Menschen

26.08.2016

Korea.net traf sich kürzlich mit der deutschen Studentin Lisa Scheidig aus Thüringen, die ein Jahr lang an der Ewha Womans University studierte und nächsten Monat wieder zurück in die Heimat fliegt. Seit vergangenem Jahr ist sie Ehrenreporterin für Korea.net und nahm dementprechend an vielen kulturellen Veranstaltungen teil, die ihr von Korea.net angeboten wurden. Mittlerweile spricht sie fließend und akzentfrei Koreanisch, was uns Muttersprachler überraschte. Sie schaute nun auf ihre Zeit in Korea zurück.

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Lisa Scheidig, Ehrenreporterin von Korea.net aus Deutschland.



Wie haben Sie die Zeit als Austauschschülerin in Korea erlebt?

Mit hat es gut gefallen, weil ich vieles machen konnte, was ich machen wollte. Ich habe zum Beispiel die koreanische Fernsehshow „Hello Councelor“ live gesehen. Deutsche Fernsehsendungen sind weniger lustig als koreanische. Schon in Deutschland habe ich es geliebt, koreanische Fernsehshows zu schauen. In Deutschland blockiert die Organisation GEMA Videos im Internet – hauptsächlich auf Youtube, aber auch auf anderen Videoplattformen – wenn die Person, die das Video hochgeladen hat, kein Urheberrecht auf die Musik hat, die in den Videos verwendet wird. Glücklicherweise war KBS World auf Youtube nicht betroffen, weshalb ich dort koreanische Fernsehshows mit Untertiteln schauen konnte. Ich habe nicht allzu viele Freunde gefunden, aber genug, die mir helfen, wenn ich in Schwierigkeiten bin.

Wie war es, Ehrenreporterin zu sein?

Es hat Spaß gemacht, aber ich habe nicht viele Artikel geschrieben. Das ist eine Sache, die ich bereue. Ich habe eine Idee für einen Artikel, den ich schreiben werde, wenn ich zurück in Deutschland bin. Als Koreaner in der Vergangenheit nach Deutschand kamen, um dort zu arbeiten, machten sie Kimchi im deutschen Stil, da ihnen die richtigen Zutaten fehlten. Ich möchte meine eigene deutsche Kimchi-Variante machen und dann vorstellen.

Wie sind Sie seinerzeit mit Korea in Kontakt gekommen?

Von dem Land habe ich während einer Geschichtsstunde in der Mittelstufe erfahren, aber der Lehrer hat Korea nur am Rande erwähnt. Ich habe angefangen, mich für Korea zu interessieren, nachdem ich den japanischen Comic „Mischievous Kiss“ in der Oberstufe gelesen hatte, aus dem später eine koreanische Soap gemacht wurde.

Wie kamst du zu der Entscheidung, Koreanistik zu studieren?

Als ich darüber nachdachte, für welchen Studiengang ich mich entscheiden sollte, gab mir ein Freund den Ratschlag, zu tun, was mich glücklich macht. Ich habe mich für Koreanistik entschieden, weil ich mehr über Korea lernen wollte. Ich mag Sprachen und lese viele koreanische Kinderbücher.

Was genau lernen Sie im Studiengang Koreanistik?

Ich lerne viel Allgemeines. In Deutschland hatte ich bereits Kurse in den Bereichen Politik, Geschichte, Sozialwissenschaften und Kunst. Deshalb blieben nicht viele Kurse übrig, die ich als Austauschstudentin belegen konnte. Ich entschied mich für Kurse, die ich in Deutschland nicht belegen konnte, wie zum Beispiel koreanische Kunst.

Was war die größte Herausforderung an dem Fach Koreanistik?

Es war die Sprache und besonders die chinesischen Schriftzeichen. Schauen Sie sich das Wort „Sekyehwa“ an. Selbst wenn man weiß, dass ‚sekye‘ auf deutsch ‚Welt‘ bedeutet, kann man sich die Bedeutung des ganzen Wortes nicht erschließen, wenn man „hwa“ nicht kennt. Es gibt viele koreanische Wörter, bei denen das so ist. Wörterbücher helfen nicht viel. Deshalb bitte ich oft meine chinesischen und koreanischen Freunde, welche die chinesischen Schriftzeichen gut beherrschen, um Hilfe.

Streben Sie einen Job mit Koreabezug an? Was ist Ihr Karriereziel?

Ich möchte gerne Übersetzerin oder Koreanischlehrerin werden.

Mit welchen Schwierigkeiten warst du in Korea konfrontiert?

Ich konnte meine Schuhgröße nicht finden. Dazu kommt, dass ich fast alle meine Schuhe aus Deutschland nach der Regenzeit ausrangieren musste. Die Schuhe, die ich jetzt trage, sind meine letzten und mittlerweile fast abgetragen. Auch die Wohnsituation war problematisch. Ich mussste insgesamt fünf Mal umziehen. Außerdem war der Bankenservice sehr umständlich. Ich wohne in Gwanak-gu, Seoul und dort gibt es keine Banken, die mit deutschen Bankensystem kompatibel sind. Ich musste immer in das Viertel Seodaemun-gu fahren, in welchem auch meine Universität lag, um Geld abzuheben. An vielen ATMs steht, dass sie internationale Dienste anbieten, aber in Wirklichkeit ist das nur selten der Fall.

Außerdem war das Tageseslimit in Bezug auf das Abheben von Bargeld manchmal sehr lästig. Öffentliche Verkehrsmittel stellten auch ein Problem dar. Viele Nichtkoreaner in Korea benutzen deshalb keine Busse. In manchen Busse gibt es weder Ansagen noch Informationsbildschirme. Ich wusste nie, wo ich war, und Menschen stiegen an Orten aus, an denen es nicht einmal eine Haltestelle gab. Deshalb funktionierte es nicht, die Bushaltestellen mitzuzählen. Als ich nach Gyeongju-si City fuhr, waren auf der Karte, welche die Haltestellen der Strecke anzeigte, nur die größeren Haltestellen angegeben, der Bus hielt aber viel öfter. Ich habe deshalb während der Busfahrten immer Google Maps oder Naver Maps benutzt.

Auch die koreanische Küche machte mir zu schaffen. Zu Beginn konnte ich nur Reis essen, und auch den nicht sonderlich gut. Deshalb wechselte ich zu Kuchen. Dann begann ich, Subway-Sandwiches zu essen oder zum Fusion-Restaurant „Han’s Dehli“ zu gehen, welches auch einigermaßen gut für Nichtkoreaner geeignet ist. Außerdem aß ich fast jeden Tag Gimbap.

Es war nicht einfach, dich an Korea und die koreanische Küche zu gewöhnen. Was ist denn dein koreanisches Lieblingsgericht?

Budaejjigae -- – ein scharfer Eintopf mit Kimchi und Wurst. Ich mag dieses Gericht vor allem wegen der Wurst. Außerdem schmecken mir Bulgogi – gegrilltes Rindfleisch – und Samgyeopsal – gegrillter Schweinebauch – sehr gut.

Bald gehst du nach Deutschland zurück. Was möchtest du essen, wenn du zu Hause bist?

Am meisten vermisse ich Wurst. Und ich möchte Quark und Milchreis essen.

Was ist deine schönste Erinnerung an Korea?

Der Ausflug in die Stadt Gyeongju-si war toll. Wenn ich mich in Seoul verlief, hatte ich Schwierigkeiten, den Weg wiederzufinden. In Gyeongju habe ich mich nicht verlaufen, und die Menschen waren auch freundlicher als in Seoul. Viele fanden es interessant, eine hellhäutige Europäerin zu treffen und wollten ein Foto zusammen mit mir machen.

Ich war außerdem in koreanischen Fernsehsendungen zu sehen - in einer koreanische Nachrichtensendung und in „My Neighbor, Charles“ (이웃집 찰스), das war auch lustig. Die Aufnahmen dauerten drei Stunden, ausgestrahlt wurden aber insgesamt nur zwei Minuten. Es war eine sehr besondere Erfahrung.

Welche persönliche Begegnung ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?

Da gibt es viele. Als ich über Nacht im Haeinsa-Tempel bliebt, freundete ich mich sogar mit einem Mönch an.

Worin besteht deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen Deutschen und Koreanern?

Der deutsche Sinn für Humor unterscheidet sich stark vom koreanischen. Deutsche Witze stoßen bei Koreanern auf wenig Begeisterung, aber koreanische Witze sind lustig für Deutsche. Ich denke, dass Koreaner gute Witzeerzähler sind.

Worin besteht der größte Unterschied zwischen Deutschland und Korea?

Hierarchie ist sehr wichtig in Korea. Wir benutzen keine Ehrentitel, wenn wir mit Freunden oder Familienmitgliedern sprechen, aber in Korea musst du sie benutzen, wenn du jünger bist als dein Gegenüber. Generell sollte man sich gegenüber Älteren ausgesprochen höflich und wohlerzogen verhalten. Ich bin daran nicht so gewöhnt, deswegen mache ich manchmal Fehler. In Deutschland gibt es diese Art der altersbedingten Diskriminierung nicht.

Hierarchie ist sehr wichtig in Korea. Wir benutzen keine Ehrentitel, wenn wir mit Freunden oder Familienmitgliedern sprechen, aber in Korea musst du sie benutzen, wenn du jünger bist als dein Gegenüber. Generell sollte man sich gegenüber Älteren ausgesprochen höflich und wohlerzogen verhalten. Ich bin daran nicht so gewöhnt, deswegen mache ich manchmal Fehler. In Deutschland gibt es diese Art der altersbedingten Diskriminierung nicht.

Inwiefern unterscheidet sich der Unterricht in Deutschland von dem in Korea?

In meinem ersten Semester in Korea war ich anfänglich schockiert. Am ersten Tag des neuen Semsters kamen viele Professoren zu spät oder gar nicht. Ein Professor begann den Unterricht mit zwei Wochen Verspätung ohne die Studenten zu informieren. So etwas habe ich vorher noch nie erlebt.

Auch das Notensystem ist anders. In Deutschland gibt es einen absoluten Maßstab, in Korea hingegen nutzt man ein relatives Notensystem. Ich habe Kunst-Unterricht genommen, obwohl Kunst nicht mein Hauptfach ist. Obwohl ich mein Bestes gegeben habe, konnte ich keine guten Noten erreichen, weil andere Studenten, die Kunst im Hauptfach belegten, besser waren als ich.

Das Anmelden für Kurse ist ein weiterer Unterschied. Für manche Kurse kann man sich nicht einschreiben, weil zu viele Studenten an dem Kurs teilnehmen wollen, während wir in Deutschland alle gewünschten Kurse belegen können. In Korea muss man sich Kurs-Codes merken und ängstlich die Anmeldezeit abwarten. Einmal saß ich zwei Stunden lang vor dem Computer, weil sich die Seite nicht pünktlich öffnete.

Was ist der Unterschied zwischen koreanischen und deutschen Studenten?

Ich denke, dass deutsche und koreanische Studenten sehr verschieden sind. Ich verstehe nicht, warum Koreaner so lernen wie sie lernen. Vielleicht, weil sie nach einem relativen Notenschema bewertet werden. Wenn es das nicht gäbe, hätten sie deutlich weniger Stress. In Deutschland bekommen wir Aufgaben, die wir in unserer Freizeit gut bewältigen können. Niemand bleibt die ganze Nacht wach, um Hausarbeiten zu erledigen. Universitätsbibliotheken sind in Deutschland nachts geschlossen und deutsche Studenten gehen während des Studiums viel aus. Hier in Korea hatte ich dazu aufgrund der vielen Hausarbeiten fast keine Zeit.

Wenn ein Professor in Korea empfiehlt, ein bestimmtes Buch zu lesen, solltest du exakt dieses Buch lesen. Wenn du das nicht tust, wird du keine gute Note bekommen. Im Vergleich dazu lese ich in Deutschland oft dünnere Bücher als die, die vom Professor empfohlen werden, ohne dass meine Noten darunter leiden.

Was wirst du in Deutschland am meisten vermissen?

Das Essen. Vor allem Budaejjigae. Kein koreanisches Restaurant in Berlin bietet dieses Gericht an, aber Asiamärke verkaufen immerhin Instant-Nudeln, koreanische Teigtaschen und Kimchi.

Von Yoon Jihye
Redaktion Korea.net
Fotos: Jeon Han, Fotograf Korea.net
wisdom117@korea.kr