Der französische Romanautor Jean Marie Gustave Le Clézio, Träger des Literaturnobelpreises 2008, hat die koreanische Literatur ausdrücklich empfohlen. Le Clézio veröffentlichte am 15. Mai in der Tageszeitung „Le Figaro“ eine zweiseitige Buchkritik mit dem Titel „Hâtez-vous de les lire!“ (,Beeilen Sie sich, diese zu lesen!‘).
Das Buch, das von Le Clézio vorgeschlagen wurde, ist eine Sammlung von ins Französische übersetzten Kurzgeschichten mit dem Titel „Nocturne d'un chauffeur de taxi” (,Nacht eines Taxifahrers’), das zehn Werke der zeitgenössischen koreanischen Literatur enthält, die zwischen 2000 und 2013 veröffentlicht wurden. Die zehn Autoren sind Kim Yeon-su, Jo Kyung-ran und Pyun Hye-young – die alle mit dem Dongin-Literaturpreis ausgezeichnet wurden – sowie Han Kang, Choi Jin Young, Kim Ae-ran, Baek Kahum, Ahn Yeong-sil, Yoon Sunghee und Park Chan-soon.
Jean Marie Gustave Le Clézios Buchkritik wurde am 15. Mai in der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ veröffentlicht.
„Sie werden überrascht sein von dem Talent, der Ernsthaftigkeit und dem Humor dieser grausamen und exzentrischen Erzählungen, die voller unerwarteter Anspannung sind“, schrieb er in der Kritik. „Die Autoren demonstrieren die Vitalität der zeitgenössischen koreanischen Literatur.“
Der Titel der Sammlung stammt von Kim Ae-rans Erzählung „Die Nacht dort, das Lied von hier”, deren Titel übersetzt wurde, um französische Leser anzusprechen. Die Geschichte handelt von einem verwitweten Taxifahrer, der seine Frau vermisst, die an Krebs starb, und folgt ihm, während er durch die Seouler Nacht fährt. Kim Aerans Kurzgeschichtensammlung „Lauf, Papa, lauf“ wurde berühmt, nachdem sie 2005 den Hanguk-Ilbo-Literaturpreis erhielt. Kim, die damals erst 25 Jahre alt war, war die jüngste Gewinnerin aller Zeiten. Ihr Fall ist beispiellos, da sie bislang noch keinerlei Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht hatte.
Kim Yeon-sus „Allen ein frohes Neues Jahr” handelt von einer Frau, die Gastarbeitern aus Indien Koreanischunterricht gibt, und von ihrem Ehemann, der eifersüchtig wegen ihrer Freundlichkeit gegenüber den Arbeitern ist. Die literarische Welt des Dichters und Romanautors Kim wurde durch seine Studien der Menschheit geprägt. Gleichzeitig verdankt er dem spanischen Autor Jorge Luis Borges viel, dessen Einfluss in Kims erster Kurzgeschichtensammlung, „Zwanzig Jahre alt”, überragend ist. Kims Bewunderung für Borges wird besonders in solchen Kurzgeschichten wie „Babels Bibliothek” und „Funes, ein Meister der Erinnerung” deutlich, die oft als Hommage an den berühmten Schriftsteller verstanden werden.
Der Buchdeckel von „Nocturne d'un chauffeur de taxi“, einer Sammlung von Kurzgeschichten, die ins Französische übersetzt wurden.
Han Kangs Erzählung „Neue Episoden” handelt von einer 30-jährigen Frau, die neun Momenten in ihrem Alltagsleben begegnet, die ihr helfen, sich an ihre erste vergessene Liebe zu erinnern und später zu lernen, wie man jemanden liebt. Ihr Debüt 1995 sorgte für Aufmerksamkeit, da ihre erste Veröffentlichung, „Liebe in Yeosu“, „unermüdliche Präzision und eine stark verdichtete Erzählstruktur aufweist, die eine gleichbleibend starke Energie und eine gerechte Aufmerksamkeit für Details enthält“, wie in der Kritik zu lesen war.
Ahn Yeong-sils „Unmögliche Liebe” handelt von einem Bauern, der für seine Frau Verlangen verspürt. Es ist ihm gelungen, sie zu heiraten, aber seine Ehe ist vielen Hindernissen ausgesetzt. Park Chan-soons „Stoppie-Motorrad“ porträtiert einen Mann, der früher ein erfolgreicher Fernsehproduzent war, aber immer weiter absteigt und trotz seines ehrlichen Charakters als Produzent von Hochzeitsvideos und als motorisierter Paketauslieferer (auf dem Motorrad) endet.
Baek Kahums „Gerüchte” demonstriert die wahre Natur von Menschen, deren Schwäche sie dazu verleitet, der Zerstörung durch Gerüchte zu unterliegen, die sich schließlich bewahrheiten. Seine Erzählung erzeugt bei den Lesern oft Unbehagen, so wie im Fall seiner Debütgeschichte, die mit der detaillierten Beschreibung des Filetierens einer Flunder beginnt. „Wenn die Pfirsichblüten welken“ beschreibt den schockierenden Missbrauch von Kindern und Behinderten.
Yoon Sunghees „Haus aus Lego” handelt von einem jungen Mädchen, das das einsame Leben liebt und sich abmüht, um aus eigener Kraft ihren behinderten Vater und ihren Bruder zu unterstützen. Jo Kyung-rans „Samen“ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die alles verloren hat, aber Zuflucht in ihrem Traum findet.
Choi Jin Youngs „Mein Ehemann” ist eine Tragikomödie, in der eine Frau entdeckt, dass ihr Mann ein Triebtäter ist. Pyun Hye-youngs „Konservenfabrik” erzählt von den Angestellten einer Konservenfabrik, die nach deren Besitzer suchen, nachdem dieser plötzlich verschwunden ist, und eine schockierende Entdeckung über die Dosen machen, die in der Fabrik produziert werden.
Le Clézio nimmt im Mai 2011 im Seoul Art Space in Seoul an einer öffentlichen Lesung zur Unterstützung von internationalen Literaturaustauschprogrammen teil (Foto: Yonhap News).
Die Kurzgeschichten der Sammlung porträtieren in erster Linie Menschen am Rande der Gesellschaft. Le Clézio sagte, dass die Dynamik der koreanischen Literatur eine stimulierende Wirkung auf die französische Literatur haben könne. Er fügte hinzu, dass die Werke koreanischer Schriftsteller den Franzosen gefallen würden, die in der selben zeitgenössischen Welt leben.
„Die koreanische Literatur ist in einer harten Sprache geschrieben, ohne Affektiertheit, Selbstmitleid oder Selbstzufriedenheit, aber sie ist immer fantasievoll und deutet einen selbstironischen Humor an, der charakteristisch für die Menschen in Korea ist”, schrieb Le Clézio. „Dieses kleine Buch ist voller Emotionen, Zorn und Gelächter. Es ist der Schlüssel, um die schwierige Realität des Alltagslebens zu zähmen, ein Gegenmittel, das die Schwermut und Stille von heute heilen kann.“
(Hinweis: Bei den deutschen Übersetzungen der Werkstitel handelt es sich nicht um autorisierte Übersetzungen.)
Von Limb Jae-un
Redakteur, Korea.net
jun2@korea.kr
Übersetzung: Gesine Stoyke