Ein Tempelbesuch im Nieselregen.
Von Korea.net-Ehrenberichterstatterin Sophie Felice Dreyhsig aus Deutschland | Fotos: Sophie Felice Dreyhsig
Dass sich die koreanische und deutsche Kultur voneinander in so einigen Punkten unterscheiden, dürfte niemanden so wirklich überraschen. Allerdings gibt es einige Aspekte, die weniger offensichtlich sind als andere. In diesem Artikel werde ich auf ein paar Punkte eingehen, welche mir persönlich besonders aufgefallen sind.
Regenschirme: Let it rain (or not?)
Fangen wir an mit dem Thema Regenschirme. Zunächst würde jeder wohl davon ausgehen, dass alle Menschen Regenschirme eben dann benutzen, wenn es regnet. Prinzipiell stimmt diese Aussage schon, allerdings scheint es unausgesprochene Maßstäbe in Korea und Deutschland zu geben, wie viel Regen notwendig ist, um die Benutzung eines Regenschirms zu rechtfertigen. In Korea überschreitet Regen jeglicher Form sehr schnell diese Grenze und ein paar Tropfen reichen aus, um die Straßen Seouls in Fluten von Regenschirmen zu verwandeln. Personen in Deutschland greifen anstatt zum Regenschirm gerne zur Allzweckwetter-Jacke oder lassen sich von leichterem Sprühregen klanglos benebeln. Sprüche wie „Ich bin doch nicht aus Zucker“ oder „Es gibt kein schlechtes Wetter nur schlechte Kleidung“ fassen die Gefühlslage der Deutschen recht gut zusammen. Woher kommt allerdings die Treue der Koreaner:innen zu ihren Regenschirmen? Ich habe mir sagen lassen, dass viele davon überzeugt sind, dass ein übermäßiger Kontakt der Haare mit dem Regen zu Haarausfall führt. Ob das so stimmt oder nicht, weiß ich persönlich nicht, aber eine intensivere Recherche wäre es wohl wert. Vielleicht ist dies das Geheimnis der voluminösen Haare der Koreaner:innen?
Café in Korea mit mehreren Klimaanlagen an der Decke
Klimaanlagen: Baby it’s cold inside
Der nächste Punkt auf der Liste sind Klimaanlagen. Wetterbedingt waren diese in Deutschland früher nicht notwendig und deswegen sind viele Deutsche recht klimaanlagenfrei aufgewachsen. Erst mit den heißeren Sommern der letzten Jahre findet man vermehrt in öffentlichen Gebäuden Klimaanlagen. Aber so gut wie nie in privaten Wohnungen oder Häusern. Ganz anders sieht das in Korea aus. Von der U-Bahn bis hin zum Café an der Ecke oder der eigenen Wohnung, Klimaanlagen findet man überall. Die heißen und schwülen Sommermonate in Korea rechtfertigen das durchaus. Allerdings scheinen Menschen dazu fähig zu sein, gegenüber Klimaanlagen gewisse Resistenzen zu entwickeln. Nicht selten saß ich mit anderen Europäer:innen zitternd mit Jacke in einem Restaurant und unsere koreanischen Freund:innen beschwerten sich weiterhin über die hohen Temperaturen.
Aber ich müsste lügen, wenn ich mich nicht ab und zu an besonders heißen Tagen in Deutschland nach einer Klimaanlagen sehnen würde.
Iced Americano und Iced Latte im koreanischen Café.
Iced Americano vs. Cafe Crema: But first - coffee
Ein Item fehlt bei wahrlich keinem einzigen Café in Korea: Iced Americano oder zu deutsch ein Espresso mit Wasser auf Eiswürfeln. Für einige Deutsche wird so etwas jetzt nach einem erfrischenden Getränk für den Sommer klingen. Was es zwar auch ist, aber für Koreaner:innen hört es hierbei nicht auf. Denn egal ob es draußen minus 20 oder plus 35 Grad sind – Iced Americano geht für viele Koreaner:innen immer. Es ist schon ein interessantes Bild, wenn jemand in einer bis zum Boden reichenden Daunenjacke gekleidet in den Händen ein Getränk mit Eiswürfeln hält und es genüsslich schlürft. Es gibt sogar ein koreanisches Buch mit dem Namen „Auch wenn ich erfriere: Iced Americano“. In Deutschland haben viele Cafés hingegen noch nie etwas von Iced Americano gehört und wenn sie kalte Kaffeevariationen anbieten, dann meistens nur im Sommer. Und wer einen Eiskaffee bestellt erhält eine Kugel Vanilleeis in einem Kaffee und von Eiswürfeln fehlt jede Spur. Wenn hierzulande von schwarzem Kaffee geredet wird, ist auch oft Café Crema und nicht Americano gemeint. Viele Deutsche wiederum trinken selbst in den wärmsten Sommern ihren Kaffee hauptsächlich heiß und nicht kalt. Wieso genau sich diese Muster in den Gesellschaften entwickelt haben, kann ich mir nicht erklären. Eine Realität sind sie aber auf jeden Fall.
Eine Schüssel mit kalten Nudeln Naengmyeon (Buchweizennudeln in geeister Brühe).
Essen nach Wetter- und Gefühlslage: The power of food
Natürlich gibt es in Deutschland einige Gerichte, die vermehrt im Sommer oder im Winter gegessen werden. Im Großen und Ganzem ist das aber oft von saisonalem Gemüse- und Obstsorten oder Feiertagen abhängig. Kranke Personen greifen oft immer noch zur Hühnersuppe oder zu bestimmten Tees. Im Allgemeinem gibt es aber nicht allzu viele Tendenzen, die sich durch die gesamte Bevölkerung ziehen.
Nach meiner Auffassung nehmen Personen in Korea diese Thematik ein wenig ernster. Bestimmte Gerichte passen in spezifischen Situationen am besten. Viele Hauptgerichte sind beispielsweise darauf ausgerichtet, an einem heißen Tag Linderung zu schaffen. Ein klassisches Beispiel sind Nudeln in geeister Brühe. An einem regnerischen Tag sind Restaurants, die koreanische Pfannkuchen verkaufen, sehr überfüllt. Das Geräusch der in Öl bratenden Pfannkuchen soll an prasselnde Regentropfen erinnern. Ist der Vorabend alkoholtechnisch etwas ausgeartet, empfehlen viele Koreaner:innen „Hangover Soup“, eine Rinderknochenbrühe, um wieder zu Kräften zu kommen. Kranken Freund:innen bringt man Reis-Porridge vorbei und Personen mit Appetitlosigkeit empfiehlt man scharfes Essen. Hilft man anderen beim Umzug oder zieht selbst um, ist es recht verbreitet im Anschluss „
Jjajangmyeon“, Nudeln mit einer schwarzen Bohnenpaste, zu bestellen.
Diese Liste könnte noch im einige Absätze erweitert und auch ortsspezifisch ergänzt werden. Viele Städte in Korea haben besonders ein Gericht, für welches sie besonders bekannt sind und hierauf ausgerichtete Restaurants säumen große Straßenabschnitte der jeweiligen Stadt.
Zwar gibt es auch in Deutschland lokale Spezialitäten, allerdings sind meiner Auffassung nach deutsche Personen im Urlaub ein bisschen weniger auf diese fokussiert als Koreaner:innen.
Korean BBQ mit Rinderdarm und Soju.
Alkohol und Speisen: It’s a match
Sowohl Korea als auch Deutschland haben beide eine ausgeprägte Kultur rund um das Thema alkoholische Getränke und dazugehörige etablierte Standards. In Deutschland wird gelegentlich Wein, Bier oder ähnliches zu einer Mahlzeit getrunken. Meistens stehen hier der Genuss und eine gelungene Kombination im Vordergrund. Ist allerdings der Hauptmotivator das Nachtleben voll auszukosten, übernimmt in Bars und Hauspartys der Alkohol die Hauptrolle und Essen verliert zunächst an Bedeutung. Frühestens nach dem Feiern wird vor dem Nachhauseweg irgendwo ein wenig Fast Food einverleibt.
In Korea sieht das Ganze ein wenig anders aus. Essen und Alkohol bilden oft eine unzertrennliche Fusion. Dies geht so weit, dass es im Koreanischen sogar ein Wort für Gerichte gibt, die vor allem gemeinsam mit Alkohol konsumiert werden. Solche sogenannten An-ju (안주) haben viele Gesichter und auch hier beweisen Koreaner:innen einmal wieder das Talent, Essen mit bestimmten Situationen zu verbinden. Klassische Beispiele sind frittiertes Hühnchen mit Bier, koreanische Pfannkuchen mit dem Reiswein Makgeolli oder auch Rind-und Schweinedarm mit Soju. In traditionelleren Bars in Korea ist es oft verbreitet, dass man gemessen an der Personenzahl zusätzlich zu alkoholischen Getränken mehrere Gerichte bestellen muss.
Vielen Leuten in Deutschland mag es zunächst vielleicht etwas befremdlich sein Essen und ausschweifenderen Alkoholgenuss so sehr miteinander zu verketten. Unumstritten ist allerdings der entstehende Vorteil, dass der Alkohol so weniger zu Kopf steigt und langen Nächten sowie frühen Morgen nichts mehr im Wege steht.
Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.
jesimin@korea.kr