Kommentar

17.02.2014

Die beiden berühmtesten Kunstschätze des Tempels Bulguksa sind die Pagode Dabotap, die Pagode der vielen Schätze oder der mannigfaltigen Juwelen, und die Pagode Seokgatap, die Sakyamuni-Buddha-Pagode. Sie stehen im zentralen Innenhof vor der historischen Haupthalle und sind dem Sakyamuni gewidmet (Sakyamuni ist eine der vielen Bezeichnungen für Buddha). Wenn die Royal Asiatic Society im Rahmen ihrer jährlichen Tour nach Gyeongju Besucher dorthin bringt, sind dies die eindrucksvollsten Baudenkmäler, die sie zu sehen bekommen.

Die Pagoden entwickelten sich in Form von Holz- und Steintürmen aus den altertümlichen hinduistischen und buddhistischen Stupa-Denkmälern des nördlichen Indien, als sich der neue Glaube vor fast zweitausend Jahren entlang der Seidenstraße bis nach China ausbreitete. In Korea brachte diese architektonische Tradition solide Granitpagoden mit einer Höhe von gewöhnlich drei bis sieben Metern hervor, mit Hohlräumen in einem ihrer niedrigeren Stockwerke, um dort heilige Reliquien wie Sarira-Kristalle oder Sutraschriften aufzubewahren.

Mehr als 1000 davon sind bis heute erhalten geblieben. Sie sind besonders in den südlichen Regionen Koreas häufig anzutreffen. Die Pagoden Dabotap und Seokgatap übertreffen jedoch alle anderen Pagoden und sind die herausragendensten Beispiele für dieses Bauwerk aufgrund ihres komplexen, genialen architektonischen Stils, ihrer philosophischen Tiefgründigkeit und ihres ästhetischen Charmes. Sie werden als ein untrennbares gegensätzliches, aber gleichzeitig komplementäres Eum-und-Yang-Paar (Yin-und-Yang-Paar) betrachtet, das zusammen im Blickfeld des Buddha steht, das allen denjenigen, die die Pagoden ansehen, eine Lektion über monumentale Steinbauten erteilt.

Der oben dargestellten Ansicht zufolge repräsentiert die Pagode Dabotap die Eum-Charakteristika des Weiblichen, Dunklen, Kalten, eine Energie, die nach unten und innen fließt, und eine Umwandlung der himmlischen Prinzipien in eine Unzahl von physischen Formen, die wir auf dieser Erde genießen. Im Gegensatz dazu verkörpert die Pagode Seokgatap die Yang-Charakteristika des Männlichen, Hellen, Heißen, eine Energie, die nach oben und außen fließt, und das spirituelle Streben der Menschheit

 불국사 다보탑(왼쪽)과 석가탑 (사진: 연합뉴스)

Die Pagoden Dabotap (links) und Seokgatap (Foto: Yonhap News).


Eine weitere klassische Methode, sich ihre Gegensätze anzuschauen, besteht darin, die Pagode Seokgatap als den historischen Buddha selbst zu deuten, als er die Lotussutra unterrichtete, und die Pagode Dabotap als seine Schüler, die ihm zuhören. Dies wird symbolisiert durch den Dabo oder die Buddha-Ikone Prabhutaratna, die sich manifestieren soll, wo und wann immer die Sutra gelehrt wird. Die Schüler werden von Buddhas Lehren erleuchtet und verwandeln sich in Wesen, die wie kostbare Juwelen leuchten.

Die Pagode Dabotap oder die Pagode der vielen Schätze wird als eines der bemerkenswertesten traditionellen Bauwerke Ostasiens betrachtet. Die Koreaner sind sehr stolz darauf, und sie ist auf ihrer 10-Won-Münze abgebildet. Die Berühmtheit dieser sehr dekorativen, 10,4 Meter hohen Pagode rührt von ihrem extrem komplexen und delikaten, auf philosophischen Anschauungen basierendem Design. An ihrem Sockel befinden sich vier Sätze von Stufen, die zu vier Wächtern in Löwengestalt führen, welche die Weisheit des Buddhismus symbolisieren. Über den Löwen befindet sich eine Reihe von geschickt eingefügten Granitblöcken, die Säulen bilden. Die Säulen stehen auf einer erhöhten Plattform, die über vier Treppen zugänglich ist, jede mit zehn Stufen, die die Zehn Perfektionen oder Tugenden, die Paramitas, des buddhistischen Gedankenguts symbolisieren.

Diese Pagode hatte in der modernen Geschichte viel Pech. 1924, als Korea unter japanischer Kolonialherrschaft stand, wurde die Pagode von den Japanern zu Restaurierungszwecken in ihre Einzelteile zerlegt. Als dieses umfangreiche Projekt lief, kam es aufgrund der mangelhaften Bewachung der Einzelteile zu einem Diebstahl der inneren Sarira-Behälter und von drei der Originalsteinlöwen; sie tauchten nie wieder auf.

Die Pagode Seokgatap oder die Sakyamuni-Buddha-Pagode hat eine Höhe von 8,2 Metern und ist das herausragendste Beispiel für eine typische koreanische buddhistische Pagode. Sie stellt den ultimativen Höhepunkt aller früheren Traditionen dar und ist der Prototyp für viele nachfolgende Bauwerke. Die Pagode wird auch Muyeongtap oder Pagode ohne Spiegelbild genannt und steht für die traurige Geschichte vom Steinbildhauer Asadal aus dem Baekje-Reich, der die Pagoden erbaute. Ein alter Mythos besagt, dass seine Frau Asanyeo von einem weit entfernten Ort dorthin reiste, weil sie ihren Mann so sehr vermisste, aber aufgrund eines Verbots, das auf ein rituelles Tabu zurückging, durfte er sie nicht sehen, bis er seine Arbeit abgeschlossen hatte. Sie hielt sich an einem Teich auf der gegenüberliegenden Seite des Tals auf und wartete darauf, dass sich die Spitze der Pagode über den Tempelwänden im Wasser spiegeln würde, aber nachdem selbst nach vielen Monaten kein Spiegelbild zu sehen war, stürzte sie sich in ihrer Verzweiflung ins Wasser und starb. Leider wird die Pagode Seokgatap seit Anfang 2013 restauriert, sodass man sie dieser Tage nicht sehen kann, so wie die arme Asanyeo nicht die Gelegenheit hatte, ihre Schönheit mit eigenen Augen zu sehen.

 데이비드 메이슨

David A. Mason


Die Pagode wird weltweit aufgrund ihrer perfekten Proportionen und ihres einfachen, anmutigen Stils bewundert. Sie hat drei Stockwerke, so wie viele andere Pagoden der Silla-Ära. „Drei“ ist eine geheiligte Zahl im Buddhismus und in vielen anderen spirituellen Traditionen. Im Buddhismus symbolisiert die „Drei“ verschiedene Dreiergruppen, so wie die Drei Juwelen des Buddha, seine Dharmalehren und die Sangha-Gemeinschaft von Mönchen, oder die damit zusammenhängende Unterteilung der buddhistischen Schriften in Sutren, Sastras und Vinaya, oder die Cheon-Ji-In-Dreifaltigkeit, die Dreifaltigkeit von Himmel, Erde und Menschheit, die der gesamten nordostasiatischen religiösen Kultur zugrundeliegt.

Die Pagode Seokgatap wurde 1977 für eine Restaurierung in ihre Einzelteile zerlegt. Zur damaligen Zeit fand man darin eine Sammlung von wertvollen Schätzen, einschließlich eines Reliquiensets für Sarira-Kristalle und eine Papierrolle der „Wahren Worte der Reinen und Makellosen Lichtschrift“. Gelehrte datierten die Entstehungszeit der Sutra auf die Jahre zwischen 706 und 751, sodass es sich bei ihr um die weltweit älteste, mit Holzschnitt gedruckte Publikation handelt.

Die Pagoden Dabotap und Seokgatap sind ein symbolischer Ausdruck der buddhistischen Doktrin. Die ideologische Untermauerung der Pagoden soll auf den äußerst wichtigen Lotus- und Blumengirlandensutren basieren, Schriften, die betonen, dass sich fühlende Wesen, die in ihrem Leben auf Erden Qualen durchlaufen, spirituell und körperlich weiterentwickeln müssen, um eine auf Erleuchtung basierende Befreiung zu erreichen. Der markante Standort der Pagoden im Zentrum des Tempels Bulguksa zeigt, dass die Koreaner des achten Jahrhunderts diese buddhistischen Lehren sehr schätzten.

Von David A. Mason
Professor für koreanischen Kulturtourismus an der Nam-Seoul University
Übersetzung: Gesine Stoyke

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[Der Korea-Zweig der Royal Asiatic Society, der im Jahr 1900 gegründet wurde, ist ein Zusammenschluss von Menschen, sowohl von Koreanern als auch Nichtkoreanern, die ihr Wissen über Leben, Kultur und Geschichte Koreas vertiefen und ihre Kenntnisse mit anderen in englischer Sprache teilen möchten. Website: http://www.raskb.com/]