Ehrenberichterstatter

05.05.2021

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Ein kleiner Park in Hongdae am Abend – hier gehen Koreaner gern mit Freunden spazieren, und Straßenkünstler und Bands präsentieren ihre Performances.


Von Korea.net-Ehrenberichterstatterin Lara Leipholz aus Deutschland | Fotos: Lara Leipholz

Das Leben in Korea ist immer einen Tick schneller. Das Internet, die Züge, Lieferdienste und die Bildung: Alles scheint viel zügiger vonstatten zu gehen. Wer einmal die koreanische Kultur und insbesondere das Leben in der Metropole Seoul erlebt hat, weiß genau, was damit umschrieben ist: die "ppalli-ppalli"-Kultur (deutsch: "schnell schnell") Koreas. Diese Schnelllebigkeit ist in vielen Bereichen des koreanischen Alltags nicht wegzudenken und bewirkt, dass auch Prioritäten anders gesetzt werden bzw. gesetzt werden müssen. Es gibt wenig Gelegenheiten, um neben der Arbeit, dem Lernen und dem ständigen Leistungsdruck noch Zeit für sich selbst zu finden. Von Kindesbeinen an sind KoreanerInnen daran gewöhnt, Leistungen zu erbringen. Teenager müssen Bestnoten erzielen. Es ist nicht unüblich, bis in die Abendstunden hinein Nachhilfeunterricht zu bekommen, um vorzuarbeiten und den anderen immer einen Schritt voraus zu sein. Am Nachmittag Freizeit zu haben, um Sport zu treiben oder Freunde zu treffen, ist für viele junge Leute unvorstellbar. Die Angst, dass selbst ein Masterstudium an einer Eliteuniversität Koreas für einen guten Job möglicherweise nicht ausreichen könnte, ist allgegenwärtig.

Gelingt es nach der harten Abiturprüfung (die Prüfungen gelten als mit die schwersten Abiturprüfungen weltweit), einen Platz an einer der besten Universitäten Koreas zu bekommen, wird der Druck nicht weniger. Der Besuch einer koreanischen Universität kann pro Semester 3.000 bis 10.000 Euro kosten. Die Hoffnung auf ein Stipendium ist groß, denn viele Eltern können nicht so viel Geld aufbringen. Wer es nicht schafft, eines der begehrten Stipendien zu ergattern, muss sich um einen Neben- oder Teilzeitjob bemühen; in manchen Fällen hilft aber nur noch ein Kredit, um die hohen Studienkosten zu stemmen. Ist dann das Studium beendet, prasselt auch gesellschaftlicher Druck auf die jungen Menschen herein: Heirat, Familiengründung und einen guten Job finden. Der Druck und das Vergleichen mit dem Gegenüber endet nicht und zieht sich durch das gesamte Leben. Und natürlich hat das einen Einfluss auf die Freizeitgestaltung junger Koreaner.

Nachts in den Straßen von Hongdae.


Ein normaler Tag von jungen Arbeitnehmern oder Studierenden beginnt früh morgens gegen 6 Uhr mit einem guten Frühstück: Essen ist in Korea heilig, und auch morgens versucht jeder, sich diese Zeit zu nehmen. Eine warme Mahlzeit bestehend aus einer Suppe, ein paar Beilagen und der üblichen Schale Reis ist ein typisches Frühstück in Korea; mittlerweile tun es allerdings auch eine Schüssel Cornflakes oder eine Scheibe Toast. Wenn die Zeit knapp ist, dann führt der Weg aber auch schnell mal in einen Convenience-Store, um zum Beispiel eine Rolle Gimbap zu kaufen. Denn die U-Bahnen sind voll, und die Fahrt zur Uni oder zum Arbeitsplatz kann länger als eine Stunde dauern.

Die Mieten in den großen Städten Koreas wie Seoul oder Busan sind sehr hoch. Die meisten jungen Menschen in Korea leben in sehr kleinen Einraumwohnungen oder WGs, da das Geld für mehr nicht reicht. Die Fahrtzeit wird gern genutzt, um auf dem Smartphone Nachrichten zu checken, letzte E-Mails zu beantworten oder Videos zu streamen. Des Öfteren sind auch Frauen zu sehen, die sich auf der Fahrt zur Arbeit schminken und noch ihre Lockenwickler im Haar haben. In der Universität oder am Arbeitsplatz angekommen, beginnt ein sehr langer Arbeitstag. Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden sind keine Besonderheit. Überstunden sind Normalität. Die Mittagspause mit Freunden oder Arbeitskollegen ist wohl eines der Highlights am Tag und die Möglichkeit, kurz zu entspannen und von dem Trubel abzuschalten. Allein zu essen ist für Koreaner befremdlich und wird nicht gern gesehen. Man sucht entweder die Cafeteria auf, die jede Universität bzw. große Firma in Korea zu bieten hat, oder wählt eines der vielen Restaurants in der Umgebung aus. Die Arbeit endet meist nicht vor 20 Uhr. Ob im Studium oder gerade in den ersten Vollzeitjob eingestiegen: Der Tag ist bis zum Abend mit Arbeit oder Lernen vollgepackt.

Und jetzt steht berechtigterweise die Frage im Raum: Wo bleibt da noch Zeit für die jungen Koreaner, sich zu erholen oder Freizeitaktivitäten nachzugehen? Am Wochenende? Nur in den Ferien? In Korea findet die Erholung meist in den Abendstunden statt. Wochenenden sind häufig ebenfalls mit anderen Aktivitäten durchgeplant: liegengebliebene Arbeit, Uni-Projekte, Hausaufgaben, in Bibliotheken lernen und vorarbeiten. Viele Koreaner versuchen am Wochenende auch Schlaf nachzuholen, der aufgrund der Arbeitszeiten oder späten Geschäftsessen zu kurz gekommen ist.

Doch natürlich gibt es neben all dem Druck noch Zeit für typische Aktivitäten der jungen Koreaner. Diese fällt zwar geringer aus als bei uns in Deutschland, wird dadurch aber viel mehr wertgeschätzt und genossen. So anstrengend der Alltag junger Koreaner klingt und es auch tatsächlich ist: Korea ist trotz alledem ein wundervolles Land zum Leben, in dem viel Wert darauf gelegt wird, Momente des Zusammenseins zu genießen, Spaß zu haben, Erlebnisse zu sammeln und insbesondere Genuss und Harmonie auszuleben.

Dabei gibt es ein paar Freizeitaktivitäten, die in Korea besonders ausgeprägt sind. Eine davon ist insbesondere das "Park-Leben" Koreas. Es ist kein unübliches Bild, wenn im Frühling oder Sommer Menschen in Parks ihre Zelte aufschlagen und dort ihre freie Zeit an den Wochenenden, Feiertagen oder am Abend verbringen: ob ein Picknick mit Freunden, Hühnchen oder Pizza vom Lieferdienst bestellen oder eine Fahrradtour. Gerade auch junge Familien in Korea lieben es, mit ihren Kindern einen kleinen Campingausflug zu machen. Dabei sind Parks ein beliebtes Ziel. Gern geht es auch – ausgerüstet mit einem üppigen Wanderequipment – auf eine kleine Wanderung in eines der schönen Gebirge Koreas.

Da die Zeit knapp bemessen ist, lieben Koreaner alles, was schnell einen kleinen Glücksrausch verspricht und den alltäglichen Druck und die Sorgen vergessen lässt. Dazu gehört insbesondere Karaoke (in Korea gibt es kleine Räume, die sogenannten "Norae-Bang", die sich allein oder mit Freunden mieten lassen und in denen man ganz ungestört seinen Gesangskünsten freien Lauf lassen kann) oder PC-Cafés mit der Möglichkeit, Computerspiele mit Freunden zu spielen und einen kurzen Moment der Unbeschwertheit zu erleben.

Zudem ist Seoul immer wach, und gerade in den jungen Vierteln wie Hongdae, Itaewon oder Sinchon sind viele Menschen draußen auf den Straßen. Es spielen kleine Musikbands an den Ecken, Tanzgruppen zeigen ihr Talent, um so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu erhalten und eventuell entdeckt zu werden.

Eine Besonderheit Koreas sind die typischen Convenience-Stores. Es ist schwer, sie mit unseren Spätkäufen oder Kiosken zu vergleichen. Koreanische Convenience-Stores haben neben dem großen Sortiment einfach noch einen ganz anderen und höheren Stellenwert als ähnliche Geschäfte hierzulande. Sie sind ein Ort, an dem Koreaner gern eine Weile zusammensitzen, einen Snack zu sich nehmen und quatschen. Sie sind ein Platz zum Verweilen. Es gibt Mikrowellen, um sich die Instantnudeln oder die Lunchbox warm zu machen. Es gibt sowohl im Innenraum als auch draußen Stühle und Tische, um mit Freunden bei einer Flasche Soju zusammenzusitzen. Wer nicht an einem Convenience-Store verweilt, um eine Kleinigkeit mit Freunden zu essen, findet an jeder Straßenecke Seouls einen kleinen Imbiss. Typischerweise haben sie Tteokbokki (Reiskuchen in scharfer Sauce), Spieße mit Fleisch oder Fischkuchen, Maronen, gebackene Süßkartoffeln oder Hotteok (Pfannkuchen mit einer Zimt-Zucker-Mischung gefüllt) im Angebot.

Korea ist bekannt dafür, seine Shopping-Malls und die Straßen von Seoul wunderschön zu dekorieren.


Natürlich gibt es bestimmte Dinge und Aktivitäten, die junge Menschen weltweit lieben. Auch hier in Deutschland ist es beliebt, mit Freunden essen zu gehen, sich einen Kinofilm anzuschauen oder durch die Innenstadt zu schlendern. Doch neben den Besonderheiten der koreanischen Freizeitgestaltung ist zu beobachten, dass die knapp bemessene freie Zeit in Korea viel mehr wertgeschätzt wird. Momente des Zusammenseins und des "reinen Kaffeetrinkens" werden, durch den Druck, der auf jedem jungen Koreaner lastet, als viel kostbarer wahrgenommen. Auch wir Deutschen müssen mit Leistungsdruck umgehen. Doch ist er nicht so präsent und ein ganz anderer als für viele junge Menschen in Korea.

Auch wenn wir uns in Deutschland glücklich schätzen können, nicht diesem so extremen täglichen Leistungsdruck ausgeliefert zu sein, können wir definitiv von Koreanern lernen, wie sich auch kleine Momente im Alltag viel mehr wertschätzen lassen. Koreaner haben ein Talent dafür, diese Momente zu sehen, für sich zu nutzen und so für die Arbeit, die am nächsten Tag oder im nächsten Moment wieder auf sie wartet, Kraft zu tanken. Deshalb und geprägt durch die langen Arbeitstage und den daraus resultierenden Schlafmangel sind auch einige der wohl beliebtesten Beschäftigungen in der freien Zeit fast jedes Koreaners: Fernsehen und Schlafen.

Ob Reality-Shows oder koreanische Dramen: Die Leute entspannen sich gern am Abend oder auch an den Wochenenden einfach vor dem Fernseher und kommen so etwas zur Ruhe.

Das Leben in Korea ist nicht immer einfach. Leistungsdruck und eine hohe Arbeitsmoral sind allgegenwärtig. Und auch wenn viele junge Koreaner des Öfteren betonen, dass sich diesbezüglich etwas ändern soll: Sie lieben ihr Land und das Leben in ihrer Heimat. Korea hat etwas Magisches. Die Atmosphäre, die kleinen Momente und Erlebnisse, die man im Alltag und seiner Freizeit sammeln kann, sind sehr besonders.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Magazins "Kultur Korea", Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea.


elenakubi@korea.kr

Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus aller Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über Korea.