Cho Hi-bu, Leiter der Agrargemeinschaft Nunbisan in den vergangenen 40 Jahren, sagte, dass Koreas komprimiertes Wachstum – von einer Agrargesellschaft über die Industrialisierung bis zu einer auf Informationstechnologie basierenden Gesellschaft – im letzten halben Jahrhundert selbst in kleinen Gemeinschaften ersichtlich sei.
Korea, das 1945 gerade von Japan befreit worden war, stand nun vor einer weiteren schweren Zeit in Form des Koreakriegs (1950-53). Die industrielle Infrastruktur war fast vollständig zerstört, und die Menschen durchlebten eine Phase der extremen Armut. Ganz besonders hart traf es das ländliche Korea. Wiederholte Dürren und Überschwemmungen sorgten für eine Fortsetzung der Hungersnot, und es gab niemals genug Nahrung, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Darüber hinaus hatten die jungen Menschen in den ländlichen Regionen keine Arbeit und mussten ihr Dasein als Tagelöhner oder als Geringverdiener in den Städten fristen.
Grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Essen und die Sicherung des Existenzminimums sowie der Wunsch nach einem besseren Leben waren unter den Koreanern stärker spürbar als unter den Menschen anderswo auf der Welt. Der Westen, der nach der koreanischen Unabhängigkeit und dem Krieg von den USA repräsentiert wurde, war ein Synonym für Wohlstand, der bei den Koreanern Neid hervorrief. Die Region Nord-Chungcheong, die flächenmäßig kleinste Provinz Südkoreas, und besonders die Bewohner des Dorfes Nunbisan, welches sich in der Gemeinde Sosu-myeon im Landkreis Goesan befindet, waren da keine Ausnahme.
1968 gründete die US-amerikanisch-katholische Missionarsgruppe Maryknoll in Goesan Pilotfarmen sowie eine Gesellschaft für Viehbestand. 1974 wurden den lokalen Bauern Rinder, Kredite und eine vertraglich geregelte Mittel zur Produktion von Kälbern zur Verfügung gestellt, woraufhin eine Ausbildungsstation für Bauern entstanden ist, um den Bauern beizubringen, wie Viehzucht betrieben wird und wie sie miteinander kooperieren können. Dann begann die ökologische Landwirtschaft und Hühnerzucht sowie die Produktion von Eiern. Auf 800.000 Quadratmetern unterhalb des Berges Nunbisan entstanden nicht nur Wälder und Felder, sondern auch Hühnerfarmen, eine Pilzzucht und eine Keksfabrik. Die Hühnerfarm hier ist sicherlich anders als andere Farmen. Anstatt der Haltung in einer Legebatterie werden die Hühner dort bei guter Frischluftzufuhr sowie bei perfekten Temperaturen und Luftfeuchtigkeitsverhältnissen gehalten. Auf dem Boden liegt Stroh, welches die Geruchsentwicklung durch die Fäkalien reduziert. Hennen werden in großzügigen Gehegen zusammen mit Hähnen gehalten, was zu einer reichhaltigen Produktion an Eiern führt. Diese Eier mit leuchtendem Eigelb sind frisch und schmackhaft. Circa 10.000 Hühner produzieren täglich zwischen 8000 - 9000 Eier. Diese Eier werden ausschließlich auf Biomärkten verkauft. Das Gleiche gilt auch für in Nunbisan produzierte Kuchen und Kekse. Leute, die an einem Lehrgang hier interessiert sind, müssen sich bewerben. Jedoch erhalten nach sorgfältiger Auswahl nur wenige von ihnen die Erlaubnis, hier lernen zu dürfen. Das Leben hier ist lebendig und voller Energie. In den letzten 50 Jahren hat sich das unterentwickelte ländliche Korea, das mit Armut zu kämpfen hatte, zu einem Ort des Wohlstands und der Effizienz entwickelt.
Im Zentrum dieser Entwicklung in Nunbisan steht Cho Hi-bu. Mit Abschlüssen von renommierten Schulen wie der Kyungnam High School in Busan und einem Jura-Abschluss der Seoul National University ließ er sich nach langen und reiflichen Überlegungen hier nieder. Mittlerweile ist dies sein 40. Jahr vor Ort, nachdem er sich in seinen Zwanzigern in Nunbisan niederließ. Im Gespräch mit Cho ging es um die turbulenten Entwicklungen des ländlichen Koreas in der Vergangenheit und in der Zukunft. Eine kleine Stadt auf dem Lande scheint der Beweis dafür zu sein, dass hier früher Armut herrschte, dass aber Anstrengungen für ein besseres Leben unternommen wurden. Die Anstrengungen führten zu Erfolg, und es wurden weitere Bemühungen für ein besseres Leben unternommen.
Hühnerfarm mit mehr als 800.000 Quadratmetern in der Agrargemeinschaft am Fuße des Berges Nunbisan.
- Sie sprachen über „Die große Veränderung des Lebens“ beim Won-Buddhismus-Seminar welches sein 100-jähriges Jubiläum feierte. Welche große Veränderung im 21. Jhdt. meinen Sie?
Seitdem ich hier lebe, merke ich, dass verschiedene Organismen mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen haben, und da beziehe ich diesen Sommer nicht einmal mit ein. Es ist sehr heiß; es fällt kein Regen, und die Regenzeit ist fast vorrüber. Dies ist eine große Bedrohung, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für das gesamte Leben und alle Organismen. Ich denke, dass eine große Veränderung nötig ist. Selbst im Bericht vom Club of Rome aus dem Jahr 1970 wird behauptet, dass nicht nur den Menschen, sondern auch alle anderen Organismen eine große Krise bevorsteht, sollten wir unseren Lebensstil so fortführen wie bisher. Unabhängig von allen Diskussionen und Theorien bin ich der Ansicht, dass wir an einen Punkt gelangt sind, an dem wir unseren Lebensstil komplett ändern sollten. Vielleicht ist es schon zu spät dafür; dennoch sollten wir versuchen, überhaupt etwas zu unternehmen.
- In der Erklärung der Hansalim-Vereinigung aus dem Jahr 1989 heißt es: „Die heutige Zivilisation, die unter großen Anstrengungen und auf der Basis von Freiheit, Gleichheit und Fortschritt entstanden ist, hat den Menschen zwar physischen Wohlstand gebracht, die Menschen aber auch isoliert und unterdrückt und das Ökosystem der Erde geschädigt, welches das Fundament der Menschheit bildet.“ Was wurde bisher erreicht, und was muss in Zukunft in der Hansalim-Vereinigung und deren Kooperation geschehen?
Es war im Jahr 1986, als die Hansalim-Vereinigung entstand, und in diesem Jahr feiert sie ihr 30-jähriges Bestehen. Das ursprüngliche Ziel der Organisation war es, eine Solidargemeinschaft mit lokalen Konsumenten zu bilden, um der schwächelnden koreanischen Landwirtschaft, der immer weniger Bauern angehörten, eine Basis zu geben. Im Gegenzug würden die Konsumenten die Möglichkeit haben, sichere und gesunde Produkte der Landwirtschaft zu erhalten.
Also untersuchten wir ähnliche Fälle in Japan. Wir verteilten in Goesan produzierte Waren an Hansalim. Wir übertrugen die Yamagishi-Methode auf unsere Hühnerfarm, die in anderen ländlichen Gemeinden in Korea nicht funktionierte.
Das Resultat war, dass wir eine größere Anzahl an sicheren und chemiefreien Produkten herstellen und verteilen konnten. Wir fanden außerdem einen Weg, um Leute, die unerfahren in der Landwirtschaft waren, daran teilhaben zu lassen. Die einzelnen Lokalverbände von Hansalim sind kooperative Vereinigungen; also kann man sagen, dass wir die Pioniere sind, was die Kooperativen von Konsumenten in Korea angeht.
Die tatsächliche Beteiligung der Mitglieder in der Kooperative ist relativ niedrig. Mitglieder können allein teilnehmen, oder aber die Kooperative mit Geld unterstützen und sich am Entscheidungsprozess beteiligen. Die meisten derzeitigen Mitglieder von Hansalim sind jedoch nur Konsumenten, und daran sollte gearbeitet werden. Schwierige wirtschaftliche Bedigungen wirken sich auch auf Hansalim aus. Kurz gesagt: Es ist Zeit für einen Wandel.
Armut im ländlichen Korea, Hilfe von US-amerikanischen katholischen Missionaren, gemeinschaftliches Management mit landwirtschaftlichen Techniken aus Ost und West und Anstrengungen für ein besseres Leben: All diese Dinge zeichnen heutzutage die Nunbisan-Gemeinschaft aus, sagt Cho.
- Wie entstand die Nunbisan-Gemeinschaft?
Sie entstand unter der Führung von Pater Clyde Davis von der US-amerikanischen katholischen Missionarsgruppe Maryknoll. Als er auf arme, hungrige Bauern traf, entschied er sich dafür, an diesem Ort Rinder zu züchten. Als er dann über Rinder verfügte, mussten die jungen Bauern lernen, richtig mit ihnen umzugehen. Der einfachste Weg war, eine Kooperative in dem Dorf zu gründen, sodass die Rinder und die Bewirtschaft von der Kooperative finanziert werden konnten. Die Kreditabteilung gab den Bauern Kredite zu niedrigen Zinsen, was auch den Bauern half, die unter Zinswucher litten.
In diesen Zeiten dienten Rinder als Nutz- und Arbeitstiere, um beispielsweise Gegenstände zu bewegen. Anders ausgedrückt, dachten die Menschen in Korea damals nicht daran, Rinder zu essen. Also brachte der Pater schwarz-weiß gestreifte Kühe aus den USA nach Korea. Ich denke, dass dies ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der koreanischen Viehzucht war, denn dann wurden diese US-Rinder mit koreanischen Rindern gekreuzt. Um das Fleisch dieser Züchtung anzupreisen, wurden damals vor dem Hotel President in der Nähe der Seoul City Hall Verkostungen durchgeführt. Diese führten damals jedoch nicht zu einem gesteigerten Rindfleischkonsum.
Das war nicht das einzige, was katholische Missionare zur Viehhaltung in Korea beigetragen haben. Die Imsil-Farm unter Leitung von Pater Ji Jeong-hwan und die St. Isidore-Farm auf Jeju sind viel größer als unsere Farm hier. Pater Davis wollte eigentlich nur Bauern die Viehhaltung erklären und keine Farm aufbauen. Im Wesentlichen hat er aber den Bauern nur erklärt, wie man Vieh richtig nutzt.
Dann gab es im Jahr 1965 den Grundlagenvertrag zwischen Japan und der Republik Korea. In Korea begann daraufhin eine rasche Industrialisierung. Junge Leute verließen das Land, um Jobs in Fabriken in der Stadt anzunehmen. Maschinen ersetzten menschliche Arbeit. Rinder wurden nun wegen ihres Fleisches gezüchtet. Die Rinderhaltung verkam nun zu einer Fleischproduktion. Fünfzig Jahre komprimierten Wachstums veränderten eine Menge.
Hennen und Hähne leben in Nunbisan zusammen in großzügigen Gehegen anstatt in Legebatterien.
- Obwohl sie von der Yamagishi-Hühnerfarm inspiriert wurde, unterscheidet sich diese Farm hier doch von der japanischen Agrargemeinschaft.
Es gibt verschiedene Formen der Agrargemeinschaften. Yamagishi ist eher mit einem Kibbuz zu vergleichen. Diese Art der Gemeinschaft erlaubt keinerlei Privatbesitz, weder in der Produktion noch im Konsum. Alles wird mit jedem geteilt. Dann gibt es noch die israelische Moshav-Gemeinschaft, in der die Mitglieder zusammen produzieren, jedoch individuell konsumieren.
Yamagishi Miyozo war im Hinblick auf den Konfuzianismus eher dem Lager des Yangming zuzuordnen. Er war der Meinung, dass jeder sich das erfüllen sollte, was er möchte. Er glaubte, dass das Verhalten wichtiger sei als das Wissen. Er fokussierte auf landwirtschaftliche Bewegungen und auf die Landwirtschaft. Er war ein großer Philosoph, Als wir unsere Gemeinschaft aufgebaut haben, beschäftigten wir uns mit seinen Zitaten, fanden jedoch, dass diese nicht so recht auf koreanische Gemeinschaften anwendbar seien. Also entschieden wir uns dafür, eine eigene Gemeinschaft zu entwickeln.
Überall auf der Welt, abgesehen von einigen Klöstern und den Gemeinschaften der Amischen, verschwindet das gemeinschaftliche Leben. Es sind nur noch einige wenige, primitive Siedlungen übrig. Was ist der Mensch? Was ist Leben? Betrachtet man die Geschichte der Evolution, ist viel Studium erforderlich.
Die Yamagishi-Gemeinschaft hat auch in Japan nicht funktioniert. Die Gemeinschaft erlaubte keine freien Entscheidungen und teilte wirklich alles miteinander. Mitglieder, die merkten, dass ihnen das Leben in der Gemeinschaft dort nicht gefällt, wurden nicht mehr respektiert und durften nicht weiter daran teilhaben. Deswegen werden Gemeinschaften mit religiösen Sekten gleichgesetzt.
Zusammen leben und teilen und gleichzeitig Privatbesitz und persönliche Entscheidungen zu respektieren, ist nicht einfach. Was wir in meinen Augen tun sollten, ist, auf Leute zu hören, die mehr über das Leben nachgedacht haben als wir es tun, sei es Buddha oder Jesus. Sich selbst kennen, indem man das eigene Ego vom Rest trennt und letztendlich das Leben nach den selbst gewählten Methoden leben. Wenn man über genug Selbstbewusstsein verfügt, ist es egal, was andere über einen denken.
Das Interview wird in Teil 2 fortgesetzt.Von Wi Tack-whan, Chang Iou-chung
Redaktion Korea.net
Fotos: Wi Tack-whan, Canaan Farmers' School
whan23@korea.kr