Ausland

KULTUR & GESELLSCHAFT

ZUM KIMJANG NACH BLEIALF IN DIE SCHNEIFEL

Kimchi für alle aus Nordrhein-Westfalen, dazu Wissenswertes über Kultur, Bedeutung und Weiterverarbeitung in der koreanischen Küche - online und interaktiv vermittelt von einem Team koreabegeisterter Studierender und ehrenamtlich tätiger Erwachsener aus Köln und Bonn.

Foto: W. van Stephold

Im gesamten Haus riecht es nach Knoblauch, Rettich, Lauchzwiebeln und weiteren Zutaten. Der von Hando e.V. und der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft e.V. Regionalverband NRW lange geplante Kimjang (김장), die gemeinsame Zubereitung von Kimchi, beginnt. Von der UNESCO wurde dieser Brauch Koreas in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen, 2013 für Südkorea und 2015 für Nordkorea, sodass die beiden Staaten im Hinblick auf diese Tradition symbolisch vereint sind.

Eine Gruppe von Korea-Liebhabern macht sich am Vormittag des 21. Novembers 2021 auf den Weg von Köln in die Schneifel nach Bleialf ganz im Westen der Republik nahe der belgischen Grenze. Im ländlichen Eifelkreis Bitburg-Prüm, etwas abseits der Ablenkungen der Großstadt, soll gerade jetzt zu Beginn des Winters an den Brauch des koreanischen Kimjang erinnert werden. Diese besondere Tradition ruft dazu auf, stets im Einklang mit der Natur zu leben, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und die kooperative Zusammenarbeit in Familie und Nachbarschaft wertzuschätzen.

Bereits während der Fahrt hängen tiefe Wolken am Himmel, bringen immer wieder Regenschauer. Die Landstraße ist gesperrt, und so muss das Ziel über Umleitungen angesteuert werden. Der guten Stimmung und Vorfreude schadet das nicht, und am Ziel angekommen, werden schnell die mitgebrachten Lebensmittel und Computer sowie die Dekoration entladen.

Für die bereits einige Wochen vorher angekündigte Online-Kimjang-Kimchi-Party sind 30 Mitmach-Teams angemeldet, es wird mit ca. 60–70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerechnet. Im Vorfeld gab es vom Team um Jens Bachem, Projektleiter und Mitglied von Hando e.V., eine Einkaufsliste und eine auf YouTube eingestellte detaillierte Beschreibung, wie der Kohl schon einige Stunden vorher zur Vorbereitung zerlegt und eingesalzen werden sollte.

Fotos: J. Bachem, F.Schönsiegel

Pünktlich um 16.00 Uhr startet die Zoom-Konferenz mit einer kurzen Begrüßung der tatsächlich fast 30 anwesenden Teams, die aus der gesamten Republik - von Nord nach Süd, von Hamburg bis Bayern - zugeschaltet sind. Die Erwartungen sind groß, und die Stimmung und Vorfreude ist erkennbar gut. Auf dem Bildschirm sind junge, aber auch ältere Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu sehen, viele mit Schürzen, teilweise mit bunten Kopftüchern. Schüsseln, Messer, Schneidbretter, Schalen und Gemüse liegen griffbereit, ebenso leere Einmachgläser und Küchenbehälter, die auf schmackhaften Inhalt warten.

Kimchi, das Super-Food aus Korea, wird in Deutschland und der ganzen Welt immer populärer, viele haben es bereits probiert, aber die vielfältigen Zubereitungsvarianten und die kulturellen Hintergründe sind hierzulande noch nicht sehr bekannt.

Foto der Einführungs-Präsentation:  F. Scharle, W. van Stephold

Franziska Scharle, Studierende der Ostasienwissenschaften mit Schwerpunkt Koreanistik an der Universität Bonn, hat daher Nützliches und Wissenswertes zu Kimchi recherchiert. Sie vermittelt die historischen und kulturellen Hintergründe von der erstmaligen Aufzeichnung in der späten Goryeo-Dynastie (918-1392) und der Weiterentwicklung in der Joseon-Dynastie (1392-1910), als zum ersten Mal nachweisbar Chilipulver (고춧가루, Gochugaru) verwendet wurde. Je nach Jahreszeit und  Verfügbarkeit der Zutaten etablierten sich nach und nach verschiedene Kimchi-Arten als spezielles Frühjahrs-, Sommer-, Herbst- und Winter-Kimchi. Die Aufbewahrung in Onggi-(옹기) Krügen, aber auch die gesundheitserhaltenden und -fördernden Eigenschaften werden erläutert, und zum Schluss der Einführung gibt es einige Beispiele für die Weiterverwendung von Kimchi in der Küche wie Kimchi-Jjigae (김치 지깨), Kimchi-Jeon (김치전) oder Kimchi Bokkeumbap (김치 볶음밥).

Fotos: W. van Stephold,  F.Schönsiege

So auf den Appetit gekommen, startet das Vorführ-Team die Zubereitung des Referenz-Kimchi. Die unter der Anleitung von Florian Schönsiegel, Mitglied von Hando e.V., in der Küche platzierten Kameras nehmen das Geschehen präzise auf. Jeder Schritt wird von Nina Lindenthal vom Vorstand Hando e.V. und ihrem Team erläutert, und es bleibt ausreichend Zeit für Fragen, aber auch für eigene Rezeptvorschläge, die die Teilnehmer per Chat und Wortmeldung einstellen können.

Im Vorfeld war bereits angekündigt worden, dass es keinen Kochkurs, sondern eine Kimjang-Kimchi-Party zum Mitmachen geben solle, da die aktive Mitwirkung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausdrücklich erwünscht sei. Und so kommen eine Reihe von Fragen zusammen. Wie viel Salz benötigt man zur Vorbereitung des Kohls, warum sollte es grobes Meersalz sein, welche Behälter eignen sich zum Einsalzen? Wann ist der Kohl knackig genug zur Weiterverarbeitung, wie viele Löffel Fischsoße soll man für die Kimchi-Paste, das Kimchisok (김치속), verwenden? Warum sollte originalkoreanisches Chilipulver (고춧가루) verwendet werden, wie erkennt man dieses in den Asia-Läden und vieles mehr.

Fotos: W. van Stephold

Alle Fragen werden eingehend beantwortet, während die Zutaten kleingeschnitten und im Mixer püriert werden. Anschließend wird alles sorgfältig zusammen mit dem entwässerten Kohl in einer ausreichend großen Schüssel mit Reismehl und dem Chilipulver (고춧가루) vermengt. 

Während der Vorführung hält Jens Bachem bereits fertiges Kimchi in die Kamera, welches er im Frühjahr zubereitet hatte. Im Kühlschrank aufbewahrt, ist die Gärung schon weit fortgeschritten, die zuerst feuerrote Farbe ist in einen eher erdig-ockerfarbenen Ton übergegangen, und auch der Geruch ist nicht mehr so intensiv wie am Anfang. Für die Weiterverarbeitung als Kimchi-Jjigae hat es nun eine perfekte Konsistenz, wie Jens erläutert. Auch der passende Wok für die Zubereitung steht bereits auf dem Gasherd

Foto: W. van Stephold

Nach dem Vermischen des Kohls mit der vorbereiteten Kimchipaste (김치속) folgt der letzte Schritt, das Abfüllen des frischen Kimchi in Gläser oder auch andere passende Behälter. Bea Müller, Mitglied von Hando e.V., erklärt, dass nach einiger Zeit in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur die Gärung einsetzt, sodass die Behälter im Kühlschrank aufbewahrt, ab und an kontrolliert und bei Bedarf gelüftet werden sollten. Vor dem Verzehr sollte das Kimchi ca. 30 min. bei Zimmertemperatur bereitgestellt werden, um seine geschmackliche Vielfalt voll entfalten zu können.

Bald haben auch alle Online-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer ihr selbstgemachtes Kimchi fertig zubereitet, und es gibt zum Abschluss der Party ein gemeinsames Erinnerungsfoto, welches bei einem lang betonten „Kimchiiiiiiii“, dem koreanischen Äquivalent zum englischen „Cheeese“, noch einmal für große Erheiterung sorgt. Die Gewinnerinnen und Gewinner der Verlosung erhalten für ihre nächste Kimchi-Party mit Familie und Freunden originalkoreanisches Gochugaru (고춧가루) und weitere Zutaten für die koreanische Küche, die auch in Deutschland boomt und nicht nur in den Großstädten zunehmend bekannt und beliebt wird. 

Foto: W. van Stephold

„Insgesamt hat es uns sehr viel Spaß gemacht, und das selbstgemachte Kimchi war sogar sehr lecker. Für uns als in Deutschland aufwachsende Koreaner war es interessant, die Geschichte des Kimchi und die ursprüngliche Bedeutung dahinter zu erfahren, die uns noch weitgehend  unbekannt war. Durch dieses Event haben wir erkannt, wie viel Arbeit und Bedeutung eigentlich darin steckt. Wir haben vor, auch in Zukunft öfters gemeinsam Kimchi zu machen, und bedanken uns bei euch für das große Engagement, die koreanische Kultur weiterzugeben“, schreibt Soo Ah Youn (18) aus Köln stellvertretend für ihre beiden Freundinnen und viele weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich auch noch Tage später für die tolle Idee und die anschauliche und kurzweilige Vorführung bedanken.

Damit hat das Team von Hando e.V. und der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft e.V. RV NRW das gemeinsame Ziel, dem teilnehmenden Publikum von Jung bis Alt die koreanische Kimchi-Kultur auf vergnügliche Weise und in lockerer Runde näherzubringen, mehr als erreicht. Gerade auch wegen der wieder bestehenden Corona-Einschränkungen soll die interaktive Online-Vorstellung weiterer auch noch nicht so bekannter koreanischer Bräuche fortgesetzt werden