Kommentar

08.01.2014

Falls Besucher des Seoul National Cemetery bis zum Bereich für die Patrioten gehen, werden sie vielleicht überrascht sein, dort zwischen den Grabsteinen einen ausländischen Namen zu entdecken. Francis Schofiled jedoch ist Vielen in Korea als der „34. Mann“ bekannt, eine Bezugnahme auf die 33 Patrioten, die am 1. März 1919 Koreas Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten, ein Schachzug, der die Unabhängigkeitsbewegung vom 1. März in Gang setzte.

Zu Beginn des Jahres, während der Friedensverhandlungen im Anschluss an das Ende des Ersten Weltkriegs, hielt US-Präsident Woodrow Wilson eine Rede, rief er an einer Stelle zu Selbstverwaltung in allen eroberten Gebieten auf. Dadurch inspiriert, begannen koreanische Studierende in Korea und Japan, eine Protestbewegung zu organisieren, um nach einem Jahrzehnt japanischer Militärherrschaft die Unabhängigkeit Koreas zu fordern.

Der einzige Ausländer, der im Vorfeld der Proteste informiert wurde, war Francis Schofield, ein kanadischer Mitarbeiter der medizinischen Mission, der an der Severance Medical School arbeitete und lehrte. Er wurde von Yi Kap Sung - einem der 33 Patrioten und einem Angestellten der Schule - im Februar besucht und gefragt, ob er die Unabhängigkeitsaktivisten unterstützen würde. Während die anderen Missionare und Ausländer in Korea von den Protesten überrascht waren, preschte Schofield durch Seoul und machte Fotos von den Protesten - Fotos, die fast jeder Koreaner heutzutage gesehen hat.

Demonstrators participate in the March 1 Independence Movement. (Photo courtesy of Matt Van Volkenburg)

Demonstranten, die an der Unabhängigkeitsbewegung vom 1. März teilnehmen. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Matt Van Volkenburg)


Schofield schaltete sich auch persönlich in die Proteste ein, ging auf Polizisten zu, die Demonstranten wegbrachten und forderte diese auf, seine „Diener“ freizulassen - ein Trick, der einige Zeit lang funktionierte. Wenn die Polizei sie erst einmal geschnappt hatte, nutzte er die Visitenkarte des Polizeichefs, um Zugang zum Seodaemun Gefängnis zu erhalten, wo er die Misshandlung der Gefangenen in den überfüllten Zellen beobachtete. Er hatte sogar Gelegenheit, Yu Gwan-sun zu sehen, den bekannten Oberschüler, der im folgenden Jahr als Märtyrer an den Folgen der Misshandlung im Gefängnis starb. Als Doktor des Severance Hospitals sah er auch aus erster Hand die Verletzungen der Demonstranten, die ihnen durch schwertführende japanische Polizeioffiziere zugefügt wurden.

Participants in the March 1 Independence Movement were taken to Severance Hospital after acts of police brutality. (Photo courtesy of Matt Van Volkenburg)

Teilnehmer der Unabhängigkeitsbewegung vom 1. März wurden nach dem brutalen Vorgehen der Polizei ins Krankenhaus gebracht. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Matt Van Volkenburg)


Am bekanntesten ist Schofield wohl dafür, dass er das Jeam-ri Massaker, das am 15. April 1919 im Landkreis Hwaseong, Provinz Gyeonggi stattfand, aufdeckte. An jenem Tag pferchten japanische Kräfte rund 30 Koreaner in die Dorfkirche, setzten diese in Brand und erschossen jeden, der versuchte, den Flammen zu entkommen. Das Dorf war nur ein Ort von vielen, der von den japanischen Soldaten bis auf den Boden niedergebrannt wurde. Als Schofield Gerüchte über das Massaker zu Ohren kamen, nahm er mit seinem Fahrrad den Zug und bahnte sich seinen Weg durch das Dorf, wo er dann Überlebende befragte und die vorgefundene Zerstörung fotografierte.

The scene of the church burnt down by Japanese forces. (Photo courtesy of Matt Van Volkenburg)

Szene der von den Japanern niedergebrannten Kirche. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Matt Van Volkenburg)


In Rage über das, was er sah, schrieb Schofield an lokale Zeitungen, um die Öffentlichkeit über die Brutalität der japanischen Autorität in Korea zu informieren. In einem Brief vom November 1919 an den Japan Advertiser kritisierte er Japans „verdammenswerte Assimilationspolitik“ und fragte „Gibt es irgendeine Art von Moral in einer Politik, die 17 Millionen Menschen hoffnungslos macht und die besten Angebote für Koreas nobelste Männer und Frauen entweder Exil oder Gefängnis sind?“

Aufgrund der Regierungskontrolle von Informationen, kannten nur wenige außerhalb Koreas die Wahrheit über das, was geschah. Die japanische, auf Englisch erscheinende Propaganda-Zeitung Seoul Press, enthielt einen Artikel über das Seodaemun Gefängnis, dass es in den rosigsten Farben beschrieb. Als Reaktion darauf schrieb Schofield einen sarkastischen Brief, in dem er dem Blatt mitteilte: „Wir Ausländer sind sehr glücklich, so ein heiteres und schönes Bild dieses Gefängnisses gezeigt zu bekommen, da wir immer davon ausgegangen sind, dass es dort viele Gefangene zusammengepfercht in einem kleinen Raum gibt, die von Parasiten gebissen werden, verhungern und in Lumpen gekleidet sind. Im Gegensatz zu unseren falschen Annahmen, scheinen unsere koreanischen Freunde technische Lehrstunden zu erhalten, eine freudvolle Atmosphäre zu haben und regelmäßig Bäder zu nehmen. Was für wunderbare Neuigkeiten!“

Obwohl die Seoul Press antwortete, dass „der Brief eines Ausländers bestätigt, dass Fremde uns gegenüber übermäßig misstrauisch sind“, bestand das Misstrauen auf beiden Seiten. Schofields Aktionen, darunter die Katalogisierung der Brutalität, deren Zeuge er geworden war, blieb von den japanischen Behörden nicht unbemerkt. Im Dezember 1919 stellte der Generalgouverneur von Korea fest: „Dass christliche Missionare hinter den Unruhen in Korea stehen, ist eine unbestreitbare Tatsache und ein Mann namens Schofiled, der zum Severance Hospital in Seoul gehört, ist einer der deutlichsten dieser Agitatoren“.


Matt Van Volkenburg

Matt Van Volkenburg


Wie sich herausstellte waren es nicht die Japaner, die in aus Korea vertrieben, sondern die Debatte über seine politischen Verwicklungen in Korea, die die Presbyterianische Mission - die ihn entsandt hatte - dazu bewog, seine Rückkehr nach Hause zu fordern. Am Ende war es seine Weigerung, „politisch neutral“ zu bleiben, die zu seiner plötzlichen Abberufung durch die Presbyterianische Mission im Jahr 1920 führte.

Nach der Rückkehr nach Kanada engagierte er sich in der Pionierarbeit auf dem Gebiet der Tiermedizin Ontario Veterinary College in Guelph, Ontario, wo er kontinuierlich Briefe an die Lokalzeitung schrieb, in denen er die Rassendiskriminierung anprangerte, die er in seinem eigenen Land vorgefunden hat.

1958, nach beinahe 40 Jahren in Kanada, kehrte er nach Korea zurück und lehrte an der Seoul National University und an der Yonsei University. Er half auch beim Betrieb zweier Waisenhäuser und unterstützte sogar Studierende, die hofften, im Ausland zu studieren, mit Stipendien, die er aus eigener Tasche finanzierte. Unter den Studenten, denen er half, war auch der spätere Premierminister Chung Un-chan, dessen Schulgeld in der Mittelschule von Schofield übernommen wurde.

Wie der gegenwärtige Botschaft Kanadas in Korea berichtet, haben „die Menschen sehr starke und schöne Erinnerungen an Dr. Schofield und seine Beiträge für Korea. Oft sagen die Leute 'Oh, ja', wenn ich seinen Namen erwähne und beginnen, eine Geschichte zu erzählen, die sie gehört haben und mit der sie direkt zu tun haben“.

Die koreanische Regierung würdigte die Bemühungen Schofields und zeichnete ihn 1960 mit dem Verdienstorden für kulturelle Leistungen aus und im Jahr 1969 mit der Unabhängigkeitsmedaille des Verdienstordens für die Gründung der Nation. Als er 1970 starb, erhielt er eine öffentliche Trauerfeier und war der erste Ausländer, der auf dem Nationalfriedhof von Seoul beigesetzt wurde.

Von Matt Van Volkenburg
Mitglied der Königlich-Asiatischen Gesellschaft, Abteilung Korea

Discover Korea with the RAS
[ Die Königlich-Asiatische Gesellschaft, Abteilung Korea - 1900 gegründet - ist eine Vereinigung von Koreanern und Nicht-Koreanern, die ihr Wissen über koreanisches Leben, Kultur und Geschichte vertiefen möchten und dieses Wissen auf Englisch mit anderen teilen möchten.http://www.raskb.com/ ]