Das Mondhaus – Daljib
Das pyramidenförmige Mondhaus wird im Inneren mit Strohballen gefüllt. Zwischen die Strohschnüre, die auf Brusthöhe um das Mondhaus gewickelt werden, stecken Jung und Alt kleine Papierbriefchen mit Neujahrswünschen. Mit dem Rauch sollen diese Wünsche in den Himmel gelangen und dort erhört werden. Einige Frauen stecken ihre Unterwäsche in Plastiktüten und lassen sie im Inneren des Mondhauses verschwinden, um so persönliche Probleme zu bannen.
Als der Mond hinter den Bergen aufgeht, wird ein wenig Benzin auf das Holz gegossen, um das Feuer höher auflodern und um das oft am Vortag frisch gefällte Holz besser brennen zu lassen. Der große Moment ist gekommen, die Kinder flitzen noch immer um das Mondhaus herum, einige Erwachsene rufen „Zurück, zurück!”. Der Bürgermeister und andere Personen mit offiziellen Positionen im Dorf zünden das Mondhaus an, das sofort in Flammen aufgeht. Der verbrennende Bambus knackt und kracht, Kinder schreien durcheinander, die Musikgruppe tanzt mit einem gewissen Respektabstand um das brennende Mondhaus, einige Dorfbewohner gesellen sich dazu und tanzen mit. Einige Kinder schwingen kleine Eisenkübel mit Löchern an den Seitenwänden, die mit glühenden Kohlen gefüllt sind, durch die Luft. Am Kübelgriff ist ein 1 Meter langes Seil befestigt, und die Kinder wirbeln die Kübel mit viel Gelächter. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Für das leibliche Wohl ist gesorgt, einige ältere Frauen kochen in riesigen Töpfen Fleischsuppen und verteilen Reiskuchen mit roten Bohnen. Alkoholische Getränke stehen neben den Tischen, an denen die Gäste sitzen. Finanziert wird alles durch die Spenden der Dorfbewohner, Gäste und der Gemeindekasse.
Wandel der Zeit – es war einmal
Südkorea hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte unglaublich schnell entwickelt und modernisiert, auch das Mondhausfest ist davon nicht verschont geblieben. Kim Seok-bing (64) und seine Frau Pak Hyoeng-suk (62) erzählen mir bei einer Schale Makkeoli ihre Kindheitserinnerungen. „Früh am Morgen gingen die Männer und Kinder des Dorfs den Berg hinauf, um Bambus zu schneiden. Das Mondhaus wurde nur aus Bambus gebaut, Holz war zu wertvoll. Die Leute schrieben auch keine Briefe wie heute – Papier gab es damals nicht – sondern steckten die Kleider der diesjährig Verstorbenen hinein, um sie in den Himmel zu geleiten.” Frau Pak Hyeong-suk wirft ein: „Die Zeit zwischen der Neujahrsfeier und dem Vollmondfest (ca. 2 Wochen) war früher eine umtriebige Zeit. Ständig kamen Gäste aus dem Dorf, die die Frauen bewirten mussten, die Männer streckten nur ihre Füße aus... wir Kinder hatten eine tolle Zeit, in jedem Haus bekamen wir Reiskuchen oder andere Leckereien.”
Um Neugeborene vor bösen Geistern zu schützen, wurden bei Buben Strohschnüre mit roten Chilischoten, bei Mädchen Tannennadeln vor dem Haus aufgehängt, doch das sieht man heute nur mehr im Museum, lacht Herr Kim Seok-bing. Beim Mondfest wurden diese Schnüre dann mit dem Mondhaus verbrannt, um die Gesundheit der Kinder sicher zu stellen.
Das Mondhaus wurde damals von Leuten angezündet, die zu Hause einen Kranken pflegten oder familiäre Probleme hatten. Wenn das Mondhaus gegen Osten oder Süden hin umfiel, war das ein gutes Zeichen. In diesen Himmelsrichtungen steht ja die Sonne, Norden und Westen hingegen sind ungünstig. Wenn man dann nach Hause ging, nahm man einen brennenden Bambus aus dem Mondhaus mit. Brannte er zu Hause immer noch, würde man einen Sohn bekommen, andernfalls eine Tochter. Reiche Leute gingen an diesem Tag zu einem Wahrsager. Prophezeite einem dieser für die nahe Zukunft Unglück, errichteten diese Leute zusammen mit einem Schamanen ein kleines Mondhaus auf einem nahegelegenen Berg, um dieses Unglück abzuwenden.
Demografische Einflüsse und eine alternative Community
Während es in Sannae in Jeollabuk-do eine alternative Community mit vielen jungen Leuten (zwischen 25 und 50) aus den Städten gibt, denen das Stadtleben zu anstrengend geworden ist, gibt es im Nachbarbezirk Macheon in Gyeongsangnam-do hauptsächlich alte Leute. Die Landflucht, die in den 1970ern eingesetzt hat und noch immer andauert, hat ihre Spuren hinterlassen. In Macheon gibt es deshalb nur in der Großgemeinde ein Mondhaus für die ungefähr 15 umliegenden kleinen Dörfer (pro Dorf ungefähr 150 Einwohner, in einigen Dörfern wohnen aber manchmal auch nur 50 Menschen). Den alten Leuten ist die Arbeit zu anstrengend. In Macheon gibt es auch in vielen Dörfern keine Geistervertreibung mehr. Das Mondhausfest ähnelt mehr einer großen Party ohne traditionelle Dekoration.
In Sannae haben sehr viele Leute der ,Zurück-aufs-Land-Bewegung‘ Interesse an der Wiederbelebung der traditionellen koreanischen Kultur, deshalb gibt es in fast jedem Dorf ein eigenes Mondhaus. Neue gesetzliche Regelungen könnten das aber bald verbieten, weil es in Zukunft pro Großgemeinde nur ein Mondhaus geben soll.
Die Unterschiede sind einerseits also zwischen den verschiedenen Generationen zu verorten, andererseits spielen Zurück-aufs-Land-Bewegungen eine gewichtige Rolle bei der Revitalisierung alter Traditionen. Der Stadt-Land-Unterschied ist auch beträchtlich. Viele junge Stadtbewohner haben noch nie ein Mondhaus gesehen und kennen oft nicht einmal den Begriff Geistervertreibung (Jisinbalki). Anfangs dachte ich, es würde an meiner Aussprache liegen, doch dem war nicht so. In den Städten finden an diesem Tag keinerlei Veranstaltungen statt, deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die junge Generation zu vielen Traditionen den Kontakt verloren hat.