Daniel Lindemann, der bekannteste und erfolgreichste Deutsche in Südkorea. Menschen, die sich für Korea interessieren, erfahren früher oder später immer von ihm.
Von
Korea.net-Ehrenberichterstatterin Lindsay Williams aus
Deutschland | Fotograf:
@deerjo_0912(Instagram)
„Wer ist Daniel Lindemann?”, fragt Ihr Euch vielleicht, aber Koreaner und Koreanerinnen können tatsächlich sehr viel mit diesem Namen anfangen. Das liegt daran, dass es sich bei Daniel Lindemann um den berühmtesten deutschen Entertainer im koreanischen Fernsehen handelt. Im jungen Alter wurde sein Interesse an Korea durch den Kampfsport
Hapkido (koreanische Kampfkungst) entfacht und führte dazu, dass er in Bonn ein Koreanistikstudium begann. Schon während seines Studiums lernte er die koreanische Sprache fleißig und räumte an dem jährlichen Redewettbewerb der Kyunghee Universität in 2009 den ersten Platz ab, was natürlich eine große Errungenschaft für ihn darstellte. Seinen Master absolvierte er daraufhin tatsächlich in Korea und wurde später dann bekannt durch seinen Auftritt in der Sendung „Abnormal Summit” des Senders JTBC, wo Ausländer in Korea als Repräsentanten ihres jeweiligen Landes über Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Vorurteile und Klischees diskutieren. Auch im Anschluss daran blieb er stetig aktiv, sei es durch Vorträge über gesellschaftliche Themen, das Erscheinen in diversen Talk-Shows oder das Schreiben und Performen von Musik. Auch das Interesse an der Kampfsportart Hapkido ist für ihn bis zum heutigen Tag noch stark ausgeprägt. Damit Ihr ihn noch besser kennenlernen könnt, habe ich für Euch ein Interview mit ihm vorbereitet.
Das Klavierspielen stellt für Daniel Lindemann eine der größten Leidenschaften in seinem Leben dar. Dazu gehören Konzerte und das Veröffentlichen von eigener Musik.
F: Es gibt immer mehr Deutsche, die sich für Korea interessieren und auch mit dem Gedanken spielen, dort hinzuziehen. Als Deutscher, der schon so viele Jahre in Korea gelebt hat, kennst Du Dich ja recht gut mit dem Prozess aus. Was würdest Du Menschen gerne sagen, die von einem Leben in Korea träumen und noch nie dort waren?
A: „Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man sich genau überlegt, warum man in Korea leben und arbeiten möchte. Es ist ein wunderschönes Land mit sehr netten Leuten, aber in den 13 Jahren, die ich hier gelebt habe, gab es immer wieder Krisen, in denen ich nur noch das Negative an diesem Land sehen konnte. Die Koreaner nennen das
Kwon-tae-gi (권태기). Deshalb möchte ich jedem und jeder raten, genau zu überlegen, was ihre oder seine persönliche Motivation ist, hier zu leben, und vor allem sich nicht zu sehr auf das Bild zu verlassen, das in Dramen oder in K-pop produziert wird. Korea ist anders, sehr anders. Auch von einem beruflichen Standpunkt aus gesehen, ist Korea leider kein einfaches Land, um eine Karriere aufzubauen. Deshalb würde ich jedem empfehlen, sich genau seiner/ihrer Qualifikation und Motivation bewusst zu sein, um hier Fuß zu fassen.”
F: Du hast Dich über die ganzen Jahre in Korea so gut wie es geht integriert. Gibt es einen Bereich der koreanischen Kultur, den Du bis heute als Deutscher schwer verstehen kannst?
A: „Ja, leider schon. Allem voran die Heiratskultur und die Stellung der Frau. Auch über Dinge, die ich ursprünglich interessant oder witzig fand, werde ich zunehmend kritischer, zum Beispiel die Hierarchie in den Anredungsformen und im gesellschaftlichen Leben. Auch der sehr stark ausgeprägte Materialismus fällt (uns meisten Deutschen, mit denen ich darüber gesprochen habe) stark auf.”
F: Im Fernsehen wirst Du oftmals als Repräsentant von Deutschland betrachtet und wirst dementsprechend auch oft mit Vorstellungen konfrontiert, die Koreaner über Deutsche haben. Wenn Du ein Vorurteil oder Klischee im Bezug auf Deutsche auflösen könntest, welches wäre das?
A: „Das Vorurteil, dass die Deutschen kein „Jeong“ (정) haben, sprich, dass wir uns anderen Menschen gegenüber nicht liebenswürdig verhalten würden.”
F: In der Pandemie haben sich zwischen den Ländern große Unterschiede im Umgang mit dem Virus abgezeichnet. Welche Umgangsformen mit der Corona-Krise hätte sich Deutschland von Korea abgucken sollen?
A: „Ich denke, Korea hat wirklich einen super Job gemacht, die Infektionszahlen niedrig zu halten, speziell natürlich auch die Todeszahlen. Außerdem ist ein großes Lob vor allem an die Bevölkerung auszusprechen, da sich wirklich die allermeisten an die Maskenpflicht gehalten haben, selbst wenn sie alleine im Park unterwegs waren. Ich habe leider feststellen müssen, dass es mehr ausländische Mitbürger waren, die sich nicht an die Maskenpflicht oder die Versammlungsbeschränkungen gehalten haben, zumindest war es das, was ich hier in Itaewon vorwiegend gesehen habe.”
F: Korea ist ein Land, das sich unglaublich schnell verändert und Deutschland wie ein Land wirken lässt, in dem das Leben in Zeitlupe vergeht. In welchen Aspekten hat sich Korea für Dich in den letzten 10 Jahren ins Positive bzw. ins Negative entwickelt?
A: „Korea hat sich wirklich sehr schnell verändert. Positiv zum Beispiel in dem Sinne, dass es mittlerweile viel mehr Bewusstsein für Umweltfragen gibt. Immer mehr Leute machen sich darüber Gedanken und versuchen ihr Verhalten zu ändern. Negativ ist mir leider aufgefallen, dass wirklich alle nur noch auf ihr Smartphone schauen und im Bus zum Beispiel nicht mehr das Gepäck von anderen Leuten getragen wird wie früher. Früher was es so, dass die sitzende Person normalerweise das Gepäck von der Person, die neben ihr oder ihm stand, auf den Schoß genommen hat. So eine Rücksichtnahme sieht man leider gar nicht mehr.”
F: Was hat Dich an Hapkido anfangs so fasziniert und ist das bis heute auch noch der Grund dafür, dass Du diese Kampfkunst so fleißig betreibst?
A: „Ja, Hapkido Ist für mich immer noch von sehr großer Bedeutung in meinem Alltag in Korea. Die Schule war der Ort, wo ich meine ersten koreanischen Freunde gemacht habe und wo ich am meisten über die koreanische Kultur und Kampfkunst lernen konnte. Und es war der erste Grund, warum ich an diesem Land Interesse gefunden hatte. Deshalb, würde ich aufhören zu trainieren, würde ich mir, glaube ich, selber quasi den Boden unter den Füßen wegziehen.”
F: Du schreibst und veröffentlichst neben Deinen ganzen Fernsehauftritten auch Musik. Dein neuestes Album nennt sich „Mirage”. Was inspiriert Dich am meisten beim Kreieren von Deinen Stücken?
A: „Hm, ich versuche meine persönlichen Erfahrungen oder Gedanken in meiner Musik zu verarbeiten. Keine Ahnung, ob das gut funktioniert…”
Daniel Lindemann spielt an einem Flügel in einem leeren Konzertsaal.
F: Könntest Du Dir vorstellen, Korea irgendwann wieder zu verlassen, bzw. wäre ein Leben in Deutschland für dich immer noch eine Option?
A: „Ich weiß nicht, ob ich noch einmal nach Deutschland zurück gehen würde, aber wenn, dann wahrscheinlich Richtung Bayern, weil ich ein großer Fan von Bergen und Natur bin. Aber ich glaube, ich bleibe noch etwas in Korea.”
F: Zum Abschluss noch eine Frage zu der koreanischen Sprache. Viele Deutsche bewundern Dich für Deine Sprachkenntnisse und lernen fleißig, um auch irgendwann so gut zu werden. Welcher Aspekt der koreanischen Sprache stellt für Dich bis heute die größte Herausforderung dar?
A: „Es gibt viele Wörter, die sehr ähnlich sind, bzw. wo die Rechtschreibung nicht einfach ist. Und Ideophone sind immer noch sehr schwierig. Aber ich habe mir vor kurzem mal wieder ein Vokabelheft angelegt und werde weiter fleißig lernen! Bleibt am Ball!”
jesimin@korea.kr
Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.