Sook Kyung Lee (Copyright: choi.ok.soo)
Die südkoreanische Kuratorin Sook-Kyung Lee ist für ihre Arbeit an der Tate Modern und dem Walker Art Center bekannt und leitete bereits die Gwangju-Biennale 2016.
Frau Lee, bei der Pressekonferenz während der Ausstellungseröffnung haben Sie sich selbst als „Kuratorin mit Migrationshintergrund“ bezeichnet. Können Sie bitte erläutern, was Sie damit gemeint haben und wie Ihre Sicht „als Migrantin“ mit der Auswahl der Werke korreliert?
So wie viele Teilnehmer:innen der Biennale habe ich aus verschiedenen Gründen an vielen Orten gelebt, weil ich nach neuen Erfahrungen suchte. Bei vielen Künstlern kommt noch hinzu, dass sie aus dem Heimatland vertrieben wurden. Dieses Erleben beeinflusst ihre Kunstwerke. Ich fand es wichtig, von eigenen Erfahrungen auszugehen und eine Verbindung zu den eingeladenen Teilnehmern herzustellen, so dass das Publikum daran erinnert wird, dass es immer unterschiedliche Wege gibt, sich dem Konzept von Heimat anzunähern.
Sie können bereits auf eine beeindruckende internationale Karriere zurückblicken. Was denken Sie, wie die asiatische und insbesondere die koreanische Kunst in anderen Teilen der Welt wahrgenommen wird?
In den letzten Jahrzehnten gab es ein großes Interesse an asiatischer und auch koreanischer Kunst sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Es wurden viele Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa, Nordamerika und im Nahen Osten organisiert. Viele Werke wurden bei der Biennale in Venedig und der Documenta in Kassel gezeigt. Das alles hat zu einem besseren Verständnis der modernen und zeitgenössischen künstlerischen Praxis in Asien geführt. Der Aufstieg der asiatischen einschließlich der koreanischen Kunst hat dazu beigetragen, ein ausgewogenes Verständnis für Kunst weltweit zu entwickeln, die sich nicht nur auf Westeuropa oder Nordamerika konzentriert. Heute kommen viel mehr ausländische Gäste nach Gwangju. Dieses Jahr haben wir neun Länder, die ihre Kunst in einzelnen Pavillons präsentieren. 2025 möchte die Stiftung zwanzig Länder einladen. Das wird übrigens auch das Jahr, in dem die Biennale-Stiftung in Gwangju ihr 30-jähriges Bestehen feiert.
Viele ähnliche Events finden überall auf der Welt statt. Allein in Korea gibt es zehn Biennalen. Was macht diese Veranstaltung so besonders?
Zum einen zählt die Gwangju-Biennale zu den größten und ältesten Biennalen in Asien. Sie ist eng mit dem Ort – der Stadt Gwangju und ihrer Geschichte – verbunden, was diese Veranstaltung international einzigartig macht. Die Gwangju-Biennale wird auch dafür geschätzt, besonders kritisch und provokant zu sein und Werke zu zeigen, die zum Nachdenken anregen. Zudem kommen die meisten Werke aus Regionen, die von anderen Kunstplattformen übersehen werden.
Wie entwickelt sich die zeitgenössische Kunst, sowohl in Bezug auf die Entwicklung neuer Ideen als auch auf deren Präsentation?
Ich kann diese Frage nur aus meiner persönlichen Perspektive beantworten. Mein Wunsch wäre, dass die zeitgenössische Kunst unsere Zeit weiterhin auf kreativste Weise widerspiegelt und die Menschen dazu inspiriert, die Vision von einer besseren Zukunft zu entwickeln.
Das Gespräch führte Dr. Tatiana Rosenstein
Über die Autorin:
Dr. Tatiana Rosenstein, Kunsthistorikerin und Filmwissenschaftlerin, berichtet seit 1999 für deutschsprachige und ausländische Medien von internationalen Filmfestivals und Kunstmessen und ist in Kritikerjurys sowie als Dozentin an den Universitäten tätig. Sie verfasst ihre Beiträge in mehreren Sprachen, wobei ihre Veröffentlichungen von Reed Business Information, Condé Nast, Hearst, Xinhua oder Hachette Filipacchi von Europa bis nach Korea und China reichen.
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Dr. Tatiana Rosenstein (Foto: privat)