Eine Fantasy-Filmreihe ist ein seltenes Phänomen im koreanischen Kino. Wie kam es zu dem Projekt „Along with the Gods“?
Diese Produktion war eine rücksichtslose Herausforderung einer verrückten Person. Ich wollte mit dem Film auf dem asiatischen Markt Fuß fassen, und der Spaß kostete 35 Milliarden Won (etwa 30 Mio US-Dollar). Es war ein sehr gefährlicher Versuch. Ich frage mich, wie es gewesen wäre, wenn ich ruiniert worden wäre. Es gab schon koreanische Fantasy-Filme. Doch haben sie nie gute Kritiken bekommen. Ich habe mir überlegt, warum diese Filme auch nie erfolgreich waren und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Filmemacher immer wieder versucht haben, eine völlig neue Welt zu erschaffen, während es besser gewesen wäre, sich auf echte Emotionen sowie Objekte und Szenerien zu konzentrieren, die den Menschen vertraut sind. „Along with the Gods“ basiert auf den Webtoons von Joo Ho-Min und ist sehr mit der koreanischen Sagenwelt verbunden, einem Mix aus Buddhismus, Schamanismus und Konfuzianismus. Viele Regisseure lehnten dieses Thema ab. Als mir der Stoff angeboten wurde, hatte ich das Gefühl, dass dieses Projekt – quasi schicksalhaft – aus einem bestimmten Grund zu mir kommt. Im Leben geht es immer darum, etwas zu wagen, einen ersten Schritt zu gehen. Also habe ich zugesagt und die ersten vier Jahre damit verbracht, Manhwa (südkoreanische Comics) ins Filmformat zu übersetzen.
Ihre Filme erinnern an Werke des deutschen Regisseurs Roland Emmerich, der als Meister von Katastrophenfilmen mit grandiosen Spezialeffekten gilt und mit solchen einer der erfolgreichsten Filmemacher unserer Zeit geworden ist. Ich nehme an, Sie kennen sie.
Natürlich kenne ich die Filme von Roland Emmerich. Seine atemberaubenden Explosionen habe ich immer bewundert ebenso wie sein Vermögen, nie das Budget zu sprengen. Dennoch orientiere ich mich in meinen Filmen eher an James Cameron, und mein Lieblingsfilmregisseur ist Steven Spielberg. Seine Geschichten sind romantisch und verträumt, vielleicht entsprechen sie eher meiner Vision von der Welt.
Wenn der Film zu 80 % aus VFX besteht, was ist daran besonders herausfordernd?
Unsere Priorität ist immer, die Hintergründe so natürlich wie möglich zu gestalten, auch wenn in „Along with the Gods“ etwa Dinosaurier in manchen Szenen auftauchen, eine Hommage an „Jurassic Park“. Natürlich waren einige gegen die Idee, diese Kreaturen in den Film einzufügen, da sie den Betrachter ablenken könnten. Aber als kommerzieller Regisseur wollte ich beweisen, dass die Qualität von koreanischen Filmen mit der von Hollywood mithalten kann. Bei Produktionskosten von 35 Milliarden Won musste ich über zehn Monate vor einer Green Screen[1] drehen, ohne zu wissen, wie die am Computer generierten Bilder aussehen werden. Ehrlich gesagt habe ich mich gefragt, ob es in Ordnung ist, so weit zu gehen. Das Projekt lief jedoch schon. Ich habe den Schauspieler*innen vertraut, sie haben mir vertraut. Wir ruhten uns ausreichend aus und während eines Monats haben wir nicht mehr als 20 Mal gefilmt. Ich will ja als guter Mensch vor anderen dastehen. Ich möchte respektiert werden, also respektiere ich die anderen. Es ist lustig, wie die Leute sagen, dass sich koreanische Filme in einer Krise befinden. Ich habe den Satz seit den 1990er-Jahren immer wieder gehört, aber auch, dass sich die Qualität im Laufe der Zeit verbessert habe. Obwohl es Probleme hinsichtlich der mangelnden Genre-Vielfalt gibt bin ich stolz darauf, dass koreanische Filme weltweit immer mehr Beachtung finden und ihre Qualität sich deutlich verbessert hat.
Brauchen wir immer noch Schauspieler für solche Projekte, wenn wir heutzutage Protagonisten am Computer so gut und realistisch gestalten können?
Darsteller können nicht durch VXF ersetzt werden, weil nur echte Menschen menschliche Emotionen auf reale Art und Weise darstellen können. Schauspieler bleiben das wichtigste Element in Filmen. Der Einsatz von VFX hängt vom Verwendungszweck ab. Einige Genrefilme wie Action oder Fantasy, an denen gerade ich arbeite, wären ohne Spezialeffekte nicht möglich.
Seitdem K-Pop und K-Drama zu globalen Phänomenen wurden und Filme wie „Train to Busan“ oder „Parasite“ internationale Kinoleinwände eroberten, stellt sich eine ganz andere Frage: Warum fasziniert die koreanische Unterhaltungsindustrie so viele Menschen weltweit?
Vor 30 Jahren, als ich noch viel jünger war, hörte ich viel Musik. In Korea hörte man damals amerikanische oder britische Popmusik. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Welt irgendwann koreanischen Rap, Hip-Hop und Pop hören würde. Ich denke, dass die Leute, die in unserer Unterhaltungsindustrie arbeiten, dafür brennen. Koreaner sind ein sehr hartnäckiges Volk ohne Angst vor Herausforderungen.
Derzeit gilt „Parasite“ von Bong Joon Ho in der Kategorie „Bester Film“ als Oscar-Favorit, was dem koreanischen Kino Tür und Tor öffnet - auch vielen Koproduktionen. Haben Sie schon daran gedacht, Hollywood zu erobern?
Es freut mich sehr für „Parasite“, zumal meine „Dexter Studios“ die visuellen Effekte und die Postproduktion für den Film gemacht haben. Aber eigentlich interessiert es mich wenig, Filme für diesen oder jenen Markt zu machen. Mir geht es nicht ums Verkaufen, sondern um Leidenschaft. Warum hat Bong Joon-ho einen enormen Erfolg mit seinem Film? Weil er etwas gemacht hat, woran er glaubte und nicht, weil er ans Geld oder den Erfolg an den Kinokassen dachte. Mir wurden bereits englischsprachige Projekte auch aus Hollywood angeboten, doch bis jetzt habe ich sie abgelehnt. Mir gefallen die Erwartungen, die an einen Filmregisseur in Hollywood gestellt werden, nicht. Ich mag die Vorstellung nicht, eine bestimmte, mir auferlegte Rolle als Regisseur spielen zu müssen. Ich empfinde es als sehr einschränkend, dass die Produzenten oder das Studio und nicht ich selbst Anspruch auf den Final Cut haben. Mir gefällt es nicht, Kontrolle über meine Projekte abzugeben. Ich habe auch Bedenken, mit fremdsprachigen Schauspieler*innen zu drehen und viel zu sehr von anderen wie z.B. von Dolmetschern abhängig zu sein. Dazu bin ich noch nicht bereit.