Eine junge Frau (Jeong Yu-mi als Kim Ji-young), die erschöpft wirkt, steht auf dem Balkon und genießt die Sonnenstrahlen. Sie wirkt entrückt, und es dauert eine Weile, bis die „Mama“-Rufe ihrer kleinen Tochter aus dem Wohnzimmer hinter dem Glas der Balkontür zu ihr durchdringen. Etwas später sitzt sie mit einem Coffee-to-go-Becher neben dem Kinderwagen auf einer Parkbank, und wieder wird dieser kurze Moment introspektiver Ruhe gestört, dieses Mal durch eine Gruppe Berufstätiger, die sich in der Mittagspause abfällig über sie äußern: „Ich wünschte, ich könnte auch so auf der Parkbank Kaffee trinken, auf Kosten meines Ehemannes,“ frotzelt ein junger Mann - nicht mal hinter vorgehaltener Hand geflüstert, sondern laut und deutlich ausgesprochen, als wäre sie gar nicht da, oder doch eher, als wäre sie Nichts. Das ist nur eine von vielen Szenen, in denen die 1982 geborene Kim Ji-young als Frau und Mutter diffamiert wird, weil sie ja angeblich ein so leichtes Leben habe. Sogar als „Mama-Wurm“ wird sie einmal beschimpft. Ein Kind großzuziehen, gilt nicht als Wert und wird ganz selbstverständlich den Frauen zugeschrieben: „Kinder brauchen ihre Mütter zuhause“ feixt einmal der Chef in der Konferenz, andernfalls sei mit Problemen zu rechnen, mit rebellischen Söhnen. Die angesprochene Abteilungsleiterin kontert noch schlagfertig: „Warum nutzen wir das nicht gleich für unsere Werbekampagne? Vitamine für Kinder, die nicht von ihren Müttern großgezogen wurden, mit einem mütterlichen Herzen zubereitet.“ Doch dann holt sie selbst auch wieder nur Männer ins Leitungsteam - bei Frauen wisse man ja nie, ob die Familienplanung in die Quere kommt. Und sie selber habe seit langem aufgegeben, eine gute Ehefrau, eine gute Mutter zu sein.
Kim Ji-young ist niedergeschlagen und reizbar. Von postnataler Depression ist die Rede, gar davon, dass sie besessen sei. Sie müsse in Therapie oder doch besser gleich weggesperrt werden – so die Empfehlung unter Kollegen, von Mann zu Mann. Dass sie womöglich einfach nur damit hadert, jeden Tag in denselben Abläufen gefangen zu sein, dass sie sich nach Anerkennung im Beruf und Karriere-Erfolgen sehnen könnte, liest vor allem der Zuschauer aus ihren ernsten, traurigen Augen und ihren blassen Zügen. Die Alltagszumutungen und der Frust, den sie schüren, lösen einen Erinnerungs- und Reflexionsprozess in Kim Ji-young aus. In Gedanken durchstreift sie Stationen ihres Lebens, in der Kindheit, der Jugend, in der Berufswelt, in ihrer Beziehung, ihrer Ehe und ihrer Elternschaft, im Verhältnis zur Mutter, zum Vater, zu den Geschwistern, später zur Schwiegermutter. Dabei durchläuft sie nicht nur die eigenen Lebensstationen, sondern auch die verschiedenen Generationen von Frauen, die vor ihr dasselbe erlebt haben, sie spricht im Tonfall und Duktus der Mutter, der Großmutter. Als westlicher Zuschauer muss man wachsam lauschen, um die unterschiedlichen Stimmlagen zu erkennen, um die Schizophrenie zu entschlüsseln, in der Kim Ji-young gefangen ist.