, den sehr ursprünglichen Charakter des Hundes zu bewahren. Züchterin Kim-Vogt bringt es kurz und knapp auf den Punkt: „Diese Hunde sind speziell. Die sind kein Labrador und kein Yorkshire Terrier. Die haben eine robuste Gesundheit, aber eben auch ursprüngliche Charaktereigenschaften. Wie ein Wolf.”

„Zum Beispiel einer meiner Rüden, mit seiner grauen Fellfarbe, sieht er einem Wolf sehr ähnlich. Eine der Hündinnen sieht eher wie ein Fuchs aus.” Gemeinsam haben beide das wilde Aussehen.

Dass es den Jindo heute noch so gibt, hat auch viel mit Glück zu tun. Im Jahr 1938, während der japanischen Besatzung Koreas, wurde der Jindo als wichtiges Kulturgut eingestuft. Während andere koreanische Hunderassen von den japanischen Besatzern getötet wurden, verschonten sie den Jindo aufgrund seiner Ähnlichkeit zu einigen japanischen Hunderassen.

Foto: Malte E. Kollenberg

KOREAS 53. NATURDENKMAL

Im Jahr 1962 erklärte Korea den Jindo zum 53. Naturdenkmal des Landes. Auf der Liste steht der Jindo zwischen einem Chrysanthemen- und einem Thymian-Strauch auf der Insel Ulleung (52) und einem Gingko-Baum in Seoul (54). 1988, bei der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Südkorea, liefen Jindos mit den Athletinnen und Athleten zusammen in das Stadion ein.

Ohne einen Rassenachweis gilt ein Jindo offiziell maximal als Jindo-Mischling. Jindos, die auf der Insel geboren werden, dürfen sie ohne staatliche Genehmigung nicht verlassen. Der Export ist schwierig. Jindos die nicht von der Insel stammen, können exportiert werden. Weltweit gibt es bisher allerdings nur wenige Züchter.

Traditionell wurden die Hunde in Korea als Jagd- und Wachhunde eingesetzt. Wer heute in Korea aufs Land fährt, sieht auch immer wieder jindoähnliche Hunde vor Holzhütten sitzen, angekettet, als Wachhund. Dabei ist der Jindo für vieles bekannt, nur nicht fürs Bellen. Jindos bellen normalerweise nicht. Wenn sie es dann doch einmal tun, dann ist wirklich etwas im Busch – im wörtlichen Sinne.

WIE EINE KATZE

Züchterin Kim-Vogt vergleicht das Wesen eines Jindos mit dem einer Katze. „Die sind unglaublich sauber, sehr wählerisch beim Essen, und man kann sagen, 90 Prozent der Jindos mögen kein Wasser.” Sobald die Welpen selber laufen können, sind sie quasi stubenrein. Und ähnlich wie Katzen begeben sich auch Jindos gerne mal auf Wanderschaft, wenn sie umgesiedelt werden. Das hat zu einer Legendenbildung rund um das Tier geführt.

Eine Vielzahl unterschiedlichster Geschichten handelt von der Treue der Tiere zu ihren Besitzern. Eine, an die heute ein Denkmal im Dorf Donji auf der Insel Jindo erinnert, liegt mittlerweile bald 30 Jahre zurück. Der Jindo „Baekgu” wurde damals von seiner Besitzerin Park Bog-Dan von Jindo nach Daejon verkauft. Der Hund lief seinem neuen Besitzer weg und machte sich auf den Weg zurück. Monate später, abgemagert und erschöpft von dem 300 Kilometer langen Rückweg, war der Hund wieder zu Hause. Seine Besitzerin Park behielt ihn daraufhin. Im Jahr 2004 wurde zu Ehren des Jindoweibchens ein Denkmal errichtet. Ein Musical, Filme, Dokumentationen und Comics erzählen heute von der Loyalität des Hundes.

Foto: Mark Chan / Unsplash

Was diese Loyalität allerdings auch mit sich bringen kann, ist die Fokussierung auf nur eine Bezugsperson. Die südkoreanische Armee hat Jindos für den Militärdienst ausgebildet. Problematisch wurde es immer dann, wenn die Ausbilder die Streitkräfte verlieren. Auch andere Sicherheitsorgane haben ihre Erfahrungen mit Jindos gemacht.

Weil sie als so intelligent und gelehrig gelten, wollte die Polizei in Los Angeles Jindos als Polizeihunde anlernen. Zwei Jindo-Welpen, Daehan und Mingook, wurden daraufhin ausgebildet, berichtete John M. Glionna damals in der LA Times. Den damaligen Cheftrainer der Hundestaffel des Los Angeles Polizeidepartments zitierte er mit den Worten: „Wir haben hart mit den Hunden gearbeitet, haben sie ausgebildet. Mit Bravour beherrschten die Hunde alle Aufgaben“, aber sie seien umtriebig und ließen sich allzu schnell ablenken, ergänzt er.

Foto: Seungwon Choo / Unsplash

SCHLAU, VIELLEICHT ZU SCHLAU

Hätte die Polizei damals bei Jindobesitzer*innen nachgefragt, die hätten wahrscheinlich abgeraten, einen Jindo in den Polizeidienst zu stellen. Hundetrainer David Inglis drückte es gegenüber der LA Times vor zehn Jahren so aus: „Jindos sind raffiniert und clever, aber keine Polizeihunde.”

Siyeon Kim-Vogt sieht das ähnlich. „Jindos sind sehr intelligent, fast zu intelligent für Leute, die ‚einfach nur‘ einen Hund wollen.” Aber weil sie eben so intelligent sind und so viel Persönlichkeit haben, ist es auch etwas ganz Besonderes, mit einem Jindo umzugehen und mit ihm zusammenzuleben.

 

Malte E. Kollenberg

Malte E. Kollenberg

Foto: Malte E. Kollenberg

Malte E. Kollenberg

hat seinen Jindo-Mischling 2016 aus Korea mitgebracht. Als Multimediakorrespondent arbeitete er in Südkorea und auf den Philippinen. Er lebte einige Jahre in Berlin, bevor es ihn in den ländlichen Raum zog. Heute wohnt er mit Hund in Brandenburg und arbeitet u.a. für KBS World Radio und den Deutschlandfunk Kultur.