Der Film als solcher wurde vermutlich in Korea erstmalig 1901 vorgestellt. Es war der amerikanische Fotograf und Reisende Burton Holmes (1870-1958), der zum ersten Mal einen Kinofilm nach Korea brachte und König Gojong (regierte 1863-1907) in das Vergnügen des Films einweihte. Danach sollte es weitere 20 Jahre dauern, bis der erste koreanische Regisseur einen Film produzierte.
Die koreanische Filmindustrie existiert nun seit mehr als einem Jahrhundert, und sie hat eine sehr facettenreiche Reise hinter sich. 2012 überstieg die Zahl der Kinogänger in Korea erstmalig die Marke von 100 Millionen. Nur ein Jahr später wurden auf dem heimischen Markt 200 Millionen Eintrittskarten verkauft. Die Zahl von 200 Millionen legt nahe, dass jeder Koreaner/ jede Koreanerin im letzten Jahr durchschnittlich vier Filme im Kino anschaute.
In den vergangenen 100 Jahren hat die koreanische Gesellschaft Besetzung, Unabhängigkeit, Krieg, wirtschaftlichen Auf- und Abschwung und vieles mehr erlebt. Wir können die Höhen und Tiefen des Lebens alle im koreanischen Kino entdecken, in dem sie zusammenfließen.
Aus Anlass des 100. Geburtstags des koreanischen Films und in dem Versuch, einen Blick auf seine Geschichte zu werfen, hat das Korean Film Archive (KFA, Koreanisches Filmarchiv) die 100 besten koreanischen Filme ausgewählt. Insgesamt 62 Filmexperten nahmen an der Befragung zur Ermittlung der besten Filme teil, und ihre Antworten decken alle Genres ab, darunter auch Spiel-, Dokumentar- und Zeichentrickfilme. Die auszuwählenden Filme durften aus allen Zeiten stammen, von den frühesten Produktionen bis zu Filmen vom letzten Tag des Jahres 2013. Alle waren Gegenstand der Erkundung und Bewertung.

Das Hauptkriterium für die 100 ausgewählten Filme war die öffentliche Wahrnehmung des entsprechenden Films zur Zeit seiner Veröffentlichung und sein Einfluss auf die Gesellschaft in Bezug auf seine Motive und Themen. Aus chronologischer Sicht betrachtet machten Filme aus den 1960er Jahren den Großteil der Liste aus. Laut dem KFA ließ in den 1960er Jahren die Regierungskontrolle stark nach, was Regisseure ermutigte und dazu anregte, neue filmische Ideen zu entwickeln.
Auf Platz Nummer 1 unter den Filmen, die die koreanische Geschichte in besonderem Maße widerspiegeln, finden sich drei Produktionen wieder. Die drei Gewinner sind „The Housemaid“ (Originaltitel: ,Hanyo‘, deutsche Übersetzung: ,Das Hausmädchen‘) von 1960, „An Aimless Bullet“ (Originaltitel: ,Obaltan‘, ungefähre deutsche Übersetzung; ,Eine ziellose Kugel‘) von 1961 und „The March of Fools” (Originaltitel: ,Babodeul-ui Haengjin‘, ungefähre deutsche Übersetzung: ,Der Marsch der Idioten‘) von 1975. In jedem der drei Filme wollte der Regisseur eine bestimmte Botschaft übermitteln, und alle diese Filme wurden bei ihrer Veröffentlichung von Filmkritikern gelobt.
„The Housemaid” (1960) von Regisseur Kim Ki-yeongDer Protagonist Dong-sik des ersten Films, „The Housemaid”, gibt seinen Kollegen Musikstunden an seinem Arbeitsplatz, einer Textilfabrik. Man sieht ihn in der Eröffnungsszene des Films, wie er einen Zeitungsartikel über einen Mord liest. Eine Kollegin namens Gyeong-hee beginnt, sein Haus zu besuchen, um Klavierstunden zu nehmen. Es stellt sich heraus, dass Dong-siks Frau krank geworden ist, da sie zu viel Energie in ihren Zusatzverdienst, Näharbeiten, gesteckt hat, um Geld für die Einrichtung des neuen Hauses zu verdienen. Dies ist der Auslöser für Dong-sik, ein Hausmädchen anzustellen. Er fragt Gyeong-hee nach einer Empfehlung, und sie vermittelt ihm ein Hausmädchen. Als seine Frau zur Erholung zu ihrer Mutter fährt, gesteht Klavierschülerin Gyeong-hee Lehrer Dong-sik ihre Liebe, wird jedoch abgewiesen und aus dem Haus geworfen. Das Hausmädchen, das alles heimlich durch das Fenster beobachtet hat, kommt ins Zimmer und lockt Dong-sik ins Bett. Das Hausmädchen wird schwanger. Als die Ehefrau davon erfährt, stößt sie das Hausmädchen die Treppe hinunter, sodass es das Kind verliert. Das Hausmädchen erpresst das Ehepaar und sagt, dass es die ganze Geschichte in der Fabrik erzählen werde. Um das Haus und die Familienehre zu retten, schickt die Ehefrau ihren Mann in das Zimmer der Hausangestellten. Dong-sik und die junge Frau nehmen Gift und begehen Selbstmord. In der Schlussszene torkelt der noch lebende Dong-sik kurz vor dem Tod in die Arme seiner Frau, wo er seinen letzten Atemzug tut. Der Film kehrt zur Anfangsszene zurück, in der Dong-sik und seine Frau zusammen die Zeitung lesen.
Kritiker sagten, dass die Rahmenhandlung von „The Housemaid” eine wirksame Rolle darin gespielt habe, die Grenzen zwischen Film und Realität verschwimmen zu lassen. Der Film wurde für seine Individualität und seinen erfrischenden Stil gelobt. Seine Schlüsselbotschaften – Männer, die von Paternalismus und Modernisierung, sozialen Schichten und gesellschaftlicher Macht, Dominanz und Gewalt besessen sind – tauchen alle auf der Leinwand auf. Die Kritikerin Jeong Ji-yeon sagte, dass „in den Augen von Regisseur Kim Ki-yeong Frauen Objekte sind, die primitive Begierden haben und den Männern überlegen sind, und dass dies die Begierden und Unterdrückung der Männer widerspiegelt.“
„An Aimless Bullet” (1961) von Yoo Hyun-mokCheol-ho, die Hauptfigur des zweiten Films - „An Aimless Bullet” von 1961 -, arbeitet als Angestellter in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Cheol-ho ist der Hauptverdiener einer siebenköpfigen Familie, die neben ihm aus folgenden Personen besteht: seiner Mutter, die vom Krieg traumatisiert ist, seiner unterernährten schwangeren Frau, einem kleinen Mädchen und drei mittellosen jüngeren Geschwistern. Er ist so arm, dass er nicht einmal zum Zahnarzt gehen kann, um seine Zahnschmerzen behandeln zu lassen. Trotz seiner verzweifelten Lage gibt Cheol-ho niemals auf.
In dieser Situation begeht Cheol-hos Freund, der sich in ähnlichen Lebensumständen befindet, einen Einbruch, um der Realität zu entkommen, aber am Ende scheitert er. Cheol-ho muss auf die Polizeistation kommen, um seinen Freund zu sehen. Als er sich mit gemischten Gefühlen auf den Weg nach Hause macht, erfährt er, dass seine Frau kurz vor der Geburt ihres Kindes steht. Er begibt sich unmittelbar ins Krankenhaus. Bei seiner Ankunft wird ihm mitgeteilt, dass seine Frau gestorben sei. Er erleidet einen ernsthaften Schock und fällt in Ohnmacht. In der letzten Szene verlässt Cheol-ho, der sich den Leichnam seiner Frau nicht angeschaut hat, das Krankenhaus und wandert durch die Straßen von Seoul auf der Suche nach einer Zahnarztpraxis.
„An Aimless Bullet” porträtiert auf lebendige Weise Gram, Leid und Armut des Koreas der 1960er Jahre, als die Nation darum rang, sich von den Nachwirkungen des Koreakriegs zu erholen. Der Filmexperte Kim Jong-won hat den Film als „Schlagwort des Realismus” bezeichnet. Kim erklärte, dass Regisseur Yoos detailliertes Porträt des damaligen Zeitgeistes und seine starke Betonung bestimmter Themen das öffentliche Bewusstsein gefördert hätten und dass der Film sehr lobenswert sei. „An Aimless Bullet“ hat sich in den letzten Jahrzehnten in Filmumfragen immer wieder den Spitzenplatz gesichert.
„The March of Fools” (1975) von Regisseur Ha Gil-jongDer Film dreht sich um vier Charaktere, die alle in ihren Zwanzigern sind. Byeong-tae und Yeong-cheol, die beide Philosophie im Hauptfach studieren, freunden sich mit zwei Studentinnen an, Yeong-ja und Sun-ja, die in einer nahegelegenen Universität französische Literatur studieren. Die Vier treffen sich oft, tauschen sich über ihre Sorgen aus und trinken zusammen. Byeong-tae fragt Yeong-ja immer halb im Scherz, ob sie ihn heiraten möchte, aber in diesen Fällen lehnt sie seinen Antrag immer ab mit dem Hinweis auf die unsichere Zukunft eines Absolventen der Philosophie. Nichtsdestotrotz verabreden sich die beiden immer häufiger. Eines Tages verabschiedet sich Yeong-ja aber von ihm mit den Worten, dass sie einen Mann heiraten muss, den ihre Eltern ihr vorgestellt haben.
Währenddessen verliebt sich Yeong-cheol in Sun-ja, aber sie kann in ihren Augen seinen Antrag ebenfalls nicht annehmen. Die Gründe sind, dass er stottert, keine rosigen Zukunftsaussichten hat und bei der medizinischen Untersuchung für den Militärdienst durchgefallen ist und deshalb nicht einmal für die Wehrpflicht für tauglich befunden wird.
Die beiden jungen Männer treffen sich und gehen an den Strand. Yeong-cheol fährt mit seinem Fahrrad an eine Klippe und stürzt sich von ihr herunter, in das offene Meer. Nachdem Byeongtae dort lange Zeit steht und einen verzweifelten inneren Kampf führt, ob er ebenfalls springen soll, macht er sich schließlich auf den Weg, um seinen Militärdienst abzuleisten. Yeong-ja kommt zum Bahnhof, um ihn zu verabschieden. In der letzten Szene küssen sich die beiden.
„The March of Fools” wirft einen Blick auf die Jugendkultur, die Mitte der 1970er Jahre in Korea vorherrschend war. Der Regisseur lässt verschiedene kulturelle Elemente verschmelzen und in seinen Film einfließen, darunter Jeans, ein populäres Volkslied namens „Waljagd”, Gruppen-Blind-Dates und die Trinkkultur mit Makgeolli, einem Reisbier, die alle für die Jugend der 1970er Jahre stehen. Dieser Film zeigt die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit und die psychologischen Kämpfe, welche die Jugend während der Zeit ihrer Ausbildung austragen musste. Der Kritiker Lee Sang-yong fügte hinzu, dass das neu erfundene Zoom-Objektiv während des gesamten Films angewendet worden sei, um eine eigene Technik und einen neuartigen Stil zu ermöglichen.
Diese drei Werke und die 97 weiteren Filme, die das KFA ausgewählt hat, werden das gesamte Jahr über in der Cinematheque KOFA in Sangam-dong, Seoul, gezeigt. Nur einige der Filme haben englische Untertitel.
Weitere Informationen stehen Ihnen auf der Website des KFA zur Verfügung: www.koreafilm.org Alle 100 Filme des KFA finden Sie hier: http://www.koreafilm.org/feature/100.asp Das Korean Film Archive hat auch einen eigenen YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/user/KoreanFilm
Von Lee Seung-ah
slee27@korea.kr
Übersetzung: Gesine Stoyke