Der Mönch Tannu empfängt seine Gäste in diesem Teeraum. Man kann hier sehr teure und spezielle Teesorten kosten. Weil die Gäste sehr oft und viel Tee bekommen, sprechen einige Leute scherzhaft von einer Wasserfolter (mul-go-mun).
Doch ich möchte Ihnen zwei Mönche aus Indien vorstellen, die seit zwei Jahren in einem Kloster in Südkorea wohnen, Tannu aus Ladakh (30) an der Grenze zu Tibet und Tenzin aus Sikkim (24), dem ehemaligen unabhängigen Königreich, das zwischen Nepal und Bhutan liegt und seit den 1970er Jahren zu Indien gehört. Beide wurden von dem Mönch Sa-ra Seunim nach Südkorea eingeladen. Die Umstellung fiel ihnen nicht sehr leicht. Koreanisches Essen ist sehr scharf, wegen der Fermentation sauer und vegetarisch. Mönche aus den hohen Gebirgslagen wie Ladakh und Tibet essen Fleisch, also fühlten sie sich ständig hungrig und schlichen in der Nacht unerlaubterweise in die Klosterküche und kochten sich Fertignudelgerichte. Nach einigen Monaten hatten sie plötzlich Pickel im Gesicht, Fertignudeln (Ramen oder Ramyeon auf Koreanisch) sind eben keine Nahrungsmittel, die man über einen längeren Zeitraum essen sollte. Der Tagesablauf in einem Kloster in Indien unterscheidet sich sehr stark von dem in Südkorea. In Ladakh gibt es sehr viele Rituale, die in Haushalten in den umliegenden Dörfern durchgeführt werden. Das bringt Abwechslung und auch ein gutes Essen. In dem Kloster in Südkorea, das noch dazu sehr abgeschieden war, herrschte eine große Stille, sie hatten kaum etwas zu tun, außer Koreanisch zu lernen. Der Mönch Mu-si Seunim, den sie in Indien kennengelernt haben und der sie nach Südkorea mitnahm, hatte Verständnis für ihre Situation, da er selbst jahrelang in Indien und Thailand verbracht hatte, und er war sogar froh darüber, dass ich mit den beiden etwas unternahm. Manchmal kochte meine Frau indische Fleischgerichte wie Tandoori Chicken, ein anderes Mal besuchten wir umliegende Städte oder hörten miteinander alte Hindilieder. Bei einem Besuch in einer größeren Stadt gestand mir Tannu: „Die Ausflüge mit den Mönchen sind so langweilig, wir besichtigen ständig Klöster. Wir wohnen doch in einem Kloster, das ist also nichts Besonderes. Dann fahren wir in die Berge, und sie zeigen uns Landschaften. In Indien wohnen wir auf dem Land in den Bergen und hier in Südkorea auch, wir wollen Städte sehen, etwas Neues, verstehst du?”
Nach einem halben Jahr verschwand Sa-ra Seunim plötzlich. Er hat sich von niemandem verabschiedet, nur dem Abt des Klosters kurz Bescheid gegeben, und seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört. Es wird vermutet, dass er in Indien oder China in einem Kloster studiert. Das ist für Mönche hier in Südkorea eigentlich nichts Ungewöhnliches. Der oben erwähnte Hyeon-cheong Suenim, ein guter Freund von mir, teilte mir drei Tage vor seinem Auszug mit, dass er das hiesige Kloster verlassen werde und für mindestens zwei Jahre in einem anderen Kloster studieren werde. Für Tannu und Tenzin hatte das große Konsequenzen, weil der Mönch, der nun für sie verantwortlich war, Mu-si Seunim, strikt den Regeln folgte und die beiden den Tempel bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr allein verlassen durften. Inzwischen ist dieser Mönch jedoch auch Geschichte, und die beiden Mönche haben sich eingelebt, sprechen schon ganz passables Koreanisch, lernen buddhistische Chants und sind mehr in das Klosterleben eingebunden.