Verbannt auf die Ferieninsel
In der modernen Geschichte Südkoreas ist die Insel Jeju eine Ferien- und Flitterwocheninsel. Seit Aufkommen der Billigfluglinien haben sich die Flitterwochen eher nach Südostasien verlagert, aber auch heute noch sieht man südkoreanische Pärchen in Hochzeitsmontur auf Stränden posieren. Seit der Goryeo-Dynastie (918-1392) wurde diese Insel zu einem Exil - ebenso wie viele abgelegene Orte auf der koreanischen Halbinsel, von den Bergen in Nordkorea über die Jiri-Berge bis hin zu anderen kleinen Inseln im Südwesten Koreas. Die Insel Jeju war das bekannteste Exil (schließlich war es am weitesten vom Hof in Seoul entfernt), in das mehr als 200 zumeist politisch unliebsame oder in Ungnade gefallene Gelehrte, Politiker und Thronanwärter, aber auch Kleinkriminelle und Prostituierte, geschickt wurden und dort bis zu 20 Jahren blieben. Einige starben auch im Exil, andere wurden nach wenigen Jahren wieder rehabilitiert. Für viele Gelehrte war dies eine überaus produktive Phase ihres Lebens, in der Gedichte und philosophische Traktate entstanden. Doch auch die Insel profitierte von den Exilanten, die für fruchtbare Außeneinflüsse sorgten. Die Verbannten waren sozusagen konfuzianistische Missionare, die ihr karges und langweiliges Landleben (die meisten von ihnen waren ein üppiges Leben am Hof gewohnt) durch Unterrichten und teilweise auch durch die Ausübung politischer Ämter erträglicher machten.
Quelpart, wie die Insel in Europa vor dem 20. Jahrhundert hieß, nach einem holländischen Schiff benannt, das diese Insel auf dem Weg zur japanischen Handelsstation Nagasaki passierte, ist für seine unruhige See bekannt. Das musste auch der niederländische Seefahrer Hendrik Hamel im 17. Jahrhundert erfahren, als er und seine Crew an der Küste Schiffbruch erlitten. Die 36 Überlebenden erhielten die Nachricht, dass ihr Einreisevisum lebenslänglich gelte, ein Ausreisevisum war nicht vorgesehen. Korea betrieb damals eine sehr strikte Abschottungspolitik, die bis zur erzwungenen Öffnung durch Japan im Jahre 1876 andauern sollte. Hendrik Hamel gelang 13 Jahre später die Flucht nach Japan, wo er auf Deshima, einer von Japan künstlich errichteten Insel für den Westhandel, einen kurzen Bericht über seinen unfreiwilligen Aufenthalt im „Hermit Kingdom“ Korea verfasste, der heute im historischen Museum von Jeju zu bewundern ist. Viele chinesische Schiffbrüchige aus der Zhejiang-Provinz strandeten in der Joseon-Dynastie an den Küsten dieser Insel, verantwortlich dafür ist die raue See. Diese wurden dann von koreanischen Gesandtschaften wieder zurückgebracht. Auf diese Art und Weise entstand der berühmte und sehr interessante Reisebericht des auf Jeju ansässigen koreanischen Beamten Choi Pu (1454-1504). Als er vom Tod seines Vaters erfuhr, legte er seine Trauerkleidung an und wollte aufs koreanische Festland reisen. Auf dem Weg dorthin wurde er an die chinesische Küste verschlagen und dort fast getötet, weil er und seine Mannschaft für japanische Piraten gehalten wurden, die damals in Korea und China viel Schaden anrichteten. Er wurde dann von einer Gesandtschaft nach Beijing und von dort nach Korea zurückgebracht. Das Besondere an diesem Reisebericht ist die Route. Es gibt zwar viele Reisebeschreibungen von Koreanern über China, doch die meisten entstanden im Rahmen der Reisen von Gesandtschaften auf dem Landweg von Seoul nach Beijing und wieder zurück. Der oben erwähnte Bericht beschreibt dagegen den Süden Chinas.