Ausland

GESELLSCHAFT

VEGAN ESSEN UND ZERO-WASTE-BEWEGUNG IN KOREA

Veganer*in in Korea? Einkaufen ohne Verpackung? Das hört sich in Korea etwa so exotisch an wie ein Kamelritt um den Bodensee.


Seit der „Fridays for Future”-Bewegung sind Umweltthemen und Klimawandel rund um die Welt wieder in das mediale Bewusstsein gerückt. Zu sehen, wie andere Länder und Kulturen mit der Problematik umgehen, öffnet und erweitert den eigenen Horizont. Aber wie und welche Themen jeweils umgesetzt werden, ist doch wieder ganz individuell. 


Chicken ist bei allen Koreanern beliebt. (© Michaela Auer)

Ein Aspekt, nämlich „Ernährung und Umwelt”, ist besonders interessant, da er einiges an kulturellen Differenzen aufzeigt. In Korea hat das Nahrungsmittel Fleisch einen hohen Stellenwert. Nicht nur in kulinarischer, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Es ist üblich, sich regelmäßig mit Freunden, Kollegen oder der Familie im Grillrestaurant zu treffen. Fragt man Koreaner*innen nach ihrem Lieblingsessen, nennen viele das Gericht „Chicken”. Dabei handelt es sich um frittierte Hähnchenteile, die mit einer Auswahl von unterschiedlichen Soßen serviert werden. Im Fokus steht dabei immer das Fleisch als Herzstück. Grill- und Fleischgerichte sind ein Gemeinschaftsessen, und es wird eine Portion für mehrere am Tisch sitzende Personen bestellt. Somit ist es selbst für Koreaner*innen, die von den Vorteilen des Fleischverzichts bereits überzeugt sind, schwer, den Verzicht auch im Alltag in die Tat umzusetzen, ohne sich ins soziale Aus zu manövrieren. Ein weiterer Aspekt, der einem häufig begegnet, ist die Auffassung, dass Fleisch zur gesunden Ernährung dazugehört. Wer kein Fleisch isst, wird häufig als ungesund, schwach und antriebsarm betrachtet. Diejenigen, die sich gegen den Fleischkonsum aussprechen, werden oft obendrein in eine negative Schublade gesteckt.


Das Bewusstsein für Tierrechte und vegane &/ oder vegetarische Ernährung steckt noch in den Kinderschuhen. Sich für die Lebensbedingungen von Tieren einzusetzen, hat sich in Korea erst in den 00er Jahren langsam entwickelt. Vor allem durch die Popularität von Haustieren ist es für viele ein persönliches Anliegen geworden, die Lebensbedingungen der Straßenkatzen zu verbessern oder gegen den Verzehr von Hundefleisch zu protestieren. Über 10 Millionen Koreaner*innen halten derzeit einen Hund als Haustier, und die tierischen Begleiter sind aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Insofern haben sich die Hunde einen Platz innerhalb der koreanischen Familien erobert und werden nicht mehr als Nutztiere betrachtet. Dagegen ist es für die Tiere aus der konventionellen Landwirtschaft noch ein weiter Weg.


Jedoch gibt es mit der steigenden Anzahl von Vegetarier*innen oder Veganer*innen auch eine Tendenz in diese Richtung. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Vegetarier*innen verzehnfacht (von 150.000 auf 1,5 Millionen).


Das Gericht Bibimbab kommt mit Glück auch mal in der vegetarischen Variante. (© Michaela Auer)

Deshalb ist man als Vegetarier*in oder Veganer*in in Korea mittlerweile nicht mehr ganz verloren. Vor allem dann nicht, wenn man in der Hauptstadt Seoul lebt. Denn hier sind in den letzten Jahren kleine gallische Dörfer entstanden, aus denen mit der vegetarischen und auch veganen Esskultur kleine Impulse in die koreanische Bevölkerung ausgegangen sind. In Seoul sind vor allem Itaewon, das berühmte Ausländerviertel, Insadong, das traditionelle Touristenviertel, und Hongdae, das studentische Partyviertel, zu nennen. Aber auch im Stadtteil Gangnam wird es diesbezüglich immer schicker. Vegetarische Restaurants im westlichen Stil sind im Stadtbild keine Seltenheit mehr. Und auch die koreanische Küche genügt den Ansprüchen der veganen und vegetarischen Ernährungsweise. Dabei orientiert sie sich an der buddhistischen Tempelküche, in der von jeher vegetarisch und pflanzenbasiert gekocht wird. Es gibt heutzutage in Seoul eine breite Auswahl an rein vegetarischen Restaurants und an Restaurants mit zum Teil vegetarischem Angebot. Rein vegane Restaurants sind noch eher unüblich.

Eine Auswahl an Restaurants finden Sie hier:




Itaewon:                                                                                                                                               Plant                                                                                                                                       https://www.plantcafeseoul.com/                                                                                                    Vegetus                                                                                                                                                    http://www.vegetus.kr/contact-us/

Insadong:                                                                                                                                                                          Osegye Hyang                                                                                                                                                    http://www.go5.co.kr/default/

Jongno:                                                                                                                                                                               so-iroum                                                                                                                                         https://www.instagram.com/so_iroum/






Seltener Anblick - unverpackte Lebensmittel findet man oft nur auf dem Markt. (© Michaela Auer)



Ein weiterer Schritt in Richtung nachhaltige und umweltfreundliche Lebensweise ist die Reduktion des Plastikverbrauchs. Plastik ist von Umweltaktivisten weltweit als einer der Hauptumweltsünder identifiziert worden. Allen voran treibt die Zero-Waste-Bewegung diesen Wandel an. Der Verzicht auf Verpackungen setzt sich in Asien erst allmählich durch. Aber es gibt auch hier erste Fortschritte. Von der südkoreanischen Regierung wurde der Plastikmüll als grundlegendes Problem erkannt. Im Jahr 2018 erließ sie erstmals ein Gesetz zur Plastik-Reduzierung in Cafés und Restaurants. Alle Kunden, die nicht den Take-Away-Service nutzen wollen, sollten nun wiederverwendbare Becher und Mehrweggeschirr benutzen. Vor allem das Problem des Plastikbecher-Verbrauchs ist in Korea eklatant. Bisher war es für Kunden kaum möglich, in Cafés wiederverwendbare Becher zu bekommen. Auch nach expliziter Nachfrage wurden Getränke entweder in Plastik- oder in Pappbechern serviert. Aus Sicht der Gastronomie geschah dies aus Bequemlichkeit und zur Reduzierung des Arbeitsaufwands. Um die Säuberung muss man sich bei Einweggeschirr keine Gedanken machen. Aus Sicht der Kunden spielen natürlich auch die Bequemlichkeit und die Hygienevorstellungen eine große Rolle. Dank Einweggeschirr sind sie flexibel und können nach einer Weile im Café das Getränk auch nach draußen mitnehmen. Es besteht also nicht die Notwendigkeit, sich festzulegen. Des Weiteren fehlt noch das Vertrauen in die Sauberkeit von wiederverwendbaren Bechern, obwohl dies eigentlich der gängigen Praxis in koreanischen Restaurants widerspricht. Dort ist es seit eh und je üblich, kostenlos bereitgestelltes Wasser aus Aluminiumbechern zu trinken, die nach Gebrauch gewaschen und danach in sterilisierten Automaten wieder zur Selbstbedienung bereitgestellt werden. An dieser Stelle wird jedoch spürbar, in welchem Ausmaß die Menschen Gewohnheitstiere sind. Und so verwundert es nicht, dass die Neuregelung einige Zeit brauchte, um sowohl von den Geschäften als auch von den Kunden umgesetzt zu werden. Und selbst heute gibt es noch keine Garantie dafür. 

 

Verpackungskunst im Supermarkt (© Michaela Auer)

Im Mai dieses Jahres gab die koreanische Regierung ein weiteres positives Signal. Demnach wurde vom Umweltministerium und mehreren Wirtschafts- und Umweltverbänden beschlossen, im Bereich der Verpackungsindustrie und Lieferdienste den Plastikverbrauch bei Lebensmittellieferungen um 20 Prozent zu senken.


Die Lieferdienste haben seit dem Covid-19-Ausbruch in Korea massiv profitiert. Der Umsatz stieg seit Februar um mehr als die Hälfte. Viele Konsumenten nutzen nun regelmäßig den Online-Service und bestellen Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs. Auch Essenslieferungen werden rege nachgefragt. Leider ist gleichzeitig die Bereitschaft der Menschen zurückgegangen, Mehrwegverpackungen zu nutzen. Aus Angst vor Ansteckung wurden auch in Cafés und Restaurants wieder vermehrt Einweggeschirr und Verpackungen verwendet.


Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Zero-Waste-Bewegung in Korea noch sehr klein ist. Die stärksten Impulse gehen hier noch von Seiten der Regierung aus. Im Alltagsleben und in den Medien wird das Thema nach wie vor kaum behandelt. Von offizieller Seite wird durch kleinere Projekte versucht, der koreanischen Bevölkerung einen umweltfreundlichen Lebensstil nahezubringen und sie für das Thema zu sensibilisieren. Natürlich zieht die weitere Ausbreitung des vegetarischen und veganen Lebensstils auch die Aufmerksamkeit für ein rundum umweltfreundliches Leben nach sich. Dies kommt der Zero-Waste- / Low-Waste-Bewegung zu Gute. Das zeigt sich auch daran, dass es immer mehr Geschäfte gibt, die sich dem Umweltschutz verschreiben. So gibt es bald in den Filialen des Bekleidungsgeschäfts Topten Einkaufstüten, die auf Maisbasis hergestellt sind. In den Geschäften sind Plastiktüten zum Teil nur gegen einen Aufpreis an der Kasse erhältlich, was auch von staatlicher Seite vorgeschrieben wurde. Das Konsumverhalten in Korea unterscheidet sich immer noch erheblich von dem des Westens. Zwar spielen Plastiktüten keine so große Rolle, wie man vielleicht vermuten könnte. Aber die Verpackung der Produkte ist für die Konsumenten immer noch sehr wichtig. Sowohl unter ästhetischen Gesichtspunkten, als auch aufgrund der Ansicht, dass sie hygienischer sei. So werden Äpfel oder Bananen auch mal einzeln verpackt oder Produkte mit mehreren Schichten Verpackung geschützt. Vor allem für kleine Firmen und Geschäfte ist die Umstellung auf umweltfreundliche Verpackungen oder sogar der Verzicht darauf noch unvorstellbar.



Erfreulicherweise gibt es ab und an kleine Vorstöße von großen koreanischen Unternehmen in Richtung Umweltschutz und Zero Waste. Auch in Korea wird sich dieser weltweite Trend langsam, aber sicher entfalten.

Bild von Michaela Auer

Michaela Auer

Foto: privat

Michaela Auer

lebt und arbeitet seit 2014 in Seoul. Sie studierte Kulturwissenschaften (Anglistik / Amerikanistik) und Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Anschließend war sie in der Kommunikationsabteilung von Siemens Healthcare tätig. Danach zog es sie nach Korea. Seitdem arbeitet sie beim Goethe-Institut Korea in Seoul als DAF-Lehrkraft und als freiberufliche Konzeptorin für die Design- und Kommunikationsagentur Volute. Aktuell beschäftigt sie sich mit diversen Kulturprojekten und ist Nachhaltigkeitsbeauftragte am Goethe-Institut Korea.