Park Hyoung-su signiert Bücher
Diese verträumte Einstellung steht in einem krassen Kontrast zu der alltäglichen Gewalt, der die Frauen um Leo ausgesetzt sind und die explizit bis ins kleinste Detail auserzählt wird. Kein Wunder also, dass Ploy von Leos Schwärmerei wenig angetan ist: „Wenn er wirklich mein Ehemann war, hätte er mich da rausholen müssen, bevor ich im Alter von neun Jahren in einer schmutzigen Toilette von den älteren Halbbrüdern vergewaltigt wurde."
Die erbärmlichen Umstände, unter denen diese Frauen leben, gepaart mit einem apathisch wirkenden Fatalismus, aber auch einem trotz allem anhaltenden Lebenswillen, machen aus „Nana im Morgengrauen“ eine oft schwer erträgliche Lektüre. Die verstörendste Figur ist eine, die gar nicht so sehr zu leiden scheint: Die junge Lissa, die den Beinamen „die Glückliche“ trägt und schon seit frühester Kindheit davon geträumt hat, Sexarbeiterin zu werden. Lissa liebt ihren Job und vergisst häufig sogar, sich bezahlen zu lassen: „In Wahrheit war Lissa gar kein besonderer Fall. Es war nicht so, dass die Prostituierten in Sukhumvit ihren Job mit irgendeiner großartigen Haltung ausübten. Meistens waren sie wider Erwarten völlig naiv, obwohl sie meisterlich logen, und genossen den Sex einfach. […] Für Lissa war die Prostitution ein Vergnügen.“
Das ist eine (nicht nur in Anbetracht der bedrückenden Armut der Protagonistinnen) derart unfassbare Aussage, dass man sie sofort noch einmal lesen muss, um sich zu vergewissern, dass man sich nicht verlesen hat. Hat man nicht: Tatsächlich kommen vergleichbare Romantisierungen in beinahe jedem Kapitel des Romans vor.
Auch wenn Park Hyoung-su im Laufe der Lesung erzählt, dass er für seinen Roman zwei Jahre lang Thailändisch gelernt, vor Ort recherchiert und mit vielen Sexarbeiterinnen in Sukhumvit Interviews geführt habe, und auch wenn Passagen wie die oben zitierte häufig wie ein Versuch von comic relief in einem sehr langen, sehr düsteren Text wirken – sie hinterlassen einen doch sprachlos ob der inhärenten Gewalt, mit der hier einer Frau zugeschrieben wird, sie würde es genießen, in einem Slum ohne funktionierende Kanalisation zu leben und ihren Körper zum Minimalpreis zu verkaufen.