Kultur

24.12.2014

Korea.net in 11 Sprachen
Eine Frau auf der Terrasse hat die Aufmerksamkeit der Dichterin erregt.

Die Frau „raucht eine Zigarette, hält sie zwischen ihren Fingern mit den langen Nägeln, die Augen eingefallen.”

Die Dichterin porträtiert die Einsamkeit, die Aufs und Abs und die Leere ihres Charakters, während sie sagt: „Ich habe sie niemals getroffen, aber sie sah vertraut aus – allgegenwärtig!“

Das obenstehende Gedicht mit dem Titel „Woman on the Terrace“ (,Frau auf der Terrasse‘) ist Teil einer gleichnamigen Gedichtsammlung, die 2007 von White Pine Press herausgebracht wurde. Dieses Buch enthält die englische Version des Gedichts mit dem selben Namen von Moon Chung-hee, das erstmalig 2004 veröffentlicht wurde.

화이트 파인 출판사에서 2007년 발간한 ‘양귀비꽃 머리에 꽂고 (Woman on the Terrace)’

„Woman on the Terrace” wurde 2007 bei White Pine Press veröffentlicht.


Die koreanische Version des Buches beinhaltet vier Teile, während die englische Version aus fünf Teilen besteht. Im ersten Abschnitt des Buches blickt Moon auf ihr Leben und die verschiedenen Emotionen zurück, die sie gefühlt hat, wie Freude, Trauer, Vergnügen und Lamentieren. Dazu gehören „Once Again to My Naked Body“ (,Noch einmal an meinen nackten Körper‘), „This Autumn Day“ (,Dieser Herbsttag‘) und „Detour” (,Umweg‘). Moons Sichtweise auf ihre eigene Person kommt besonders gut in „Once Again to My Naked Body“ zum Ausdruck.

Die Dichterin sagt darin: „Du hast mich so viele Male verraten… Bleib trotzdem nackt.” Sie schreibt: „Verbring Zeit im Bett mit einer Mohnblume im Haar, anstatt hinter deinem Schreibtisch“, während sie hofft, dass die Jugend und Schönheit des nackten Körpers länger währen können.

Laut Moon symbolisiert der im Gedicht erwähnte Klatschmohn die Schönheit und Üppigkeit von sowohl Yang Huifei (719-756), einer der Vier Schönheiten des alten China, als auch von Mohnblumen, die auf dem Feld zu voller Blüte gelangen.

Wenn ich meine morgendliche Dusche nehme,
spreche ich mit meinem nackten Körper:
Folge mir nicht.
Ich bin eine Dichterin,
aber du musst keine sein.
Gestern bin ich drei Jahre gealtert.
Plötzlich ist es passiert -
Ich bin ein hundertjähriger Fuchs.

Oh, mein nackter Körper! Ich bete, dass du jeden Tag drei Jahre jünger wirst.

Im zweiten Teil der Gedichtsammlung sind Gedichte wie „Song for Soldiers“ (,Lied für Soldaten‘) und „Letter from the Airport“ (,Brief vom Flughafen‘) enthalten. „Song for Soldiers“ erhielt viel Aufmerksamkeit, als es bei einer Lesung für koreanische Dichter/innen vorgestellt wurde, die an der U.C. Berkeley zum Thema der modernen koreanischen Geschichte in den vergangenen 100 Jahren stattfand. „In dem Gedicht geht es darum, wie Koreas besonderer Hintergrund als geteiltes Land das Leben von Individuen beeinflussen kann, indem er Wunden hinterlässt und ihre Leben verändert, anstatt lediglich eine nationale Tragödie zu bleiben”, so Moon. Sie erinnert sich an die Lesung mit den Worten: „Dieses Gedicht, das Koreas besonderen Hintergrund berücksichtigt, hat viel Aufsehen beim dortigen Publikum erregt.“

Die folgende Passage ist ein Auszug aus dem Gedicht „Song for Soldiers”.

Vielleicht wissen Sie das nicht,
aber jede Frau in diesem Land
hat sich einmal in einen Soldaten verliebt.
All die jungen Männer dieses Landes
sind einmal in Uniform an die DMZ gegangen
und haben Waffen gegen ihre Brüder im Norden gerichtet,
sie haben das intensive Verlangen und die bittersüße Agonie des Lebens kennengelernt.

Im dritten und vierten Teil der Sammlung sind 36 Gedichte enthalten, darunter „Forgive Me, Daughter“ (,Vergib mir, Tochter‘) und „Love from the Ground” (,Liebe vom Boden‘). In „Forgive Me, Daughter“ bringt Moon ihre kritische Haltung gegenüber der koreanischen Geschichte zum Ausdruck und denkt über die weiblichen Opfer nach, die während der japanischen Kolonialzeit in die Zwangsprostitution gedrängt wurden und die sich heute jeden Mittwoch vor der japanischen Botschaft in Seoul zu Protestaktionen versammeln. In „Love from the Ground” erzählt sie eine Liebesgeschichte, die vom Fund der 350-jährigen Mumie eines in Seide gewickelten Kindes, das auf einem Friedhof ausgegraben wurde, inspiriert ist.

Der fünfte Teil der Sammlung findet sich nur in der englischen Version des Buches. In diesem Teil sind zwölf Gedichte wie „Putting on Makeup“ (,Make-up auflegen‘) enthalten. Alle Gedichte in diesem Abschnitt wurden von der Dichterin persönlich ausgewählt.

문정희 시인

Dichterin Moon Chung-hee


Moon wurde 1947 in Boseong, Jeollanam-do (Provinz Süd-Jeolla), geboren. Sie machte ihren Abschluss an der Dongguk University, wo sie auch ihren Master ablegte und noch heute Honorarprofessorin ist. Gegenwärtig ist sie Leiterin der Gesellschaft koreanischer Dichter/innen, und kürzlich hat sie ihre zwölfte Gedichtsammlung veröffentlicht.

„Woman on the Terrace” wurde gemeinsam von Kim Seong-kon, dem derzeitigen Präsidenten des Übersetzungsinstituts für koreanische Literatur (KLTI), und Alec Gordon, einem britischen Dichter, ins Englische übertragen. Kim übersetzte Hwang Tong-kyus „Strong Winds at Mishi Pass“ (,Starke Winde am Mishi-Pass‘) und eine Sammlung von Gedichten von 50 koreanischen Dichtern und Dichterinnen. Gordon ist Poet, Übersetzer und Professor und unterrichtet Kulturwissenschaften, Sprache, Literaturwissenschaften und Soziologie an Universitäten in Korea, Frankreich, Belgien und Ungarn.

Für ihre Bücher – „Woman on the Terrace” und „Wildflower” (,Wildblume‘), das 2004 von Hawks Publishing herausgebracht wurde, erhielt Moon 2010 von der Harry-Martinson-Stiftung in Schweden den Cikada-Preis.

Werke Moons wie „Woman on the Terrace“, „I Must be the Wind” (,Ich muss wohl der Wind sein‘), „Too Young Love” (,Zu junge Liebe‘) und „I am Moon” (,Ich bin Moon‘) wurden in englischer, französischer, deutscher, spanischer, indonesischer, schwedischer, albanischer und hebräischer Sprache veröffentlicht.

(Hinweis: Bei den deutschen Übersetzungen der englischen Titel und Textpassagen handelt es sich um keine offiziellen Übersetzungen.)

Von Yoon Sojung
Redakteur, Korea.net
Quellen: Übersetzungsinstitut für koreanische Literatur, Moon Chung-hee
arete@korea.kr
Übersetzung: Gesine Stoyke