Der folgende Kolumnenbeitrag wurde von Nam Sanggu, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Northeast Asian History Foundation in Seoul, verfasst und am 28. Juni 2020 von der Asia Times veröffentlicht. Korea.net hat die Erlaubnis des Autors erhalten, seinen Artikel zu veröffentlichen.
Von Nam Sanggu
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Northeast Asian History Foundation
Was die japanische Regierung versprochen hat
Am 5. Juli 2015 wurden die 23 Standorte der japanischen Meiji-Industrierevolution im Zusammenhang mit Eisen, Stahl, Schiffbau und Kohlebergbau vom Welterbekomitee (WHC) der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Zu dieser Zeit empfahl das WHC Japan, eine "Interpretationsstrategie" auszuarbeiten, um ein Verständnis der gesamten Geschichte jedes Standorts zu ermöglichen. Tokio akzeptierte diesen Rat und versprach, Maßnahmen zu ergreifen, um deutlich zu machen, dass eine große Anzahl von Koreanern und anderen Ausländern gegen ihren Willen mobilisiert und gezwungen wurde, unter harten Bedingungen zu arbeiten. Die Geschichte, die die japanische Regierung anerkannt hat, ist nichts Neues, da dieses Material sogar in Lehrbüchern für Grund-, Mittel- und Oberschüler in Japan enthalten ist.
Ein Schild erklärt lediglich grundlegende historische Fakten der Hashima Kohlemine, einem der japanischen Standorte der Meiji Industrial Revolution. ⓒ Nam Sanggu
Tokio bricht Versprechen, versucht Geschichte zu tünchen
In den fünf Jahren seit ihrem Versprechen hat die japanische Regierung ihr Versprechen jedoch nicht eingehalten. Besucher jeder der 23 Meiji-Standorte finden dasselbe Hinweisschild, auf dem nichts von Japans Mobilisierung von Zwangsarbeitern erwähnt wird. Japan akzeptierte die Welle der industriellen Revolution aus dem Westen, um den Grundstein für den Eintritt in die Modernisierung zu legen, und berichtete stolz von seinem Erfolg, das einzige nicht-westliche Land zu sein, das eine Industrialisierung von Weltklasse erreicht hat.
Die Industrialisierung Japans ist jedoch eng mit den vergangenen Kriegsagressionen des Landes verbunden. Infolge seiner Industrialisierung verwendete Japan seine Schiffbautechnologie, um Schlachtschiffe und Know-how für die Eisen- und Stahlherstellung zur Herstellung von Kanonen herzustellen, und verwendete Kohle als Brennstoff. Am Ende nutzte Japan all diese Ressourcen, um in viele asiatische Länder einzudringen. Die japanische Regierung kündigte 1955 eine Erklärung des Premierministers an, in der sie sich für Japans Aggression entschuldigte und darüber reflektierte, dass sie vielen Menschen in asiatischen Ländern Schaden zufügt hatte. Der amtierende japanische Premierminister Shinzo Abe sagte auch, er werde diese Erklärung fortsetzen. Nachdem die 23 Meiji-Industriestandorte zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden waren, änderte Japan seine Haltung gegenüber der Geschichte schleichend von Reue über seine früheren Verfehlungen zu Stolz.
Mitte Juni dieses Jahres eröffnete die japanische Regierung das Informationszentrum für industrielles Erbe. Die Ausstellung des Zentrums zeigt nichts darüber, wie Japan Arbeiter aus Korea, China und anderen Ländern und alliierte Kriegsgefangene aus Südostasien mobilisierte und sie zwang, unter rauen Bedingungen wie Hunger in Kohlengruben zu arbeiten. Das Zentrum zeigt nur die Zeugnisse der Bewohner der Inseln Hashima, die jegliche Diskriminierung solcher Arbeiter bestritten haben.
Ein von Jikkyo Syuppan veröffentlichtes Highschool-Lehrbuch zur Geschichte Japans erklärt die Zwangsmobilisierung ausländischer Arbeitskräfte durch die Nation. ⓒ Northeast Asian History Foundation
Globale Gleichgültigkeit spornt Japan an
Hat das Fehlen einer Überprüfung historischer Fakten letztendlich dazu geführt, dass Japan sein 2015 gegebenes Versprechen gebrochen hat? Oder war es nicht möglich, Zeitzeugen zu finden, die über ihre Erfahrungen sprechen konnten? Doch die Fakten kann man in japanischen Schulbüchern finden. Zeugenaussagen wurden veröffentlicht, und die Opfer haben Klage gegen japanische Unternehmen eingereicht. Diese Informationen sind daher leicht zu finden, sofern man nach ihnen sucht. Warum hat Japan also sein Wort gebrochen? Die 21 Mitgliedsländer des WHC haben im Jahr 2015 alle auf Japans Verhalten geachtet. Fünf Jahre später scheinen sie sich jedoch nicht mehr für das Thema zu interessieren. Diese Gleichgültigkeit ermöglichte es Japan, sein Verhalten zu ändern.
Ein gebrochenes Versprechen stellt die UNESCO vor eine Herausforderung
Die UNESCO wurde gegründet, um über die durch die beiden Weltkriege verursachten Verwüstungen nachzudenken und eine Wiederholung zu verhindern. Das System des Welterbes wurde eingerichtet, um das Erbe universeller Werte als gemeinsames Gut der Menschheit zu bewahren. Da Japans Industrieanlagen zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, können sie nicht zu Werkzeugen für die Verschönerung der japanischen Geschichte werden. Dies stellt die Bedeutung der Existenz der UNESCO infrage.
Notwendigkeit der historischen Fakten und der gemeinsamen Erinnerungen
Die beste Waffe gegen Japans Herausforderung ist es, auf historische Fakten zu hören. Auch die Geschichte des industriellen Erbes Japans muss gemeinsam geschrieben und in Erinnerung gehalten werden. Wenn die japanische Regierung ihr Wort nicht hält, müssen wir sie dazu bringen. Dies ist das Recht und die Verantwortung von uns allen.
Nam studierte an der Chiba Universität in Japan und erhielt im Jahr 2005 seinen PhD für seine Forschungen zur Erinnerung Japans an Kriegsopfer. Seit 2007 forscht er an der Northeast Asian History Foundation in Seoul zu historischen Konflikten und Versöhnungen in Nordostasien.
Übersetzung von Elena Kubitzki