Kultur

12.06.2014

J.S.A. : Joint Security Area (2000)
Regie: Park Chan-wook




In der dunklen Abenddämmerung des 28. Oktober hallt ein Schuss hallt durch die Joint Security Area (Gemeinsame Sicherheitszone) in Panmunjeom.

Sophie Jang, Schweizer Leutnant, gespielt von Lee Young-ae, wird von der Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC) nach Korea entsandt, um zu untersuchen, was passiert ist. Die Aussagen beider Seiten, Nord- und Südkoreas, widersprechen sich. Von dem südkoreanischen Soldaten Lee Su-hyuck wird berichtet, zwei nordkoreanische Soldaten getötet zu haben. Der nordkoreanische Unteroffizier Oh Gyeong-pil, gespielt von Song Kang-ho, hat den Vorfall überlebt. Beide vermeiden es, mit Leutnant Jang zu reden. Während der Untersuchung verstärkt sich allerdings ihr Verdacht, dass ein anderer südkoreanischer Soldat namens Nam Seong-sik, gespielt von Kim Tae-woo, ebenfalls in den Vorfall verwickelt war. Nam hält den Druck nicht aus und springt von einem Gebäude in den Tod.

Sämtliche Vorfälle finden im Februar desselben Jahres statt. Lee gerät bei einer Militärübung versehentlich ins Hintertreffen, überquert die Militärische Demarkationslinie (MDL) und tritt auf eine Landmine. Mit Hilfe von zwei nordkoreanischen Soldaten, Unteroffizier Oh und dem Soldaten Jeong Woo-jin, gespielt von Shin Ha-kyun, überlebt Lee, woraufhin die drei Soldaten Freunde werden. Sie treffen sich häufig und verbringen nachts am Wachposten auf nordkoreanischer Seite Zeit zusammen. Später schließt sich ihnen der Soldat Nam an.

Als ihnen bewusst wird, dass die Sicherheit stetig verstärkt wird, und dass andere Wachen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt sind, beschließen sie an dem Tag, an dem der eingangs erwähnte Vorfall passiert, sich voneinander zu verabschieden, Adressen auszutauschen und ein Gruppenfoto zu machen.

Leutnant Jang wird schließlich von der Untersuchung ausgeschlossen, weil bekannt wird, dass sie die Tochter eines ehemaligen nordkoreanischen Soldaten ist. Jang weiß bereits, dass die vier Soldaten eine enge Freundschaft geschlossen haben und dass Nam die beiden nordkoreanischen Soldaten, nämlich Jeong und einen unbekannten anderen Soldaten getötet hat. Es stellt sich heraus, dass die vier gefangengenommen wurden, während sie sich bei einem anderen unbekannten nordkoreanischen Soldaten aufhielten. Verwirrt durch die Situation hat Nam die Fassung verloren und die beiden versehentlich erschossen.

Leutnant Jang entscheidet allerdings, dieses Geheimnis zu bewahren. Auf dem Weg zum Krankenhaus informiert sie Lee darüber, dass Jeong durch sein zu Tode kam. Schockiert begeht Lee Selbstmord.



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Kommentare des Filmkritikers Kim Gyeong-wook

Es gab einen ersten innerkoreanischen Gipfel in Pjöngjang. Es hat ein Treffen getrennter Familienangehöriger in Seoul und in Pjöngjang gegeben. Beide Koreas liefen unter der Einheitsflagge gemeinsam in das Olympische Stadion von Sydney ein. Diese bedeutsamen historischen Momente fallen alle in das Jahr 2000, als der Film „J.S.A." in die Kinos kam. Mit Blick auf das vergangene Jahrzehnt haben sich die innerkoreanischen Beziehungen stetig verschlechtert. Gerade jetzt werden wir daran erinnert, dass der Film in diesem Zeitraum alle Zuschauerrekorde gebrochen hat.

Der Film „J.S.A: Joint Security Area" zeigt die geheime Freundschaft zwischen Soldaten beider Koreas. Bevor der Film in die Kinos kam, war das Erzählen und Verfilmen einer solchen Geschichte verboten und unvorstellbar. In dieser Zeit hätten prokommunistisch gesinnte Leute nicht als humane Persönlichkeiten dargestellt werden können. Wenn die Militäruniformen des Südens nicht besser ausgesehen hätten als die des Nordens, wär die Szene zensiert worden. Bei dem Film handelt es sich um eine Literaturverfilmung des Romans „DMZ“ von Park Sang-yeon, und er hat in der Zeit der Prüfung des Filmmaterials harte Zeiten durchlaufen, bevor er schließlich nach 15 Jahren bewertet wurde. Ohne Kunstgriffe, die es möglich machten, Verbotenes zu umgehen, wäre es auch angesichts des fest verankerten Nationalen Sicherheitsgesetzes weitaus schwieriger gewesen, den Film in die Kinos zu bringen.

Der erste Kunstgriff ist die Szene, in der der nordkoreanische Unteroffizier Oh Gyeong-pil sein Leben riskiert, um die Landmine zu entfernen, auf die der südkoreanische Soldat Lee Su-hyuck in der Demilitarisierten Zone getreten ist. Damit wird Oh zu Lees Lebensretter und auch zu einem „humanen“ Nordkoreaner, der von südkoreanischen Zuschauern akzeptiert wird. Szenen dieser Art sind in den letzten Jahren immer wieder gezeigt worden, z.B. in „Secret Reunion" (2010).

Ein anderer Kunstgriff besteht in der Art, wie die Geschichte durch Rückblenden erzählt wird - eine kinematografische Technik, die das Mysterium eines Unfalls aufspürt. In diesem Fall wird in der Rückblende ein Wachposten auf der nordkoreanischen Seite von Panmunjeom gezeigt. Durch diese Gestaltung wird das Ende vorweggenommen, indem der Zuschauer sieht, dass der nordkoreanische Soldat Jeong Woo-jin tot ist, während Oh und Lee verwundet sind.

In der nächsten Szene, während die Untersuchung läuft, versucht der nordkoreanische Soldat Nam Seong-sik Selbstmord zu begehen, womit die Neugier der Zuschauer gesteigert wird.

Am Totenbett von Nam zeigt der Film in der Rückblende, wie zwei südkoreanische Soldaten die Bridge of No Return (‚Brücke ohne Wiederkehr‘) überqueren und oft mit nordkoreanischen Soldaten zusammen sind. Da die Zuschauer jedoch bereits wissen, dass diese Personen den höchsten Preis für den Tabubruch zahlen oder dass die Wahrheit erst noch entdeckt werden muss, scheint der psychologische Wiederstand des Zuschauers nicht besonders stark ausgeprägt zu sein.

Darüber hinaus enthält der Film Elemente der Fantasiewelt und der Realität. Der Film pflegt einen leichten Umgang mit Tabus und erzeugt Nervenkitzel und Spannung auf angemessene Weise. Die exakte Angabe von Minute und Sekunde des Unfalls ist ein Element der „Wirklichkeit“, während die Auslassung der Jahresangabe ein „Fantasie“-Element ist.

Die vier Personen Lee, Nam, Oh und Jeong werden in dem Film als unschuldig und von gutem Charakter dargestellt. Sie haben Freude am Hahnenkampf und spielen mit ihren Gewehrkugeln eine Version des Kinderspiels „Jacks“. Aufgrund dieser Szenen unterstreicht der Film, dass Lee und Nam keinerlei ideologisches Motiv für ihr Verhalten hatten. Die Darstellung ihrer Freundschaft, die durch die angemessene Auswahl der Musik unterstrichen wird, lässt den Film wie ein Fantasie-Märchen erscheinen und löst durch den Tabubruch die Bedrückung auf.

Die leicht regressive Fantasie erzeugt einen geschickten Vergleich mit den Versuchen des Schweizer Leutnants Jang, sich dem Vorfall mittels konkreter Beweise und logischer Schlussfolgerung zu nähern. Allerdings ist es pure Wirklichkeit, dass die schlichte Handlung, einen Hut aufzuheben, der über die Demarkationslinie geweht wurde, bestraft wird, weil sie gegen das Nationale Sicherheitsgesetz verstößt. Die Regie teilt den Bildschirm in zwei Teile und ruft dem Zuschauer wieder einmal die fortdauernde Konfrontation zwischen den beiden Koreas ins Gedächtnis. Viele Szenen erzeugen Aufmerksamkeit, Bedrohung oder Ängstlichkeit. Als beispielsweise ein unbekannter nordkoreanischer Soldat aus dem Nichts an einem nordkoreanischen Wachposten auftaucht oder als Oh plötzlich sehr ernst auf Lees Witze über seine Abtrünnigkeit reagiert. Derlei obsessive Spiele mit der Angst als Mittel zum Spannungsaufbau führen zu der Schlussszene, die bereits bekannt ist.

Mit solch einem „Roten Komplex“, der beim Publikum durch die Teilung des Landes hervorgerufen wurde, sowie mit der Aneinanderreihung zahlreicher Unfälle und Vorfälle, führt die Handlung der vier Soldaten zu einer Tragödie. Im Moment der Krise, als der unbekannte Soldat an dem Posten erscheint, löst sich ihre Freundschaft auf wie eine Fata Morgana. Sofort richten sich das Gewehr gegeneinander und werden zum „Feind“ des jeweils anderen. Unteroffizier Oh, der als Person mit einem kühlem Kopf dargestellt wird, versucht das Geschehene zu vertuschen, kann die Mauer der Angst und des Misstrauens aber nicht durchbrechen, die tief und unbewusst in seiner und in unser aller Psyche verwurzelt ist.

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Die Hintergründe dieses mysteriösen Schusswechsels erschließen sich, als Lee dem Schweizer Leutnant gegenüber eine Aussage macht. Dann folgt eine weitere Ernüchterung. Es zeigt sich, das nicht Nam, sondern Lee die tödlichen Schüsse auf Jeong abgegeben hat. Lee wird von Schuldgefühlen erdrückt und begeht Selbstmord.

Laut Angaben von Regisseur Park Chan-wook hatte er das Ende ursprünglich so gestaltet, dass sich Lee und Oh in einem Drittland trafen. Wenn wir an diesem Punkt auf den Tod von Jeong und den Suizidversuch von Nam zurückblicken, so Park, ist es wahrscheinlicher, dass Lees Selbstmord mit der Realität der koreanischen Gesellschaft in Zusammenhang gebracht wird, in der Gewalt größer ist als Schuldgefühle.

Statt einer Begegnung zwischen den Soldaten fokussiert die Schlussszene schließlich auf einen Moment, in dem Unteroffizier Oh den Hut aufhebt, den ein Tourist in Panmunjeom hat fallen lassen. Mit dem Geräusch der Kamerablende enden die Bewegtbilder, verwandeln sich die bunten Farben in Schwarz. In einem Standbild tauchen die vier Personen Oh Gyeong-pil, Jeong Woo-jin, Nam Seong-sik und Lee Su-hyuck nacheinander auf der Leinwand auf. Oh und Jeong lächeln. Merkwürdigerweise wirken sie ruhig und friedvoll. Auf der Leinwand werden aller vier Person der Reihe nach in Nahaufnahme gezeigt, um die Zuschauer an ihre Freundschaft zu erinnern.

In der Schlussszene, in der alle vier in dem Bild auftauchen, signalisiert Lee Su-hyuck den Touristen jedoch per Handzeichen, dass sie keine Fotos machen dürfen. Dieses Zeichen des „Verbots“ zerstört den Frieden und bildet den „Schandfleck der Wirklichkeit“.

Seit dem Koreakrieg sind über 60 Jahre vergangen, aber wir müssen den Weg noch finden, um diesen Schandfleck zu beseitigen. Anders gesagt ist das tragische Schicksal der Soldaten beider Koreas in dem Film ein Unglück – ebenso wie das von Sophie Jangs Vater, der als ehemaliger nordkoreanischer Soldat im Krieg gefangengenommen wurde und statt einem der beiden Koreas die Schweiz als Drittland wählen musste. Es ist ein Unglück, das heute immer noch fortdauert.

- Rezensiert von dem Filmkritiker Kim Gyeong-wook

* Diese Beitragsreihe wurde durch die Kooperation mit dem Korean Film Archive möglich.

*Unter http://www.korea.net/NewsFocus/Culture/view?articleId=119366 stehen weitere Artikel über unsere Serie von Korea.net-Filmen zur Verfügung, die man gesehen haben muss.