Ehrenberichterstatter

13.08.2025

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Nationalflagge in der The Independence Hall of Korea © Manuel Guthmann

Nationalflagge in der The Independence Hall of Korea © Manuel Guthmann



Von Ehrenberichterstatter Manuel Guthmann aus Deutschland

Am 15. August feiert Korea den Gwangbokjeol, den Tag der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft. Der Name bedeutet wörtlich „Tag der Wiedererlangung des Lichts“ und steht für das Ende einer 35-jährigen Fremdherrschaft, die tiefe Spuren im Land hinterlassen hat. Das Licht im Namen symbolisiert die wiedergewonnene Unabhängigkeit, die Rückkehr zu einer eigenen Regierung und die Hoffnung auf eine selbstbestimmte Zukunft.

Abkommen über die koreanische Annexion. Mit der Unterzeichnung des Vertrags wurde Korea zu einer japanischen Kolonie © Manuel Guthmann

Abkommen über die koreanische Annexion. Mit der Unterzeichnung des Vertrags wurde Korea zu einer japanischen Kolonie © Manuel Guthmann


Von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit

Japan annektierte Korea im Jahr 1910 und gliederte es als Kolonie in sein Kaiserreich ein. Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von wirtschaftlicher Ausbeutung, kultureller Unterdrückung und dem Versuch, die koreanische Identität auszulöschen. Die japanische Sprache wurde Pflicht in Schulen und Behörden, traditionelle Bräuche und die koreanische Schrift Hangul gerieten unter Druck. Trotz dieser Unterdrückung wuchs der Widerstand. Ein bekanntes Beispiel ist die landesweite Unabhängigkeitsbewegung vom 1. März 1919, die brutal niedergeschlagen wurde, das nationale Bewusstsein jedoch stärkte.

Das Koreanische Unabhängigkeitsmuseum in Chonan erinnert an die Zeit © Frank H. Lee

Das Koreanische Unabhängigkeitsmuseum in Cheonan erinnert an die Zeit © Frank H. Lee


Der 15. August 1945 markierte schließlich das Ende dieser Fremdherrschaft. An diesem Tag gab der japanische Kaiser in einer landesweit ausgestrahlten Radioansprache die Annahme der Kapitulationsbedingungen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg bekannt. Für Korea bedeutete dieser Tag das Ende von 35 Jahren Kolonialherrschaft. Die Nachricht verbreitete sich schnell, zunächst über Radiosender, dann von Mund zu Mund. In vielen Orten, darunter auch Seoul, versammelten sich Menschen, gaben die Neuigkeit weiter und holten Taegukgi-Flaggen hervor, die während der Kolonialzeit verboten gewesen waren. Manche hatten sie selbst aus Stoffresten genäht, weil seit Jahrzehnten keine offiziellen Flaggen mehr erhältlich waren.

Historische Taegukgi-Flagge im Nationalmuseum für zeitgenössische Geschichte Koreas in Seoul © Manuel Guthmann

Historische Taegukgi-Flagge im Nationalmuseum für zeitgenössische Geschichte Koreas in Seoul © Manuel Guthmann


Historische Aufzeichnungen berichten von spontanen Kundgebungen, Gesängen und Reden. Gleichzeitig herrschte Unsicherheit darüber, wie das Land künftig regiert werden würde.

Mit der Befreiung begann auch eine neue, schwierige Phase: Korea wurde entlang des 38. Breitengrades in eine sowjetische und eine US-amerikanische Besatzungszone geteilt, was später zur Gründung zweier Staaten führte.

1941 warnte der spätere Erste Staatspräsident von Korea, Rhee Syng-man, in seinem Buch vor den  Gefahren des japanischen Totalitarismus © Manuel Guthmann

1941 warnte der spätere erste Staatspräsident von Korea, Rhee Syng-man, in seinem Buch vor den Gefahren des japanischen Totalitarismus © Manuel Guthmann


Ein besonderes Jubiläum: 80 Jahre Freiheit

Das Jahr 2025 ist ein Meilenstein in der koreanischen Geschichte. 80 Jahre sind seit der Befreiung vergangen. In dieser Zeit hat sich Korea zu einer der führenden Industrienationen entwickelt, kulturell und technologisch weltweit Einfluss gewonnen und eine lebendige Demokratie aufgebaut.

Noch bis 16. November gibt es eine Sonderausstellung im Nationalmuseum für zeitgenössische Geschichte Koreas in Seoul © Manuel Guthmann

Noch bis 16. November gibt es eine Sonderausstellung im Nationalmuseum für zeitgenössische Geschichte Koreas in Seoul © Manuel Guthmann


Das 80. Jubiläum wird daher nicht nur als Gedenktag verstanden, sondern auch als Moment, um die enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zu würdigen.

Impressionen der Sonderausstellung zum Tag der Befreiung im Nationalmuseum für zeitgenössische Geschichte Koreas in Seoul © Manuel Guthmann

Impressionen der Sonderausstellung zum Tag der Befreiung im Nationalmuseum für zeitgenössische Geschichte Koreas in Seoul © Manuel Guthmann


Unterschiedliche Sichtweisen

Unter meinen koreanischen Freunden, viele im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, gibt es ganz unterschiedliche Sichtweisen auf Japan, obwohl niemand von ihnen die Kolonialzeit selbst erlebt hat. Einige meiden bewusst japanische Restaurants, Produkte oder Marken, weil sie die historische Erfahrung noch sehr präsent haben, oft auch durch Erzählungen aus der Familie. Andere sehen Japan dagegen vor allem als Nachbarland und haben kaum persönlichen Bezug zur Kolonialzeit. Für sie stehen Austausch, Reisen und die moderne Popkultur im Vordergrund. Diese Spannbreite an Perspektiven zeigt, wie komplex die Erinnerung an die Kolonialzeit auch 80 Jahre später noch ist.

Feierlichkeiten in Seoul und im ganzen Land

Am Gwangbokjeol wehen landesweit die Nationalflaggen und es finden offizielle Zeremonien und Gedenkveranstaltungen statt, bei denen oft auch hochrangige Politiker oder der Präsident anwesend sind.

Zahlreiche Museen, Gedenkstätten und Kulturzentren öffnen an diesem Tag mit Sonderprogrammen, teils mit freiem Eintritt, und Schulen greifen das Thema im Unterricht auf. Fernsehsender zeigen Dokumentationen und Specials rund um den Tag.

Die koreanische Flagge wird am 8. August an vielen Gebäuden und Häusern in Korea wehen © Manuel Guthmann

Die koreanische Flagge wird am 8. August an vielen Gebäuden und Häusern in Korea wehen © Manuel Guthmann


Wer zu dieser Zeit im Land unterwegs ist, begegnet dem Feiertag vielleicht auf einem Platz, in einem Museum oder in den Nachrichten.

Korea bereitet sich auf die Feierlichkeiten für Gwangbokjeol, den Tag der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft, vor © Manuel Guthmann

Korea bereitet sich auf die Feierlichkeiten für Gwangbokjeol, den Tag der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft, vor © Manuel Guthmann


Bedeutung über den Tag hinaus

Für ältere Koreaner ist Gwangbokjeol ein Tag, der Erinnerungen an harte Zeiten wachruft. Für jüngere Generationen ist er ein Symbol für nationale Identität und Stolz. Der Feiertag erinnert daran, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist und dass die Unabhängigkeit das Ergebnis jahrzehntelangen Widerstands ist.

Auch 80 Jahre später bleibt die Zeit der Kolonialherrschaft für viele Koreaner ein sensibles Thema. Die Beziehung zu Japan ist dabei von Geschichte und Gegenwart gleichermaßen geprägt, auch wenn beide Länder heute wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind. Der 15. August steht damit zugleich für Erinnerung, Aufarbeitung und den Blick in die Zukunft. Wer Korea kennt, weiß, wie tief dieser Tag im kollektiven Bewusstsein verankert ist.

Eingangsbereich des interessanten Koreanischen Unabhängigkeitsmuseums in Chonan © Frank H. Lee

Eingangsbereich des interessanten Koreanischen Unabhängigkeitsmuseums in Cheonan © Frank H. Lee


Korea steht heute als selbstbewusstes, modernes Land da, das seine Geschichte kennt und ehrt. Der 15. August ist nicht nur ein Tag der Erinnerung, sondern auch ein Tag der Verantwortung. Diese Verantwortung besteht darin, die eigene Geschichte wachzuhalten, aus ihr zu lernen und auf dieser Basis eine friedliche Zukunft zu gestalten. Er ist zugleich ein Versprechen, die Werte von Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und kultureller Identität zu bewahren und an kommende Generationen weiterzugeben. Gerade in einer Zeit, in der nationale Identität und internationale Beziehungen immer wieder auf die Probe gestellt werden, ist dieser Tag ein starkes Zeichen dafür, was Korea ausmacht.

Dieser Artikel wurde von einem Korea.net-Ehrenberichterstatter verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.

dlektha0319@korea.kr