Die deutsche Schriftstellerin Jenny Erpenbeck wurde als Hauptpreisträgerin des 5. Lee-Hochul-Literaturpreis für den Frieden gekürt.
Von
Min Yea-Ji | Fotos:
Kim Sunjoo
Die deutsche Schriftstellerin Jenny Erpenbeck, die ihr Schreiben mit dem Nachdenken über die nationale Trennung begonnen hat, wurde als Hauptpreisträgerin des 5. Lee-Hochul-Literaturpreis für den Frieden ausgewählt.
Der verstorbene Schriftsteller Lee Hochul (1932-2016) schrieb sein ganzes Leben lang Werke über Teilung und Vereinigung. Seine Werke spiegeln sein Leben wider, in dem er die Schmerzen des Koreakrieges und der Teilung des Landes ertragen musste.
Es wird oft bewertet, die Stärke Erpenbecks Schreiben liege vor allem im Sinne der kritischen Ausgewogenheit, die aus ihrer eigenen Erfahrung sowohl des Sozialismus als auch Kapitalismus kommt. Zu ihren Hauptwerken zählen „Alle Tage Abend (2012)“ und „Heimsuchung (2008)“.
Die Veranstaltung zur Preisverleihung fand am 25. November im Pressezentrum in Seoul statt.
In ihrer Dankesrede sagte die Autorin: „Es ist mir eine große Freude, bei dieser Gelegenheit mit dem Werk von Lee Hochul bekannt geworden zu sein und dadurch einen tiefen und berührenden Eindruck von der schwierigen, wechselvollen Geschichte Koreas bekommen zu haben.“
„Auf der Hand liegt, dass die Erfahrung, in einem geteilten Land zu leben, Lee Hochuls Schreiben ebenso wie mein eigenes geprägt hat“, betonte sie.
Die Schriftstellerin Erpenbeck brachte ihr Mitgefühl mit Koreanern zum Ausdruck: „Mit einer Grenze zu leben, auf deren anderer Seite man Großeltern, vielleicht sogar Eltern, Geschwister oder auch Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen weiß, deren Alltag von eigenem Alltag unverhofft getrennt wurde, lässt einen über den Sinn von Grenzen ganz anders nachdenken. Eine Grenze, die willkürlich quer durch Familien, quer durch Sprache, quer durch die eigene Kultur gezogen wurde, gibt einem ein Gefühl dafür, wie sehr politische Entscheidungen oft in individuelle Lebensläufe eingreifen.“
Sie fuhr weiter fort, dass sich nach der deutschen Wiedervereinigung Menschen, die sich nacheinander gesehnt hatten, wieder begegneten und ihr tägliches Leben wieder Normalität eingekehrt ist. Gleichzeitig waren viele in Deutschland überrascht, da etwa 40 Jahre lang vieles geändert wurde. Dabei gab sie Ratschläge, wenn Korea eines Tages wiedervereint werden soll, sollte keine Seite arrogant sein und beide Seiten versuchen, den anderen mit einer gleichen Haltung zu verstehen.
„Zu keiner Zeit meines Lebens habe ich es für selbstverständlich gehalten, abends im Frieden zu Bett gehen und morgens im Frieden aufzuwachen” sagte sie und fügte hinzu: „Es ist einfach so: Mir sitzen die Kriege, die meine Urgroßeltern, meine Großeltern und meine Eltern erlebt haben, noch in den Knochen.“
Abschließend sagte sie: „Identität stiften, einen Zusammenhang herstellen, der über das individuelle Schicksal hinausgeht, und damit die Einsamkeit des Betroffenen aufheben – das kann man schreibend versuchen.“
Das Jurymitglied Kim Nam-il sagte über das Werk von Erpenbeck „Alle Tagen Abend“: „Brauchtum und Gesetz, Gewalt und Krieg, Exil und Völkermord – es ist sehr offensichtlich, dass das ernsthafte Interesse und die Zuneigung, die die Autorin gegenüber denen, die die unerträgliche Erzählung ertragen haben, dem Wert entsprechen, den der Literaturpreis verfolgt.“
Der Lee-Hochul-Literaturpreis für den Frieden wurde vom Seouler Stadtteil Eunpyeong-gu ins Leben gerufen, um an die literarischen Aktivitäten sowie den Geist des verstorbenen Autors Lee Hochul zu erinnern. Seit 2017 wurden jährlich Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit dem Preis ausgezeichnet.
Die deutsche Schriftstellerin Jenny Erpenbeck (zweite von links) ist als Hauptpreisträgerin des 5. Lee-Hochul-Literaturpreis für den Frieden ausgewählt.
jesimin@korea.kr