Dank Corona ist bargeldloses Bezahlen auf dem Vormarsch. ⓒ iclickart/Die unbefugte Verwendung dieses Fotos ist nach dem Urheberrechtsgesetz strengstens untersagt.
Von Korea.net-Ehrenberichterstatterin Melis Özgüc aus Deutschland
Was in manchen Ländern noch Zukunftsmusik ist, ist in anderen Ländern längst Alltagsrealität – eine fast bargeldlose Gesellschaft. Der Trend, bargeldlos zu bezahlen, ist nicht mehr aufzuhalten und die schwedische Bevölkerung macht es der ganzen Welt vor. Über 80 % der Einwohner sollen inzwischen nur noch mit der Karte zahlen, sodass spätestens im März 2023 eine endgültige Abschaffung erwartet wird.
In vielen Ländern hat sich dieser Entwicklungsprozess spätestens mit dem Coronavirus noch einmal beschleunigt. Eine repräsentative ING-Umfrage in 13 europäischen Ländern zeigte, dass immer weniger mit Bargeld bezahlt wurde.
Die Furcht, sich mit dem Virus anzustecken, war groß genug, um das Zahlungsverhalten der Verbraucher in einem Ausmaß zu verändern, das eine Generation, also rund 15 Jahre, gedauert hätte.
Ich möchte einen Blick auf die südkoreanische und deutsche Gesellschaft werfen, die in ihrer Einstellung zum Thema „Bargeld und digitale Zahlungsmethoden“ nicht unterschiedlicher sein könnten. Inwieweit sie sich unterscheiden und was die Hintergründe sind, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Befindet sich Südkorea in einer Übergangsphase?
Südkorea ist offen für innovative Technologie und erfolgreich in ihrer Umsetzung. Unternehmen bieten zahlreiche digitale Zahlungsmethoden an, die von den Verbrauchern gerne genutzt werden. Denn die steigende Digitalisierung wird als ein Zeichen für Weiterentwicklung gesehen.
Dem Weltwirtschaftsforum zu Folge ist Südkorea das Land in Asien, in dem am meisten bargeldlos bezahlt wird. Während 2018 die Barzahlung 20 % des gesamten Zahlungsverkehrs ausgemacht hat, erreichte dieser Wert durch die Corona-Pandemie ein Rekordhoch. Die Barzahlung mache mittlerweile lediglich 14 % des gesamten Zahlungsverkehrs aus, weshalb Südkorea auf dem guten Wege sei, eine bargeldlose Gesellschaft zu werden.
Wird Bargeld in Südkorea langsam abgeschafft?
Die Zentralbank Bank of Korea hat bereits 2018 das „Coinless Society Project“ ins Leben gerufen, um stufenweise Münzen abzubauen.
Wenn der Kunde in Convenience Stores bar bezahlt, dann wird ein QR-Code gescannt, damit das Rückgeld durch eine mobile App auf das Bankkonto oder die Fahrkarte gutgeschrieben werden kann.
Zum einen soll niemand nerviges Kleingeld mehr mitschleppen müssen, zum anderen will die Zentralbank die hohen Herstellungskosten neuer Münzen senken, da sie den Wert der Münzen übersteigen.
In der Öffentlichkeit hielt sich das Interesse jedoch in Grenzen. Eine schwache Werbekampagne, verschiedene Regelungen sowie Systeme der Shops sollen eine einheitliche Lösung erschwert haben. In den Convenience Stores CU und GS25 konnte beispielsweise die Fahrkarte aufgeladen werden. In den Supermärkten Lotte Mart und Emart hingegen war nur eine Transaktion mit dem eigenen Kundenbonusprogramm möglich.
Die südkoreanische Regierung arbeitet aktuell an einem weiteren Pilotprojekt zur Einführung des digitalen Wons. Ab August 2021 bis Juni 2022 soll die digitale Zentralbankwährung in zwei Phasen getestet werden. Das Ziel ist, sich dem Rückgang der Bargeldtransaktionen anzupassen, mit der Möglichkeit, das digitale Geld mit Bargeld auswechseln zu können.
Die Bemühungen erwecken den Anschein, dass Bargeld Schritt für Schritt abgeschafft werden soll. Die Bank of Korea hat aber klargestellt, dass sie eine komplette Abschaffung nicht beabsichtigt, da besonders ältere Menschen darauf angewiesen sind.
Die beliebten Zahlungsarten in Südkorea
Die Mehrheit der Bevölkerung zahlt eindeutig mit der Karte und die Umfrage von Statista aus 2017 zeigt, aus welchen Gründen die Kartenzahlung bevorzugt wird:
ㅇ 43,7 % Geht schnell und ist ein einfacher Prozess
ㅇ 20 % Einfachere Handhabung
ㅇ 16,5 % Wegen Benefits: Steuernachlass, Rabatte
Damit die Menschen im Alltag vermehrt mit der Kreditkarte zahlen, ermöglicht der Staat seit 1999 eine Steuerrückerstattung bis zu 15 % und bei Debitkarten sogar bis zu 30 %. Hinzu kommt, dass die Kosten für Kreditkartenakzeptanz gesenkt wurden, sodass Kleinhändler die Kartenzahlung als Alternative anbieten können.
Mobile Payment findet in der koreanischen Gesellschaft ebenfalls einen großen Anklang. Eine Umfrage der Bank of Korea aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass 40 % der Befragten kaum mehr das Bedürfnis hatten, Bargeld mitzunehmen, weil Mobile-Payment-Plattformen eine bequeme Alternative seien.
Beim mobilen Bezahlen zahlt man direkt mit seinem Smartphone am Kassenterminal. ⓒ iclickart/Die unbefugte Verwendung dieses Fotos ist nach dem Urheberrechtsgesetz strengstens untersagt.
Seit 2019 kann man auch mit der Kryptowährung Paycoin, seine Einkäufe erledigen. Sie wurde von dem Fintech-Unternehmen Danal eingeführt und ist die erste virtuelle Währung in Südkorea, die als Zahlungsmittel genutzt werden kann.
Das Unternehmen hat sich mit bekannten Convenience Stores, Fast-Food-Ketten sowie der größten Kinokette CGV zusammengeschlossen und hat 1,5 Mio. User erreicht (Stand: Mai 2021).
Wie man sieht, passt sich der Einzelhandel der Trendentwicklung an und geht einen Schritt weiter. Das Unternehmen Starbucks Coffee Korea beispielsweise betreibt bargeldlose Stores und hat im Jahr 2019 die Anzahl auf 759 Filialen gesteigert.
Die Kosmetikkette Olive Young hingegen betreibt einige Filialen als „bargeldlose Geschäfte“, in denen Barzahlung grundsätzlich möglich ist. Den Kunden wird aber wärmstens empfohlen die kontaktlosen, also einfacheren Varianten zu nutzen.
Der deutsche Verbraucher bleibt dem Bargeld treu
„Nur Bares ist Wahres“ hört man gerne, wenn über die Abschaffung des Bargelds geredet wird. In Deutschland hat das Bargeld einen wichtigen Stellenwert und machte normalerweise 80 % der getätigten Zahlungen aus.
Corona-bedingt hat aber die Kartenzahlung auch hierzulande zugenommen. Die Bundesbank hat zwar klargestellt, dass die Gefahr, sich über Bargeld mit Corona anzustecken, sehr gering ist, dennoch besteht immer noch Angst vor einer Infektion.
Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen zufolge wurde diese Angst seitens der Kartenanbieter dafür ausgenutzt, die Menschen dazu zu bewegen, mehr mit der Karte zu bezahlen. Dabei gibt es während des Einkaufs genügend Gelegenheiten, sich anzustecken, bis man überhaupt an der Kasse steht. Ob bar oder mit Karte mache dann auch keinen Unterschied.
Der Transaktionsanteil des Bargelds ist zwar von 80 % auf 60 % gesunken, aber die Bundesbank geht davon aus, dass nach der Coronakrise wieder vermehrt mit Bargeld gezahlt wird. Eine Umfrage der Bundesbank zum Zahlungsverhalten in Deutschland zeigt, dass 50 % der Befragten anfingen kontaktlos zu zahlen, einfach nur wegen der Hinweisschilder an den Kassen. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov bestätigt ebenfalls, dass eine Abschaffung des Bargelds für 65 % der Teilnehmer unerwünscht ist.
Bargeld als Symbol für Wohlstand und Sicherheit
Ein Rückblick in die Vergangenheit verrät, warum Bargeld bis heute in Deutschland unverzichtbar ist. Auf die Aufbauphase nach dem 1. Weltkrieg folgte eine Hyperinflation. Das Geld war am Ende fast nichts mehr Wert und die Menschen verloren ihre ganzen Ersparnisse sowie das Vertrauen in das Banksystem.
Nach dem 2. Weltkrieg begann erneut eine Aufbauphase, die Deutsche Mark wurde in der Trizone eingeführt und die Menschen erlebten einen wirtschaftlichen Aufschwung. Viele erlangten einen gewissen Wohlstand und durch den Wunsch, wieder ein normales Leben zu führen, stieg der Konsum massiv an. Während im Westen die Deutsche Mark zum Symbol der ökonomischen Stärke wurde, konnten die Menschen aus der DDR erst nach dem Mauerfall an dem Wohlstand teilhaben.
Historische Ereignisse haben Angst und Unsicherheit geschürt, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Darauf wird die Gewohnheit zurückgeführt, zu Hause besonders viel Bargeld zu horten. Bargeld verliere zwar ihre Rolle als Zahlungsmittel, aber sei deshalb immer noch für viele ein sicheres Wertaufbewahrungsmittel.
Die deutsche Mentalität hat geringen Anpassungsdruck
Datenschutz ist ein sensibles Thema. Wenn alle Ausgaben digital erfasst werden, befürchten die Menschen, dass sie ihre Anonymität verlieren und vom Staat kontrolliert werden können.
Das ist das Worst-Case-Szenario.
Die Mehrheit der Deutschen fühlt sich mit physischem Geld sicherer, weil sie dann sehen, was sie wirklich besitzen. Sie haben ihre Ausgaben besser im Griff und sehen es im Gegensatz zu den Koreanern als eine einfachere Zahlungsmethode.
Der Mensch ist sowieso ein Gewohnheitstier und bis zur Corona-Pandemie gab es für viele keinen ausschlaggebenden Grund, ihre Gewohnheiten zu ändern. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in Deutschland beispielsweise eine sehr gute Geldautomaten-Infrastruktur. Das heißt, dass man schnell an Bargeld rankommt.
Und das ist auch gut so, denn besonders in Restaurants, Cafés oder in der Bäckerei ist man oft immer noch auf Bargeld angewiesen, weil eine Kartenzahlung nicht angeboten wird. Das liegt oft an den anfallenden Zusatzkosten für diverse Zahlungsdienstleister und dem Aufwand, der vielen Händlern zu komplex ist. Die ganzen Zahlungsdienstleister mit ihren unterschiedlichen Konditionen und die verschiedenen Bezahlmöglichkeiten erschweren den Überblick. Dazu kommt noch, dass das Personal geschult werden muss.
Dennoch gibt es in Berlin und Hamburg bereits Cafés und Restaurants, wenn auch sehr wenige, in denen kontaktlos bezahlt werden kann.
Letztendlich nehmen beide Länder die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs unterschiedlich auf. Die Coronakrise hat zwar in beiden Ländern die Nachfrage nach digitalen Zahlungsmethoden erhöht. In welchem Ausmaß Veränderungen akzeptiert werden, die eine ganze Bevölkerung motiviert alte Gewohnheiten zu ändern, hängt von kulturellen Unterschieden ab.
jesimin@korea.kr
Dieser Artikel wurde von einer Korea.net-Ehrenberichterstatterin verfasst. Unsere ehrenamtlichen Reporter kommen aus der ganzen Welt und teilen ihre Liebe und Leidenschaft über alle Dinge in Korea.