Von Ehrenberichterstatterin Jasmin Mikolay aus Deutschland
In der Netflix- und Sony-Produktion Kpop Demon Hunters verschmelzen zwei Aushängeschilder koreanischer Kultur zu einem neuen, globalen Erlebnis. Denn Taekwondo trifft hier auf K-Pop. Hinter den kraftvollen und zugleich fließenden Bewegungen der männlichen Charaktere steckt Ha Seong Jin, Choreograf und langjähriges Mitglied der K-Tigers. Er durfte unter anderem die Choreografien zu den Songs Soda Pop und Your Idol entwickeln und damit Taekwondo als kreatives Element in den Film einfließen lassen.
Ehrenberichterstatterin Jasmin Mikolay aus Deutschland führte zwischen dem 1. und 19. September 2025 ein schriftliches Interview per E-Mail mit ihm über seine Arbeit, seine künstlerische Vision und die Rolle von Taekwondo als Verbindung von Tradition und Popkultur.
- Herzlichen Dank Herr Ha, dass Sie sich die Zeit nehmen, um dieses Interview mit Korea.net zu führen. Wie lange sind Sie schon im Taekwondo-Sport aktiv und wie sind Sie dazu gekommen?
Taekwondo betreibe ich seit etwa 22 Jahren. Angefangen habe ich damit, weil ich als Kind eine Taekwondo-Vorführung gesehen habe und sofort dachte: „Das ist so cool, das möchte ich unbedingt machen.” Mit 14 Jahren bin ich den K-Tigers beigetreten und seitdem nun schon 16 Jahre aktiv. Die K-Tigers haben verschiedene Bereiche – Performance, Bildung, Kunst. Ich bin dort gleichzeitig Künstler, Performer, Leiter des Ausbildungsteams und eben auch Choreograf. Wir verbinden Taekwondo mit vielen anderen kulturellen Inhalten aus Korea. Dadurch entstehen neue Formen, die beim Publikum weltweit großen Anklang finden.
- Was bedeutet Taekwondo Ihrer Meinung nach heute, auch über die Kampfkunst hinaus?
Ich glaube, Taekwondo ist mehr als eine Kampfkunst, denn es kann auch Kunst sein. In Verbindung mit anderen kulturellen Elementen oder Genres entsteht etwas Neues, das zugleich auch die künstlerische Seite Koreas sichtbar macht. Ich habe den 4. Dan im Taekwondo, doch für mich liegt die Erfüllung nicht nur im Rang selbst, sondern darin, Taekwondo mit Musik, anderen Genres und K-Kultur zu verbinden und daraus etwas Neues zu schaffen. Mein Ziel ist es, Taekwondo-Choreografie als eigenes Genre zu etablieren und sie zu einem wichtigen Teil koreanischer Kultur im internationalen Austausch zu machen.
- Wie kam es dazu, dass Sie vom Taekwondo-Sportler zum Choreografen wurden?
Ich habe nie formalen Tanzunterricht genommen, aber Tanzen hat mich schon immer fasziniert. Mit der Disziplin „Taekwondo-Gymnastik“ habe ich mich mehr damit beschäftigt, und irgendwann kam der Wunsch, Taekwondo auch choreografisch einzusetzen.
- Wenn Sie eine neue Choreografie entwerfen, was bildet für Sie den Ausgangspunkt – die Musik, die Bewegungen oder die Taekwondo-Elemente?
Zuerst versuche ich, das Konzept des Songs zu verstehen. Dann wähle ich die wichtigsten Taekwondo-Bewegungen aus, die das Highlight bilden können. Schließlich kombiniere ich Musik, Technik, Aufbau und Dramaturgie, um eine komplette Geschichte zu zeigen.
- Was sind die größten Herausforderungen und Chancen, Taekwondo mit Tanz und K-Pop zu verbinden?
Die größte Herausforderung ist, den eigenen Charakter von K-Pop und Tanz zu bewahren und gleichzeitig Taekwondo so einzufügen, dass es harmonisch wirkt. Die Chance liegt darin, dass daraus etwas entsteht, was einzigartig koreanisch und gleichzeitig international verständlich ist.
- Choreografen haben oftmals eine Art „Signature Move“, den sie in ihre Arbeiten einbauen. Was ist Ihr persönliches Markenzeichen in Ihren Choreografien? Gibt es eine Taekwondo-Technik, die Sie besonders gerne einsetzen?
Mein Ziel ist immer, Choreografien besonders kraftvoll und einzigartig wirken zu lassen. Deshalb sind die spektakulären Techniken des „Extreme Taekwondo“ so etwas wie mein Markenzeichen. Eigentlich finde ich alle Taekwondo-Techniken beeindruckend. Viele lassen sich mit Tanzbewegungen kombinieren und haben eine starke Wirkung. Besonders faszinieren mich aber die Elemente des Extreme Taekwondo, weil sie am ausdrucksstärksten sind.
- Wie kam die Zusammenarbeit mit Netflix und Sony für den Film zustande?
Anfangs wurde ich nur für Action-Szenen angefragt. Dann kam die Idee auf, auch die Choreografien zu übernehmen. Zunächst sollte ich Soda Pop und How It’s Done entwickeln, später kamen Your Idol und Golden dazu. Für jeden Song habe ich drei Entwürfe erstellt. Am Ende wurden Soda Pop und Your Idol ausgewählt.
- Welche Konzepte stecken hinter den Choreografien zu Soda Pop und Your Idol?
Soda Pop sollte frisch, hell und jugendlich wirken, wie ein Debüt-Song, der Menschen anzieht. Schon beim ersten Hören fiel mir das Geräusch einer geöffneten Dose auf, das sehr prägnant war. Ich entschied, klassische Taekwondo-Bewegungen wie Abwehr oder Handkantenschläge einzubauen, um die Energie des Songs zu verstärken.
Your Idol hingegen hatte ein dunkleres, geheimnisvolleres Konzept: die Idee, Seelen zu verführen und an sich zu ziehen. Deshalb habe ich Bewegungen entwickelt, bei denen es so aussieht, als ob man ein ‚Geisterfeuer‘ in den Händen halten und es nach oben ziehen würde, als nähme man die Seele an sich.
- Was war die größte Herausforderung, für einen Animationsfilm zu arbeiten?
Die Bewegungen mussten besonders präzise sein, weil sie direkt auf die Animation übertragen wurden. Ich musste deshalb auf jeden einzelnen Winkel und jede Geste achten.
- Wie war die Zusammenarbeit mit dem Produktionsteam?
Das Produktionsteam kam direkt in unser Studio und stellte rundum 360-Grad-Kameras auf. Als sie uns Extreme-Taekwondo-Techniken wie Saltos, Sprünge und Drehungen vorführen sahen, waren sie begeistert und hatten große Freude daran. Ihre Begeisterung hat uns sehr motiviert und ich denke, genau das war der Grund, warum meine Choreografie letztlich ausgewählt wurde.
- Wie haben Sie Taekwondo konkret in die K-Pop-Tanzbewegungen des Films integriert?
Da die „Lion Boys“ im Film sowohl Tänzer als auch Kämpfer sind, habe ich ihre Choreografien bewusst mit typischen Taekwondo-Elementen durchsetzt. Auf diese Weise konnte ich zeigen, dass Taekwondo nicht nur sportlich, sondern auch ästhetisch funktionieren kann.
- Wie fühlt es sich an, Teil eines globalen Kulturprojekts zu sein?
Es ist eine große Ehre, an einem Film mitzuwirken, der koreanische Kultur weltweit präsentiert. Besonders freue ich mich darüber, dass meine Soda-Pop-Choreografie von vielen Schauspieler:innen und Idols in Social-Media-Challenges aufgegriffen wurde. Sollte es eine Fortsetzung geben und sie würden mich noch einmal fragen, wäre ich sofort wieder mit voller Leidenschaft dabei.
- Sie waren kürzlich beim Korea Travel Fiesta 2025 auf den Philippinen. Was war das Besondere an diesem Auftritt?
Wir zeigten traditionelle Taekwondo-Performances, aber auch K-Pop-Taekwondo und Teile der KPop-Demon-Hunters-Choreografien. Dort führten wir erstmals die vollständige Soda-Pop-Choreografie auf und die Reaktionen des Publikums waren überwältigend.
- Welche Ziele haben Sie als Choreograf und Taekwondo-Künstler für die Zukunft?
Ich möchte Taekwondo weiterhin mit anderen Kulturen verbinden und es weltweit bekannter machen.
- Haben Sie eine Botschaft für junge Taekwondo-Schüler:innen und Tänzer:innen, die Sie bewundern?
Ich danke euch allen, dass ihr euch für Taekwondo, Koreas traditionelle Kampfkunst, interessiert. Passt bei Training, Auftritten und Wettkämpfen gut auf euch auf, vermeidet Verletzungen und ich hoffe, dass wir uns eines Tages bei einer Gelegenheit persönlich begegnen.
- Wir danken Ihnen, Herr Ha Seong Jin, für das Gespräch und die spannenden Einblicke in Ihre Arbeit. Wir wünschen Ihnen weiterhin Erfolg dabei, mit Ihrer Leidenschaft für Taekwondo und Choreografie neue Impulse für die koreanische Kultur weltweit zu setzen.
Mit seiner Arbeit an KPop Demon Hunters hat Ha Seong Jin bewiesen, wie vielseitig und wandlungsfähig Taekwondo sein kann, als Kunst, als Ausdruck und als Brücke zwischen Tradition und Popkultur. Ob auf der Bühne, im Film oder in internationalen Projekten: Seine Vision ist es, Taekwondo in neue Kontexte zu tragen und damit weltweit sichtbar zu machen. Für ihn bleibt es nicht nur ein Sport, sondern ein kreativer Weg, koreanische Kultur in Bewegung zu erzählen, und das Schritt für Schritt, Kick für Kick.
Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.