Menschen stellen sich immer wieder in jedem Moment ihres Lebens die selbe Frage: „Warum?“. Unabhängig davon, ob ihnen ein Unglück widerfährt oder ob sich ein großer Glücksfall ereignet, kann diese eine Frage ihr Leben in eine neue, positive Richtung lenken.
Wenn Sie mit einer körperlichen Behinderung geboren wurden und Probleme haben, beim Gehen das Gleichgewicht zu halten, wenn Sie Probleme haben, Ihre Hände, Ihre Füße und Ihren Mund zu bewegen, und wenn Sie den Großteil Ihrer Zeit auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind, können solche Fragen Sie auf einen Weg der Skepsis und des Pessimismus führen.
Das war allerdings nicht bei Alexandre Jollien der Fall, einem Schweizer Philosophen und Autor, dessen Schriftstellername Hyecheon (혜천) lautet, was so viel bedeutet wie „Brunnen der Weisheit”. Er wurde 1975 in der Schweiz geboren und erlitt eine zerebrale Lähmung, nachdem sich die Nabelschnur während der Geburt um seinen Hals wickelte. Aufgrund seiner damit verbundenen körperlichen Schwierigkeiten konzentrierte sich Jollien auf das Forschen und Nachdenken über die abstrakte Wahrheit und setzte sich sein gesamtes Leben mit der Philosophie auseinander.

Alexandre Jollien ist ein Schweizer Philosoph und Autor.
Das 2015 veröffentlichte „Vivre sans pourquoi” oder „Leben ohne Warum” ist ein Buch über das Leben, das Jollien gern führen möchte, aber auch über die Wege, wie sich ein solches Leben leben lässt. Jollien ist ein bekannter Philosoph und Bestsellerautor in Europa. 2013 flog er mit seiner Familie nach Korea und ließ alles zurück, was er besaß – Ruhm und ein hektisches Leben -, um wirklich das Loslassen zu praktizieren. Dieses Buch enthält seine Gedanken und Ansichten über das Leben aus seiner Zeit in Seoul.
„Leben ohne Warum” bedeutet, ein Leben zu leben, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was andere sagen, und wirklich das eigene Selbst zu erkennen. Es bedeutet, frei von den Meinungen anderer und von Sorgen über die Zukunft zu sein. Ein solches Leben ist nicht dazu bestimmt, sich selbst aufzugeben. Es geht eher darum, sein Leben auf positive Weise anzunehmen, während man anderen bedingungslose Liebe schenkt. Jollien sagt, dass es beim „Leben ohne Warum“ nicht darum geht, alle seine Gedanken aufzugeben. Er erklärt: „Es geht eher darum, sich mehr auf die Gegenwart zu konzentrieren und nicht über die Zukunft zu grübeln.“
„Ein Leben zu beginnen, ohne nach dem Warum zu fragen, bedeutet, sich um die Nachbarn zu kümmern, sich um andere zu kümmern und sich darum zu bemühen, mehr Liebe und Freude in dieses Meer des Schmerzes zu bringen, das das Leben darstellt.”

Alexandre Jollien spricht in dem Buch „Vivre sans pourquoi” über seine Ansichten über das Leben.
Mit einem „Meer des Schmerzes” meint er auch seinen endlosen Kampf gegen seine körperliche Behinderung. Jollien sagt, dass er sich viel gesünder fühle, seitdem er sich in Seoul niedergelassen hat. Er fügt hinzu, dass der Schlüssel zu seiner besseren Gesundheit das Freimachen von dem Gedanken sei, dass seine Hoffnungen in Erfüllung gehen könnten.
„Ich bin ein Mensch mit einer Behinderung. Das ist eine unumgängliche Tatsache, die mir unbeschreiblichen Trost spendet“, sagte Jollien, der seine körperliche Behinderung auf objektive Weise akzeptiert. „Derjenige, der mich heilt, ist kein Arzt. Man kann echte Gesundheit innerhalb dieses Prozesses erreichen, indem man alle Schwächen, Krankheiten und Wunden akzeptiert“, betont er.
Um das Leben auf eine aktive, positive Art und Weise anzunehmen, sollten die Menschen ihr Leben objektiv betrachten. Für Jollien ist Korea der Ort, an dem er diese Einstellung üben kann. Egal, ob er sich im Zentrum der geschäftigen Seouler Innenstadt befindet oder in einer ruhigen Gasse oder in einer öffentlichen Sauna – er setzt seine Formen der Meditation und Kontemplation überall in Seoul um – unabhängig von Zeit oder Ort. Jollien schreibt insbesondere den öffentlichen Bädern eine große Bedeutung zu. Er sagt: „Reflektieren (관조) bedeutet, die Welt losgelöst von meinem Körper zu betrachten. Da die Leute in den öffentlichen Bädern ihren Körper im Spiegel sehen können, sollten wir uns von Sorgen über die Blicke und Gier anderer befreien, sodass wir nackt vor Gott bestehen können.“

Vor drei Jahren hat er seine Heimat verlassen und seinen Ruhm und sein hektisches Leben zurückgelassen, um sich nach Korea aufzumachen. Seitdem praktiziert er in Seoul ein Leben der Kontemplation und Selbstdisziplin.
Mit „Praktizieren” meint er die Selbstdisziplin und die Selbstanalyse, die alle diejenigen betreiben, die nach der Wahrheit suchen. Jollien nennt sich selbst einen Christen, der Seon-Buddhismus oder Zen praktiziert. Er definiert sich selbst nicht als jemanden, der an alle Grundsätze entweder des Christentums oder des Buddhismus glaubt.
Er sagt: „Diejenigen, die Buddha und Christus folgen, können jederzeit freudig Hand in Hand den selben Weg miteinander gehen. Sie können gemeinsam auf den selben hohen Gipfel steigen.“
Sein ultimatives Ziel im Leben ist das Erreichen von Glück. Jollien sagt: „Glück liegt nicht auf dem Weg, indem wir unserem jetzigen Leben mehr hinzufügen. Es geht darum, den gegenwärtigen Zustand zu beschneiden, zu reduzieren und zu vereinfachen. Es geht darum, etwas wegzunehmen, was mir Unwohlsein verursacht.“
Er betrachtet den Weg des Lebens als die gleiche, alltägliche Routine und sagt: „Treten Sie Problemen mit Würde entgegen; spaßen Sie nicht mit Erschöpfung. Es geht nicht darum, etwas Großartiges zu erreichen. Es geht eher darum, an der selben täglichen Routine mit Leidenschaft festzuhalten, auch wenn sie unbedeutend erscheinen mag.”
[Mehr über den Autor]
In seinen Büchern spricht Jollien darüber, ein Leben zu leben, ohne sich von körperlichen Problemen kleinkriegen zu lassen. 1999, als er 23 Jahre alt war, schrieb er sein erstes Buch: „Eloge de la faiblesse“ (,Lob der Schwachheit‘). Seitdem hat er verschiedene Bücher publiziert, darunter „le metier d’homme“ (2001), „La construction de soi un usage de la philosophie” (2010) and „Petit traite de l’abandon: pensees pour accueillir la vie telle qu’elle se propose” (2011), das 32 Wochen lang auf Platz eins der Bestsellerliste von Amazon Frankreich stand. Seine Leser empfanden Sympathie für die Art und Weise, wie er physische Schwierigkeiten überwindet, sowie für seine ernsthaften Gedanken über das Leben. Er wird als „Botschafter des Glücks“ betrachtet und hat seine Anschauungen in Fernsehsendungen und bei Vorträgen in ganz Europa vorgestellt.

In seinen Büchern spricht Jollien über Wege, um das Leben so zu akzeptieren, wie es ist. Zu seinen Werken zählen „Eloge de la faiblesse“ (1999, ,Lob der Schwachheit‘), „Le metier d'homme“ (2001), „La construction de soi un usage de la philosophie“ (2010) und „Petite traite de l’abandon: pensees pour accueillir la vie telle qu’elle se propose“ (2011).
Von Yoon Sojung
Fotos: Interhouse
Redakteur, Korea.net
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