Ehrenberichterstatter

09.08.2021

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Die südkoreanische Künstlerin Hyelim Cha steht neben einem der Gemälde der Installation, tango rule of prime number.


Von Korea.net-Ehrenberichterstatterin Bianca Kuchenbrod aus Deutschland | Fotos: Bianca Kuchenbrod

Berlin | Nach einem Jahr Wartezeit aufgrund der Coronasituation wurde die Ausstellung „Celebes“ der koreanischen Künstlerin Hyelim Cha endlich vom 20. Mai 2021 bis 26. Juni 2021 eröffnet. Zu Beginn nur virtuell besuchbar, war es ab dem 7. Juni 2021 möglich, ihre Kunstwerke in der gallery damdam im zweiten Stock des Koreanischen Kulturzentrums in Berlin zu sehen. Für die Fertigstellung der Ausstellung hat die Künstlerin geschätzt sechs Monate gebraucht, weswegen man sie unbedingt persönlich sehen sollte, zusätzlich zu der Tatsache, dass der Raum ein wichtiger Aspekt von Hyelim Chas Ausstellungen ist.

Aber lasst uns von vorne anfangen. „Celebes“ ist eine sehr faszinierende Ausstellung, welche viele Bedeutungsebenen mitbringt, die von den Besuchern erforscht werden können. Bereits der Titel hat eine Doppelbedeutung: Einerseits ist Celebes der ehemalige Name einer indonesischen Insel, die heute Sulawesi heißt. Auf der anderen Seite ist „Der Elefant von Celebes“ auch der Name eines Gemäldes des deutschen Malers Max Ernst, welches wie ein metallischer Elefant von hinten aussieht.

Wir haben also gleich von Beginn an mehrere Bedeutungsebenen in der Ausstellung, die mit Freude erforscht werden können. Wenn wir der indonesischen Verbindung folgen, dann gibt es da einen Mythos, der „Hainuwele“ heißt. Dieser erzählt vom Jungen Ameta, der eine Kokosnuss findet, die er einpflanzt. Sie wächst in Kürze zu einer Palme heran und während Ameta versucht, die Blumen zu ernten, schneidet er sich und Blut tropft auf die Blume. Ein paar Tage später findet er ein Mädchen anstelle der Blume, welches er Hainuwele nennt und welches als Spezialtalent Wertgegenstände von sich gibt. Als Hainuwele in ein anderes Dorf für ein Tanzritual geht und sie den Dorfbewohnern von ihrem Talent erzählt, beschließen diese, Hainuwele umzubringen. Sobald Ameta erfährt was passiert ist, schneidet er sie in Stücke und begräbt sie. Daraus erwachsen neue essbare Früchte. Die Geschichte erinnert an ein ähnliches koreanisches Volksmärchen: „Der Holzfäller und die Himmelsfee“. Offensichtlich gibt es auch im Deutschen ein ähnliches Volksmärchen, dabei handelt es sich vermutlich um „Der Jäger und die Schwanenjungfrau“, obwohl es im Gegensatz zu seinen asiatischen Verwandten ein Happy End hat. Dieses Märchen spielt eine Rolle beim Ausstellungsstück „Baum der Welt“. Dieser hat acht fünfeckige Stücke aus Zement, die mit goldenen Fäden umwickelt sind, sodass sie wie ein Baumstamm aussehen. Darüber befindet sich ein palmenartiges Kopfstück. Die verschiedenen Teile symbolisieren neun Welten und der Baum verbindet das Universum, die Erde und die Unterwelt. Hinter dem Mythos verbirgt sich das Konzept, dass ein Tabu gebrochen werden muss, um in eine neue Welt zu gelangen. Vielleicht müssen auch wir beim Besuch der Ausstellung die Tabus unserer Vergangenheit brechen, um eine neue Verständnisebene zu erreichen.

Arrangement der verschiedenen Ausstellungsstücke im Raum.



Die zweite Lesart des Ausstellungstitels führt uns zur Verbindung nach Berlin. Hyelim Cha war für ein Jahr ab 2019 Teilnehmerin des internationalen Atelierprogrammes des Künstlerhauses Bethanien, welches vom Arts Council Korea unterstützt wird. In dieser Zeit konnte sie recherchieren und Materialien in und über Berlin sammeln. Die Unterwelt und Geschichte Berlins ist eines der Hauptthemen, die der Ausstellung zugrunde liegen. Kommen wir zu Max Ernsts „Celebes“ zurück: Die große Masse der verschiedenen, nicht miteinander verbundenen Objekte erinnerT die Künstlerin an Bierkeller in Berlin, die im Zweiten Weltkrieg mit Zement aufgefüllt wurden und zu Bunkern umfunktioniert wurden. Das führt uns auch gleich zu einem der zentralen Ausstellungsstücke, anhand dessen man die Inspiration in der Konstruktion des Ausstellungsstückes sehen kann. Vom Exponat hängt ein langer Schlauch herunter, genau wie im Gemälde „Der Elefant von Celebes“. Als ich Hyelim Cha am Samstag, den 29. Mai 2021 in Berlin getroffen habe, erzählte sie mir: „Dieses Werk heißt Metallurgie. Metallurgie bedeutet die Methode oder Technik der Gewinnung von Metall aus Erz.“ […] „Ich habe sie vom Industriegüterladen in Berlin gesammelt und sie innen mit Papier ausgekleidet. Innen werden verschiedene Objekte kombiniert und die Lücke dazwischen mit leichten Materialien wie Pappmaché gefüllt.“ Und es gibt noch eine zweite Verbindung zu Berlin: Diese Installation wurde von einem Ort in Berlin namens Teufelsberg inspiriert. Dabei handelt es sich um einen Trümmerberg der als Spionageanlage während des Kalten Krieges benutzt wurde. Heute handelt es sich dabei im Prinzip um die größte Straßenkunstgallerie der Welt, in der Künstler ihre Kunst an die Wände malen können. Obwohl ich es versucht habe, konnte ich den Teufelsberg leider nicht besuchen, um mir selbst ein Bild von dem Ort zu machen. Eine weitere Idee der Ausstellung ist, dass Reste der historischen Unterwelt unsere gegenwärtige und zukünftige Geschichte beeinflussen werden. Das Konzept ist ähnlich einem „Palimpsest“, einem antiken oder mittelalterlichen Dokument, bei dem der Text nach Gebrauch wieder abgewaschen oder abgeschabt wurde, damit man es später neu beschreiben konnte. Daraus wiederum ergibt sich, dass Reste der Vergangenheit bis in die gegenwärtige und zukünftige Geschichte Einfluss ausüben.

Schaut man sich den Flyer der Ausstellung an, dann gibt es noch ein weiteres Element, was Aufmerksamkeit erregt. Der Flyer hat fünf große X darauf. In der Ausstellung gibt es verschiedene Ausstellungsstücke, manche sind der Mixed Media zuzuordnen und andere sind Gemälde. Im Vergleich zu Gemälden in Museen jedoch benutzt Hyelim Cha besondere Installationen, um ihr Gemälde auszustellen. Während unserer Begegnung sagte mir die Künstlerin dazu: „Dieses Werk ist aus meiner Neugier auf die Form und den Klangmechanismus eines Bandoneon bei meiner ersten Begegnung damit entstanden. Das Bandoneon wurde zuerst in Deutschland hergestellt and ist ein […] Instrument, das man mit dem ganzen Körper spielt.“ Das Instrument, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte, gehört zu den Harmonikainstrumenten. Daher ähnelt das „XXXXX“ auf dem Flyer der Form des Bandoneons. Die Installationen haben verschiedene Größen, manchmal ist der Rahmen viel größer als das Gemälde, was zeigt, dass die Künstlerin großen Wert auf den bandoneonartigen Rahmen legt. Eine Reihe von Ölgemälden der Ausstellung mit dem Titel „Tango_rule of prime number“ zeigt unter anderem Paare, die Tango tanzen. Hier, wie Hyelim Cha in einem Vorstellungsvideo der Ausstellung für das Koreanische Kulturzentrum erklärt, war es die Begegnung mit dem Instrument, das sie inspiriert hat. Außerdem ist Tango ein Tanz, der vollen Körpereinsatz verlangt, und in der Tangomusik ist das Bandoneon ein sehr beliebtes Instrument. In dem Video verglich die Künstlerin das Auseinanderziehen und Zusammendrücken des Bandoneons mit den Bewegungen des Künstlers und der Künstlerin die ihre Geschichte sowie die Lücken dazwischen harmonisieren. Zudem drücken die verschiedenen Größen der Bilder und Rahmen verschiedene Rhythmen aus. Über die Musik sagte sie mir: „Im Fall von Tango, Tango ist eine leidenschaftliche Musik mit Augenblicken tiefer Stille von Note zu Note.“ Die Künstlerin erklärte mir weiterhin „Ich interessiere mich für leeren Raum“. Der Raum spielt also eine wichtige Rolle in der Ausstellung und nichts ist dem Zufall überlassen. Weitere Einflüsse auf ihr Werk haben Buddhismus, Yoga, Science-Fiction Filme, Gedichte und viele mehr. Es ist wirklich interessant so viele Interpretationsebenen für eine einzelne Ausstellung zu sehen.

Auf der Frage danach, wie sie die Ausstellung geplant hat, sagte sie: „Ich versuche den Raum zu arrangieren, als ob ich schreiben würde.“ Also ergeben die verschiedenen Elemente der Ausstellung eine große Geschichte, die die Besucher lesen und interpretieren können. Das Tolle daran ist, dass der Besucher auch ein Element der Ausstellung ist, wie mir Hyelim Cha erzählte. „Es gibt eine mathematische Gleichung, die ich in meiner Ausstellung erkläre: „eiπ + 1 = 0“. „Sie sind wie Zahlen, sie haben innerhalb dieser Formal keinerlei Verbindung zueinander, jede steht für sich, aber wenn sie zusammenkommen und man noch eins hinzurechnet, ergeben sie Null. Aber Null heißt nicht nichts, sondern es bedeutet so viel wie erweitert oder Unendlichkeit. Es wird größer. Ich denke, die Zahl eins ist der Besucher in meiner Ausstellung. Ich versuche also nicht mit aller Kraft, ihnen eine Botschaft zu geben, die ich vermitteln möchte, aber wenn sie kommen, dann werden sie Teil der Ausstellung und dann werden sie ihre eigene Geschichte basierend auf meiner Geschichte entwickeln und das ist es, was ich möchte.“




Mixed Media Installation Metallurgie.



Was mir am meisten Spaß gemacht hat, ist, dass es versteckte „Ostereier“ in dieser Ausstellung gibt. Eines davon ist der Aufseher, ein relativ kleines Gemälde, was in der Nähe des Metallurgie Ausstellungsstückes steht. Es zeigt einen Mann mit einem Laptop, der von einem Handtuch bedeckt ist. Er kontrolliert quasi die Szene von hinter der Bühne aus. „Ich bin auf dieses Bild gestoßen, in dem jemand an seinem Laptop arbeitet, aber ich habe es genommen und als mein Ausstellungselement benutzt und ihm eine andere Rolle gegeben, so als ob er die gesamte Ausstellung kontrolliert. Es gibt mehrere Elemente, die als Hinweise in meiner Ausstellung funktionieren, wie die Pflanzen, der Spiegel und der Vogel. Zum Vogel sagte sie: „In der Mythlogie oder im Mythos gibt es jemanden, der kommt und einen verwirrt. Er ist wie ein Medium, das diese Welt mit der anderen verbindet.“ Der Vogel ist also ein wenig wie ein Symbol für die Künstlerin und die Rolle des Künstlers wird auch reflektiert. Der zuvor erwähnte „Baum der Welt“ symbolisiert ebenso die Rolle des Künstlers als Vermittler.

In der Zwischenzeit hatte Hyelim Cha eine weitere Ausstellung in Seoul im März 2021 mit dem Titel „Partitur für Spiralbewegung“. Hier war das Thema die übrig gebliebenen Objekte nach einem Besuch von Außerirdischen. Auf die Frage hin, was die Künstlerin nach ihrer Rückkehr nach Korea tun wird, sagte sie, sie werde direkt an ihrem nächsten Projekt arbeiten. In ihrer nächsten Arbeit behandelt sie eine Gemeinschaft, die Menschen hilft, freiwillig zu verschwinden. Es klingt nach einem sehr interessanten Projekt und ich bin gespannt zu sehen, wie die Künstlerin es interpretieren wird und wie viele Ebenen es diesmal zu entdecken geben wird.

Installation „Baum der Welt“.



jesimin@korea.kr

Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.

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