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                                                                                            Doljabi während des 1. Geburtstags (Doljanchi) 






Von Selin Vurgun



Geburtstage stellen für viele Menschen Meilensteine dar. Vor allem das Erreichen bestimmter entscheidender Lebensjahre wie zum Beispiel das Alter der Volljährigkeit wird in den meisten Ländern ganz groß gefeiert.


Verschiedene Kulturen messen bestimmten Lebensjahren einen besonderen Wert bei, so auch in Korea. Denn dort findet vor allem der erste Geburtstag eines Kindes besondere Beachtung. Der erste Geburtstag wird Doljanchi (돌잔치) genannt. „Dol“ bedeutet, dass 365 Tage seit der Geburt eines Kindes vergangen sind, und „janchi“ steht für ein Fest oder eine Feierlichkeit.


Der Doljanchi ist tief in der koreanischen Tradition verankert. Da früher die Kindersterblichkeitsrate viel höher war als heutzutage, stellte das Erreichen des ersten Lebensjahres eine große Hürde für das Kind und die Eltern dar. In der Vergangenheit war es deshalb üblich, dass die Bewohner kleinerer Dörfer für ein Fest zusammenkamen, um dem Kind ein langes und gesundes Leben zu wünschen und Essen und Trinken miteinander zu teilen.


Traditionell wurde zu Beginn der Feier gebetet, vor allem zu den Sansin (산신/山神, Berggötter) und Samsin (삼신/三神, drei Göttinnen, die gemeinsam als Göttin der Geburt und des Schicksals gelten), die im koreanischen Schamanismus verehrt werden. Hierzu wurden Opfertische mit spezifischen Gerichten vorbereitet: eine Schale gefüllt mit gekochtem Reis, Miyeok-guk (미역국, Seetangsuppe) sowie eine Schale gefüllt mit Wasser.


Sobald alles auf dem Opfertisch platziert worden war, begann das Gebet, welches von der Mutter des Kindes vollzogen wurde. Sie bat um ein langes Leben für das Kind und äußerte ihren Dank an die Sansin und Samsin und verneigte sich vor ihnen. Obwohl diese Gebetszeremonie früher einmal ein wichtiger Bestandteil des Doljanchi war, wird sie heute kaum noch durchgeführt.


Damals wie heute spielt die Kleidung des Kindes eine besondere Rolle: Das Kind wird in einen traditionellen farbenfrohen Hanbok gekleidet, der in diesem Fall auch als Dolbok bezeichnet wird. Je nach Geschlecht variieren die Dolbok, aber jedem Kind wird ein Dolddi (eine Art Gürtel) zweimal um den Körper gewickelt, der Langlebigkeit repräsentiert.


Doch das Augenmerk des Doljanchi ist das Doljabi, eine Art Wahrsage-Ritual, um die Zukunft des Kindes vorherzusagen. Obwohl früher der Aberglaube eine größere Rolle bei dem Brauch gespielt haben mag, wird das Doljabi auch heute noch gern vollzogen.


Für das Doljabi wird ein Tisch vorbereitet, auf dem bestimmte Gegenstände platziert werden. Dem Kind werden die unterschiedlichen Gegenstände dargeboten, und je nachdem, für welche Dinge es sich entscheidet, kann seine Zukunft vorhergesagt werden. Welche konkreten Gegenstände für das Doljabi verwendet werden, hat sich über die Jahre hinweg verändert. Letztendlich entscheidet die Familie selbst, welche Objekte dem Kind präsentiert werden, so kann es von Fest zu Fest zu unterschiedlichen Kombinationen von Gegenständen kommen.


Üblich für ein klassisches Doljabi sind unter anderem die folgenden Gegenstände:

-       Ein Stift oder ein Buch steht für Klugheit und Intelligenz.

-       Geld steht für Wohlstand.

-       Garn steht für ein langes Leben.

-       Eine Nadel, Schere oder ein Lineal stehen für talentierte Hände, also hat das Kind ein besonderes Talent.


Der modernen Variation von Gegenständen sind keine Grenzen gesetzt, und die Familie kann auch sehr kreativ mit der Auswahl werden.


Die heutigen Feiern finden häufig nicht im eigenen Haus statt, sondern es werden oft größere Räumlichkeiten von den Eltern gemietet, je nach Anzahl der Gäste. Es werden nicht nur Familienmitglieder, sondern auch Freunde und Bekannte eingeladen, um gemeinsam Zeit zu verbringen, zu essen und diesen besonderen ersten Geburtstag des Kindes zu feiern.



Über die Autorin: 


Selin Vurgun ist Studentin der Koreastudien/Ostasienwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Sie interessiert sich besonders für die koreanische Sprache und Kultur.



Selin Vurgun (Foto: privat)