Gesellschaft

21.05.2014

Die Sicht des „Dongui Bogam” auf die Menschheit und das Universum – die Menschheit ist die wertvollste aller lebenden Kreaturen im Universum - 

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Es gibt zahllose Unterscheidungen zwischen dem „Dongui Bogam“ und anderen medizinischen Texten. Die auffälligste davon ist, dass anders als in anderen Büchern im „Dongui Bogam“ keine Krankheiten vorgestellt wurden. Das Werk beginnt mit dem folgenden, vagen Absatz: 

„Es gibt ein Zitat von Sun Zhenren, in dem es heißt: ,Die Menschheit ist die wertvollste aller Kreaturen im Universum. Der runde Kopf ähnelt dem Himmel, und der flache Fuß ähnelt der Erde; der Mensch hat vier Gliedmaßen, wie das Universum vier Jahreszeiten hat; der Mensch hat fünf innere Organe, wie das Universum fünf Phasen hat; der Mensch hat sechs Eingeweide, wie das Universum sechs Extreme hat; der Mensch hat acht Gelenke, wie das Universum acht Winde hat; der Mensch hat neun Körperöffnungen, wie das Universum neun Sterne hat; und der Mensch hat zwölf Meridiane, wie das Universum zwölf Stunden hat. Der Mensch hat 24 Akupunkturpunkte, wie das Universum 24 Qi hat. Der Mensch hat auch 365 Gelenke, wie das Universum 365 Unterteilungen hat; der Mensch hat zwei Augen, wie das Universum die Sonne und den Mond hat; der Mensch schläft und wacht, wie das Universum Tag und Nacht hat; der Mensch empfindet Freude und Zorn, wie das Universum Donner und Blitz hat; und der Mensch hat Tränen und Schnott, wie das Universum Regen und Tau hat; der Mensch hat Kälte und Hitze, wie das Universum Yin und Yang hat; und der Mensch hat Blutgefäße, wie das Universum Quellwasser hat; beim Menschen wachsen die Haare, wie beim Universum Gras und Bäume wachsen; der Mensch hat Zähne, wie das Universum Metalle und Felsen hat.‘“

Dieser Absatz soll von Sun Zhenren formuliert worden sein, einem berühmten chinesischen Arzt. Die Sätze finden sich aber in keinem seiner Bücher, die bis heute bekannt sind. Sie erschienen erstmals in der „Klassifizierten Sammlung medizinischer Formeln“ (‚Euibang Yuchui‘), die 1477 von der Joseon-Regierung veröffentlicht wurde. Die Sätze reflektieren, wie die Autoren des „Euibang Yuchui” die Verbindungen zwischen Mensch und Universum sahen. Indem sie diesen Abschnitt zitierten, beriefen sie sich auf die Autorität von Sun Zhenren. Aus einer modernen Perspektive scheint die Argumentation der Aussage „Die Menschheit ist die wertvollste aller lebenden Kreaturen im Universum“ nicht vernünftig zu sein. Dennoch wird durch diese simple Logik betont, dass sowohl die Natur als auch die Menschen nach einem einzigen Prinzip geschaffen wurden und danach funktionieren. Diese Aussage ist der Schlüssel zum Verständnis des gesamten Textes des „Dongui Bogam“ sowie zur Perspektive des Buches über die Menschheit und die Welt.  

Dem einleitenden Abschnitt folgt ein Teil mit dem Titel „Beginn von Form und Qi”. Der Autor beschreibt die Schaffung des Universums mit der Entwicklung und Enthüllung des Qi. Am Anfang haben sich aus dem Nichts allmählich Bewegungen herausgebildet. Aufeinanderfolgend wurden Form und Textur geschaffen. Nachdem Qi, Form und Textur alle vollständig fertiggestellt waren, wurde auch die phänomenale Welt der Menschheit geschaffen. Dies impliziert, dass alle menschlichen Krankheiten kommen, nachdem Form und Textur erworben werden. Außerdem sollten wir nicht von Form und Textur besessen sein, und wir sollten nicht damit beginnen, keine Ziele zu verfolgen, um von allen Krankheiten befreit zu sein. 

Das „Form-Qi” in diesem Werk bezieht sich auf die äußere Grundlage, die aufgebaut wird, indem Energie im Prozess der Entwicklung des Universums verdichtet wird. Der Autor leitet das Buch ein, indem er mit diesen Begriffen beginnt, da sie ein wichtiges logisches Rahmenwerk für den Rest liefern. Der Ausdruck „Form-Qi“ ist eine Kombination aus Form und Yi, wie man an dem Abschnitt mit dem Titel „Der Anfang von Form und Qi“ sehen kann. Während Qi das Innere füllt, konstituiert die Form den damit korrespondierenden äußeren Anteil, und zusammen werden sie zu „Form-Qi“.   

Das „Dongui Bogam” stellt drei Arten von Mechanismen vor, die für die Entwicklung von Krankheiten im menschlichen Körper verantwortlich sind: Probleme mit der Aktivität des Qi, Probleme mit der äußeren Form sowie Disharmonie zwischen Form und Qi. Wenn Form und Qi nicht in Harmonie miteinander sind, kann dies der Grund für eine Krankheit sein. Laut dem „Dongui Bogam“ hat dies einen fundamentalen Einfluss auf die Lebenserwartung. Das Buch erkennt den Willen des Himmels für die Festlegung der menschlichen Lebensspanne an. Gleichzeitig argumentiert es, dass die Medizin Wege zu einem längeren Leben ebnen kann. 

Die Harmonie zwischen Form und Qi hat die erweiterte Bedeutung, dass sie miteinander korrespondieren. Sie impliziert auch, dass es eine natürliche Harmonie zwischen Haut und Fleisch und der Interaktion zwischen dem Blut-Qi und den Meridianen gibt. Qi in diesem Kontext hat eine umfassende Bedeutung. Genauer gesagt wird Qi als fundamentalste Energie der menschlichen Wesen sowie als die Funktion erklärt, die auf externe Stimuli wie die Essensaufnahme reagiert. Ein Mensch kann nicht lange leben, wenn es dem Qi nicht gelingt, einen adäquaten Umfang der Nahrungsaufnahme aufrechtzuerhalten. Umgekehrt kann ein Mensch nicht lange leben, wenn er zu viel Nahrung über das erforderliche Maß hinaus zu sich nimmt. 

Eine weitere wichtige Art des Qi kommt vom Atmen. So wie die Natur Tag und Nacht hat, atmen die Menschen ein und aus. So wie der Himmel mit der Erde verbunden ist, müssen Menschen langsam atmen. In Bezug auf Form und Qi betonte Heo Jun die Bedeutung der Harmonie im menschlichen Körper. Und Qi ist die Schlüsselkomponente bei der Aufrechterhaltung dieses inneren Gleichgewichts. Er argumentierte, dass die Kontrolle der Ernährung und der Atmung entscheidend dafür sind, um den menschlichen Körper in einem Gleichgewicht zu erhalten. Gut zu essen und zu atmen sind die Essenz des menschlichen Lebens. Diese Schlüsselkonzepte sind der Punkt, an dem Heo Juns koreanische Medizin begann.  

Menschen sind emotionale Wesen. Wir kommunizieren und formen Beziehungen, indem wir unsere Gefühle ausdrücken. Emotionen sind auch mit Krankheiten verbunden. Im „Dongui Bogam“ wird eine Vielzahl von Krankheiten mit den miteinander verknüpften Konzepten Form und Qi erklärt. Dieses Buch identifiziert zum Beispiel den Zorn als die gefährlichste Emotion. Zorn kann Beziehungen möglicherweise verschlechtern oder sogar das eigene Leben bedrohen. Geringfügige Synkopen sind ein typisches Symptom von Zorn. Wenn plötzlicher Zorn das Qi dazu veranlasst, gegen den Strom zu fließen und Blut zu transportieren, resultiert dies in einer Ohnmacht. Dieses Symptom wird als geringfügige Synkope bezeichnet. Zorn kann auch dazu führen, dass jemand einen blutigen Auswurf hat oder dass nicht verdautes Essen mit dem Kot ausgeschieden wird. Diese beiden Symptome entstehen, wenn der Zorn das Qi nach oben treibt und dessen Gleichgewicht mit der Form ins Wanken bringt. 

Abschließend konstatiert das „Dongui Bogam” zwei Dinge. Erstens ist der Mensch die wertvollste aller Kreaturen. Zweitens ist ein gesundes und langes Leben das ultimative Ziel der Menschheit. Jede einzelne Bewegung, die ein Mensch macht, trägt die Energie des Universums in sich. Auch wenn wir uns nicht viele Gedanken über Essen und Atmen machen, sind sie die grundlegendsten und wichtigsten Aktivitäten, die uns die Aufrechterhaltung unseres Lebens ermöglichen. Darüber hinaus sind Form und Qi die Schlüsseleinheiten für die Aufrechterhaltung dieser Aktivitäten. Sie passen sich dem Wechsel der Emotionen und der Natur an, um im menschlichen Körper eine Balance zu erhalten. Das „Dongui Bogam“ ist niemals von seiner Ansicht abgewichen, dass der menschliche Körper in jedem einzelnen Moment sein Gleichgewicht durch Form und Qi aufrechterhält.