Von Ehrenberichterstatterin Jasmin Mikolay aus Deutschland
Fünf Musiker:innen aus aller Welt – aus Deutschland, Russland, Mexiko, der Mongolei und Burkina Faso – vereinen in der Formation Sound Trek die Klänge ihrer Heimat mit Gugak, der traditionellen koreanischen Musik. Entstanden ist ein interkulturelles Ensemble, das mit Leidenschaft und Neugier die Grenzen von Musik neu denkt.
Madlen Poguntke, Flötistin aus Deutschland, ist eine der fünf Künstler:innen, die über mehrere Monate hinweg die Feinheiten koreanischer Musik studierten, um sie anschließend mit ihren eigenen Klangtraditionen zu verweben. Korea.net-Ehrenberichterstatterin Jasmin Mikolay aus Deutschland führte zwischen dem 20. und 30. Oktober 2025 ein schriftliches Interview mit ihr via E-Mail, in dem Madlen Poguntke berichtet, wie sie ihren Weg nach Korea fand, was sie an Gugak fasziniert und warum Musik für sie die universelle Sprache der Verständigung ist.
– Frau Poguntke, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch mit Korea.net nehmen. Könnten Sie erzählen, wie Ihre musikalische Reise Sie ursprünglich nach Korea geführt hat?
Hallo, das ist eine längere und etwas komplizierte Geschichte. Ich habe tatsächlich, seit ich klein war – um genau zu sein, seit ich vier Jahre alt bin – Flöte gespielt. Das war mein erster Berührungspunkt mit Musik, an den ich mich erinnern kann. Meine Eltern haben aber schon damals erzählt, dass ich anscheinend schon Mozart gehört habe, als meine Mutter mit mir schwanger war. Da muss wohl etwas hängen geblieben sein. Dann habe ich mit vier Jahren mit Blockflöte angefangen und mit zehn Jahren schließlich Querflöte. Damals war mir noch gar nicht klar, dass ich einmal Musik studieren oder gar in Korea leben würde.
Doch irgendwann war mein Wunsch, Musikerin zu werden, so groß, dass ich zunächst Lehramt Musik für Gymnasien studierte – ja, ich bin eigentlich auch Lehrerin – danach einen Bachelor in Querflöte und einen in Traversflöte absolvierte. Und ja, dann war es mir natürlich immer noch nicht genug … Ich dachte mir: Jetzt habe ich zwei Bachelors und ein Staatsexamen – mach doch noch drei Master hinterher. Gesagt, getan: Ich habe noch zwei Master in Flöte und Traversflöte/Barockflöte sowie einen Master in Musikwissenschaft abgeschlossen.
Damals wusste ich gar nichts über Korea. Musik war zwar schon mein Leben, mein Hobby, mein Beruf – einfach alles – aber Korea stand da zunächst gar nicht auf dem Plan. Ich wollte zwar andere Länder bereisen oder dort forschen, aber Korea mit seiner Sprache war mir dann doch suspekt. Bis ein koreanischer Freund, der mit mir Musikwissenschaft studierte, einfach meinte: „Korea hat die Grenzen nach der Corona-Pandemie wieder geöffnet – warum versuchst du nicht mal dein Glück und bewirbst dich?“ Und so schnell konnte ich gar nicht schauen, da war ich schon in Korea. Es ging alles so rasend schnell: Ich konnte die Sprache nicht, kannte kaum Leute und wusste nicht, wie meine Zukunft aussehen würde. Jetzt mache ich meinen Doktor in Musikwissenschaft an der SNU und bin mittendrin im koreanischen Leben eines Doktoranden und Musikers. Es war also eher Schicksal als Plan.
– Wie sind Sie Teil von Sound Trek geworden? Gab es ein Auswahlverfahren oder wurden Sie persönlich eingeladen, an dem Projekt teilzunehmen?
Ich habe am Casting im Arirang Studio teilgenommen. Ich hatte nicht wirklich viele Infos, wie genau die „Band“ aussehen oder was überhaupt gesucht wird. Ich habe mich genauso wie für mein Studium an der SNU auch hier „einfach mal beworben“ und die Einladung erhalten. Ja und dann habe ich dort vorgespielt und war auf einmal dabei.
– Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie erfuhren, dass Sie als deutsche Musikerin unter Künstler:innen aus fünf verschiedenen Ländern ausgewählt wurden?
Ich konnte es nicht glauben. Als in der Jury verkündet wurde „독일에서 오는“ (aus Deutschland kommende…) habe ich erstmal in die Runde geschaut, um zu sehen, ob noch wer aus Deutschland dabei war oder ob das wirklich ich bin! Ich hatte noch nie ein Casting gewonnen, daher war es so unglaublich für mich und gleichzeitig war ich so aufgeregt, was nun auf mich zukommen würde.
– Für Leser:innen, die den Begriff vielleicht nicht kennen: Sound Trek wird als Gugak-Fusionsband beschrieben. Wie würden Sie Gugak (koreanische traditionelle Musik) jemandem erklären, der sie zum ersten Mal hört? Und wie fügt sich Ihr Instrument in diesen Klang ein?
Oh, das ist eine sehr gute Frage. Es gibt überall auf der Welt „historisch alte Musik“. In Deutschland stellen wir uns darunter beispielsweise Barockmusik von Bach oder Vivaldi vor. Und natürlich gibt es so etwas auch in Korea. Wie auch in der Barockmusik sind die Klänge „natürlicher“, da die Instrumente – vor allem die Flöte – aus Holz sind und dadurch der Klang weicher wird.
Gugak hat jedoch eine ganz besondere Eigenschaft, die es vom europäischen Barock unterscheidet: die Emotion. Durch spezielle Spieltechniken entsteht ein Klang, der es ermöglicht, sehr intensive Gefühle zu vermitteln. Und natürlich gibt es die besonderen Rhythmen. Man hat nicht das typische Gefühl, einen geraden Rhythmus zu hören – er wechselt so oft hin und her, dass man gar nicht anders kann, als die Musik einfach zu fühlen.
Und ja, natürlich passt meine Flöte gut dazu. Vor allem meine Barockflöte, die ja ebenfalls aus Holz ist, ist ähnlich und doch ganz anders als die koreanische Flöte. Ich habe für das Projekt nun die koreanische Flöte Daegum gelernt und kann erst jetzt die Besonderheit der Klänge und Emotionen verstehen, die Gugak mit sich bringt.
– Was waren Ihre ersten Eindrücke, als Sie koreanische traditionelle Musik spielten? War sie sehr unterschiedlich von Ihrer klassischen oder westlichen Ausbildung?
Ja und nein. Im Endeffekt ist alles Musik und Musik ist die Sprache der Welt. Doch so wie jede Sprache anders ist, hat auch Musik in den verschiedenen Ländern ihre Besonderheit. Für mich war es schwieriger Gugak auf meiner Flöte zu spielen, da ich so viele Klänge gar nicht produzieren konnte. Da die Daegum eine Membran hat, schwingt diese und bringt ganz besondere Klänge hervor. Daher war für mich klar ich muss Daegum lernen, um Gugak zu verstehen.
– Sound Trek vereint Musiker:innen aus Deutschland, Russland, Mexiko, der Mongolei und Burkina Faso. Wie gelingt es Ihnen, trotz dieser Vielfalt einen gemeinsamen Rhythmus und eine gemeinsame emotionale Sprache zu finden?
Das war nicht immer einfach. Vor allem, weil wir oft alle unterschiedlich kommunizierten und verschiedene musikalische Ausbildungen haben. Musik war tatsächlich die Sprache, die alle ohne Nachdenken sprechen konnten. Man macht einfach, probiert aus. Selbst wenn Sprache an ihre Grenzen stößt, finden wir durch Musik schnell einen gemeinsamen Rhythmus. Dort, wo Sprache aufhört, fängt Musik an.
– Können Sie einen besonders eindrucksvollen Moment aus einer Probe oder Aufführung teilen, der für Sie den Geist von Sound Trek widerspiegelt?
Da fällt mir vor allem unser Konzert in Usbekistan ein! Das war der wohl eindrucksvollste Moment für mich. Dass wir als Ausländer in Korea, koreanische Musik in einem anderen Land spielen und so viel positives Feedback und Liebe erhielten. Das war einfach nur magisch und zeigt für mich, dass Musik einfach keine Grenzen kennt, wofür ja Sound Trek auch steht.
– Welche Herausforderungen haben Sie beim Erlernen oder Interpretieren der Gugak-Struktur, Rhythmen oder Verzierungen erlebt und wie sind Sie damit umgegangen?
Der erste Schritt war, dass ich tatsächlich Daegum gelernt habe. Vorher war mir gar nicht klar, wie ich denn diesen speziellen Klang, diese Verzierungen erzeugen soll. Selbst wenn ich versuchte diese zu spielen war es einfach nur „eckig“ und nicht natürlich. Ich war teilweise schon etwas frustriert, da ich ja auch mein Bestes geben wollte, aber einfach nicht so spielen konnte, wie ich es wollte. Daher war für mich schnell klar: Ich MUSS Daegum lernen, um diese Schwierigkeiten hinter mir zu lassen. Natürlich hatte ich dann andere Probleme.
Ich musste ein neues Instrument in nur wenigen Monaten lernen und direkt Konzerte spielen und Aufnahmen machen. Das war wirklich nicht einfach. Doch da ich ungern aufgebe, habe ich viele Stunden geübt, mir eine Daegum ausgeliehen und einfach weitergemacht. Ich vergleiche das oft mit Harry Potter: So wie der Zauberstab einen Zauberer aussucht, musste ich mich erstmal vor meiner Flöte beweisen, bis diese mich endlich akzeptierte.
– Wie reagieren koreanische Zuschauer:innen auf Ihre Auftritte mit Sound Trek? Gibt es Unterschiede im Vergleich zu internationalen Publikumserfahrungen?
Ja natürlich gibt es Unterschiede, wenn auch meistens positive! Koreanische Zuschauer:innen sind vor allem ergriffen und stolz, dass wir uns so mit Gugak beschäftigen und für die koreanische Kultur interessieren und diese sogar noch weitertragen wollen. Und das internationale Publikum ist vor allem neugierig und interessiert. Aber alle sind herzlich und ich bin so dankbar, dass wir auf so viele neue Menschen treffen können.
– Abgesehen von der Musik selbst – was haben Sie durch dieses Projekt über die koreanische Kultur und die traditionellen Künste gelernt?
Wir haben mehrere andere Kulturveranstaltungen besucht, mit koreanischen Musikern gearbeitet und auch natürlich diese ganze koreanische Kultur hinter Gugak kennengelernt. Gugak ist tatsächlich nur die Eisspitze von einer noch viel tiefer greifenden koreanischen Kultur, die super spannend ist.
– Glauben Sie, dass Ihre Rolle als ausländische Musikerin in der Gugak-Welt neue Perspektiven eröffnet, sowohl für koreanische als auch internationale Zuhörer:innen?
Ich hoffe es zumindest. Die meisten haben großen Respekt vor Gugak, da es einfach eine sehr komplexe Welt ist, mit ihrer Ordnung, Struktur und Geschichte. Meistens findet man da nur schwer Zugang zu und es ist so etwas Unantastbares. Ich hoffe, dass durch meine Arbeit die Menschen diese Angst oder Hemmschwelle verlieren. Ich möchte ihnen die Angst nehmen, und zeigen, dass Gugak genauso wie K-Pop eine Musikform ist, die Menschen begeistern und verbinden kann.
– Welche Bedeutung haben interkulturelle Projekte wie Sound Trek Ihrer Meinung nach für den globalen kulturellen Austausch und das gegenseitige Verständnis?
Ich finde das so unglaublich wichtig. Vor allem in der heutigen Zeit diskutieren wir immer über kulturelle Unterschiede, politische Schwierigkeiten und unüberbrückbare Differenzen. Doch Musik kennt diese Grenzen nicht. Musik dringt einfach in die Herzen eines jeden ein, egal welchen Alters, welchen Geschlechts und welcher Kultur. Sound Trek ist nur ein Beispiel wie man diese vermeintlichen Grenzen überwinden kann.
– Gibt es anstehende Auftritte oder Projekte, auf die Sie sich besonders freuen?
Oh ja, ich hoffe, dass das nun erst der Anfang mit Sound Trek ist. Natürlich liebe ich es, meine Musik mit Flöte, Traversflöte und Daegum jetzt weiter zu verknüpfen, meine Forschung zu betreiben – denn meine Doktorarbeit wartet auch noch auf sich – und auch anderen davon zu berichten. Ich liebe diese Kombination aus Praxis, Theorie und Lehre. Und da gibt es jetzt so viele neue Projekte, die anstehen und kommen werden. Ich kann nur sagen, bleibt gespannt!
– Zum Abschluss: Welche Botschaft möchten Sie jungen Künstler:innen mit auf den Weg geben – in Korea oder im Ausland – die davon träumen, durch Musik Brücken zwischen Kulturen zu bauen, so wie Sie es tun?
Es braucht vor allem Mut, den Willen, niemals aufzugeben und auch eine Prise Verrücktheit. Diese Mischung ist wie eine Zauberformel, mit der man Menschen durch Musik berühren kann und so den ersten Stein der Brücke legt, die Menschen durch Musik miteinander verbindet.
– Wir danken Madlen Poguntke herzlich für das Gespräch, ihre Einblicke und Expertise und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg auf ihrem musikalischen und akademischen Weg.
Das Gespräch mit Madlen Poguntke zeigt eindrucksvoll, wie Musik als Brücke zwischen Kulturen wirken kann. Mit Projekten wie Sound Trek gelingt es Künstler:innen aus aller Welt, das koreanische Gugak in neuen Kontexten zu beleben und international bekannt zu machen.
Die Reise der deutschen Musikerin von der Barockflöte zur koreanischen Daegum steht sinnbildlich für den Mut, sich auf Neues einzulassen und Traditionen neu zu interpretieren. Ihr Engagement und ihre Begeisterung verdeutlichen, dass musikalischer Austausch nicht nur Klänge verbindet, sondern auch Menschen, Kulturen und Herzen.
Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.