Yutnori ist ein traditioneles Spiel Koreas, das zu Seollal gespielt wird © Korea.net DB
Von Korea.net-Ehrenberichterstatter Manuel Guthmann aus Deutschland
Während wir gerade erst unser Silvester mit Feuerwerk und Sekt gefeiert haben, steht in Korea das eigentliche Neujahrsfest - Seollal - noch bevor.
Dieses Jahr fällt Seollal auf den 29. Januar 2025 und es ist gleichzeitig der Beginn des Jahres der Schlange – ein Zeichen, das in der koreanischen Astrologie eine ganz besondere Bedeutung hat. Aber wie unterscheidet sich Seollal von unserem westlichen Neujahr? Und welche Traditionen machen es so einzigartig?
Seollal und unser Silvester: Ein Vergleich
Wenn ich an unseren Silvester denke, dann kommen mir zuerst laute Partys, Feuerwerke und der Countdown um Mitternacht in den Sinn. Und während bei uns Silvester oft mit Freunden gefeiert wird, steht in Korea die Familie im absoluten Mittelpunkt, und der Fokus liegt auf Traditionen, die teilweise Jahrhunderte alt sind. Seollal hat eine ganz andere Stimmung – ruhig, besinnlich und voller Respekt.
Millionen von Menschen machen sich auf den Weg in ihre Heimatstädte – ein Verkehrschaos, das mich an das koreanische Chuseok, das Erntedankfest im Herbst, erinnert.
Auch die Dauer unterscheidet sich, denn während unser Neujahr meist nur einen Tag umfasst, dauern die Feierlichkeiten in Korea traditionell drei Tage – vom Tag vor Seollal bis zwei Tage danach. Inoffiziell geht es aber oft noch länger, weil viele Menschen lange Wege auf sich nehmen, um ihre Familien zu besuchen.
Die Traditionen zu Seollal
Sebae (Neujahrsverbeugung)
Diese Tradition, bei der jüngere Familienmitglieder den Älteren Respekt zollen, finde ich besonders schön. Es ist mehr als nur eine Geste – es zeigt, wie wichtig Familie und Zusammenhalt in der koreanischen Kultur sind.
Am Morgen des ersten Tages versammelt sich die ganze Familie, und die Jüngeren verbeugen sich vor den Älteren - eine richtige Zeremonie! Dabei tragen viele ihre traditionelle Kleidung, den Hanbok. Als Dankeschön gibt es dann "Sebaetdon" - Geld in speziellen Umschlägen - und gute Wünsche fürs neue Jahr. Wie anders ist das zu unserem schnellen "Frohes Neues" um Mitternacht!
Sebae (Neujahrsverbeugung), bei der jüngere Familienmitglieder den Älteren Respekt zollen © Korean Cultural Center
Tradition der Charye
Ein weiterer beeindruckender Aspekt ist das Charye, ein Ritual, das ich unglaublich faszinierend finde, ist die Ehrung der Ahnen. Familien bereiten ein großes Festmahl vor, das auf einem speziellen Tisch für die Geister der Ahnen angerichtet wird. Diese Geste der Dankbarkeit und der Wunsch nach Schutz für das neue Jahr haben etwas sehr Berührendes.
Das Essen - Tradition mit Symbolkraft
Bei Seollal dreht sich viel ums Essen, aber nicht so wie bei unseren Silvester-Buffets. Das wichtigste Gericht ist "Tteokguk", eine Suppe mit Reiskuchen. In Korea sagt man, dass man erst ein Jahr älter wird, wenn man sein Neujahres-Tteokguk gegessen hat. Die weißen Reiskuchen in der Suppe symbolisieren einen reinen, frischen Start ins neue Jahr. Dazu gibt es verschiedene "Jeon" (koreanische Pfannkuchen) und andere traditionelle Spezialitäten.
Tteokguk, die Suppe des Seollal-Festes, symbolisiert Neuanfang, Frische und Wiedergeburt © Korea.net DB
Spiele und Gemeinschaft
Nach dem Essen wird es spielerisch: Familien versammeln sich zum "Yutnori", einem traditionellen Brettspiel. Ich stelle mir vor, wie Großeltern ihren Enkeln die Spielregeln erklären und alle Generationen zusammen lachen und wetteifern. Diese gemeinschaftlichen Aktivitäten sind so anders als unsere oft getrennten Silvesterfeiern von Jung und Alt.
Yutnori – ein traditionelles Brettspiel, das besonders zu Seollal von Kindern gespielt wird © Korea.net DB
2025: Das Jahr der Schlange (뱀의 해)
2025 ist in Korea das Jahr der Schlange, oder "Baem-ui Hae" (뱀의 해), wie es auf Koreanisch heißt. Im traditionellen koreanischen Kalender wird es als "을사년" (Eulsa-nyeon) bezeichnet. Die Schlange gilt in der koreanischen Kultur als Symbol für Weisheit und scharfen Verstand. Was ich besonders interessant finde: Anders als in vielen westlichen Kulturen wird die Schlange in Korea positiv gesehen, als Zeichen für Klugheit, Eleganz und innere Stärke. Die Schlange hat eine mystische Ausstrahlung, die Ruhe und Energie zugleich verkörpert. Menschen, die unter diesem Zeichen geboren sind, gelten als klug, strategisch und charmant.
Seollal 2025 - Das Jahr der Schlange © AI generated by Dalle-3/Manuel Guthmann
Es heißt, dass das Jahr der Schlange eine Zeit ist, in der man Entscheidungen gut überdenken und Herausforderungen mit Bedacht angehen sollte. Eine schöne Erinnerung daran, ab und zu innezuhalten und bewusster zu handeln.
Vorsätze mit Familiensinn
Auch bei den Neujahrsvorsätzen zeigen sich kulturelle Unterschiede, die mich zum Nachdenken bringen.
Während ich mir meist vornehme, mehr Sport zu machen oder gesünder zu essen, denken Koreaner oft zuerst an die Familie und die Gemeinschaft. Vorsätze drehen sich häufig darum, ein besserer Sohn oder eine bessere Tochter zu sein, die Eltern öfter zu besuchen oder die Familie mehr zu unterstützen. Es geht also weniger darum, sich selbst etwas vorzunehmen, als vielmehr darum, den Segen der Älteren zu erhalten und sich für das neue Jahr gute Wünsche auszusprechen.
Tradition im modernen Gewand
Was ich an Seollal besonders faszinierend finde, ist wie Korea Traditionen und Moderne verbindet. Die junge Generation teilt ihre Seollal-Momente auf sozialen Medien, macht Videoanrufe für "Sebae" mit weit entfernten Verwandten und hält trotzdem die alten Bräuche in Ehren.
Es zeigt mir, dass Traditionen nicht verstaubt sein müssen, sondern lebendig bleiben können.
Auch wenn ich Seollal bisher nur aus der Ferne bewundert habe, beeindruckt mich jedes Jahr aufs Neue, wie dieses Fest Familien zusammenbringt und Traditionen bewahrt. Es erinnert mich daran, dass ein Jahreswechsel mehr sein kann als nur Party und Feuerwerk - nämlich eine Zeit der Besinnung, des Respekts und der Dankbarkeit.
Und das Jahr der Schlange erinnert mich daran, klug und bedacht durchs Leben zu gehen.
Dieser Artikel wurde von einem Korea.net-Ehrenberichterstatter verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.
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