Ausland

Seit dem Spätsommer 2021 können Besucher des Humboldt Forums eine Ausstellung koreanischer Artefakte im Museum für Asiatische Kunst begutachten. Der Sammlungsbestand besticht unter anderem durch die Vielzahl an Keramiken aus verschiedenen Perioden der koreanischen Geschichte. Aber auch zwei Wächterstatuen, eine Lichtinstallation und Kalligrafien in der koreanischen Alphabetschrift Hangeul können unter den 130 Artefakten bestaunt werden.


Ausstellungsansicht der „ostasiatischen Studiensammlung“ (rechts), Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss (Foto: Alexander Schippel)


Integration zeitgenössischer Werke

Die Ausstellung, die im dritten Stockwerk des Westflügels, zwischen Japan und China, angesiedelt ist, wurde unter der Leitung der Kuratorin Uta Rahman-Steinert konzipiert. Die Sinologin erklärt, dass die Ausstellung zwar klein sei, somit aber ein anderes Ausstellungskonzept ermögliche. Den Auftakt hierzu bildete bereits das Jahr 2014, als sich das Museum noch in Berlin-Dahlem befand. Durch die Integration von heutigen und internationalen Perspektiven sollen die Objekte auf vielschichtige Weise zum Sprechen gebracht werden, um einen Zugang jenseits didaktisch geführter Konzepte zu ermöglichen. Auch eine Recherche-Station lädt zur näheren Erforschung der ausgestellten Objekte ein.

„Es ist mein Ziel, in der Galerie auch immer zeitgenössische Positionen einzubeziehen. Ich möchte die Galerie aus der Umgebung etwas herausheben und ein Highlight schaffen; in Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern, die einen Bezug zur koreanischen Kultur haben“, erläutert Rahman-Steinert. Als Beispiel hierfür nennt sie die geschenkten Keramiken der Künstlerin Lee Young-Jae, Leiterin der Keramischen Werkstatt Margarethenhöhe in Essen.

In einer der Vitrinen sind drei große Vasen ausgestellt: eine hohe Spindelvase und zwei Vasen, die jeweils aus zwei Teilen zusammengesetzt wurden. In Korea finden sich ca. seit dem 17. Jahrhundert bauchförmige, meistens hell glasierte Vorratsvasen. Die Kuratorin der Ausstellung äußert ihre Bewunderung für Lees Werk: Die Künstlerin spiele mit dieser Form auf eine ähnliche Weise, wie ein Musiker sich zu einer Komposition verhalte. Sie interpretiere etwas Vorhandenes, aber variiere existierende Formen auf eine ganz individuelle Weise und kreiere so ein Einzelstück.

Symbolik in Kunstwerken

Koreanische Keramik bildet den Schwerpunkt der Ausstellung. Darunter befinden sich auch die in Ostasien populären Seladone. „Sie erfahren in allen Ländern Ostasiens besonders hohe Wertschätzung. Unter anderem, weil sie mit Jade assoziiert werden, und Jade-Objekte werden seit jeher sehr hochgeschätzt. Ihnen wird eine magische Wirkung zugeschrieben, die für ein langes Leben oder Beständigkeit sorgen soll. Diese Überzeugung wird auch auf die grün glasierten Keramiken übertragen“, klärt Rahman-Steinert auf. Dabei hat Korea im 10. bis 13. Jahrhundert eine besonders hochstehende Kultur der Seladonproduktion entwickelt, in der sich auch formale Besonderheiten entfaltet haben, wie Formen, die häufig auf Elemente der Flora und Fauna zurückgehen. Besonders beliebt ist die Darstellung von Kranichen, die mit dem Daoismus in Verbindung gebracht werden und ein langes Leben symbolisieren. Einen Kontrapunkt dazu liefert die Arbeit des Fotografen Rhee Jae-Yong, eine großformatige Fotomontage mehrerer Bilder zu einer unscharfen, dreidimensionalen Abbildung zweier Originale der Ausstellung.

Aber auch die Kalligrafie zählt in Korea zu den anspruchsvollsten Künsten und ist bis in die Gegenwart hinein eine allgegenwärtige Kunstfertigkeit. Die temporäre Lichtinstallation „Der Moment der Erinnerung“ von dem koreanischen Künstler Choi Jeong Hwa zeigt, dass in der urbanen Umgebung die Schrift in ganz unterschiedlichen Typografien im Alltag der Koreaner äußerst präsent ist.

Diese Schriftkunst erfordert ein hohes Maß an Disziplin und sehr viel technische Übung. Sie unterscheidet sich ganz deutlich von der Kalligrafie westlicher Länder, welche die Ästhetik der Buchstaben im Vordergrund sieht. In Korea versteht man unter Kalligrafie vor allem den Ausdruck der Emotionen und der Persönlichkeit des Schreibenden selbst. Die Pinselbewegungen werden spontan ausgeführt. Die Zusammensetzung von Punkten und Strichen, deren Länge und Dicke bilden die Ästhetik und Balance des Werkes.



Internationale Tafel in der Sonderausstellung „Nimm Platz!", Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss (Foto: Alexander Schippel)

Der perfekte Ort für kleine Entdecker

Dies sind nicht die einzigen Spuren Koreas im Humboldt Forum. Bereits im Erdgeschoss können Kinder zusammen mit ihren Familien auf eine Entdeckungstour gehen. Durch den rollstuhlgerechten und komplett schuhfreien Bereich können selbst Babys krabbeln, ohne dass ihre Eltern sich Sorgen machen müssen. 

In der Sonderausstellung „Nimm Platz!" geht es um die weltweite Kultur des Sitzens, aber auch um Plätze in der Gesellschaft.  Neben einem japanisch inspirierten Teehaus, einem Baumhaus und zukunftsorientierten Sitzmöglichkeiten für den Schulunterricht können die Kinder den Lotussitz ausprobieren oder ein typisches Tischgedeck zum koreanischen Feiertag Seollal (koreanisches Mondneujahr) an der internationalen Tafel kennenlernen. 

Die didaktische Ausstellung mit Charakterzügen eines Indoor-Spielplatzes enthält aber nicht nur Sitzmöglichkeiten, die zur Interaktion einladen, sondern auch Sitz-Artefakte, die sich gut geschützt in einem Glaskasten befinden. So sollen die Kinder spielerisch Sitzmöglichkeiten aus verschiedenen Kulturen kennenlernen, während sie originale, historische Sitze begutachten können. Auch eine Bodhisattva-Statue hat ihren Platz in der Kinder-Ausstellung gefunden und begleitet die kleinen und großen Besucher beim Erlernen des Lotussitzes.

„Beide Beine sollten sich kreuzen und die Füße auf den Oberschenkeln ruhen. In dieser Position hat Buddha meditiert und Erleuchtung erlangt“, erklärt die aus Korea stammende Künstlerin und Vermittlerin Jainem Jeong den Kindern, die ihr im perfekt ausgeführten Lotussitz aufmerksam zuhören.

Bereich „Sitz still oder chill" in der Sonderausstellung „Nimm Platz!", Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss (Foto: Alexander Schippel)


Das „Sitzen“ als zentrales Thema

Gesine Klintworth, die Kuratorin für Bildung und Vermittlung der „Nimm Platz!“-Ausstellung, sagt dazu: „Familien und Kinder sind dazu eingeladen, sich zwischen die Statuen zu setzen und einfach mal auszuprobieren, wie sich das Sitzen ohne Sitzgerät anfühlt. Tatsächlich machen die Kinder das von alleine. Durch die Spiegelwand davor lädt es quasi dazu ein, dass man sich einfach mal dazwischensetzt und ausprobiert, wie diese Figuren sitzen, wie sich das anfühlt und wie man noch so auf dem Boden sitzen kann. Darum geht es in der Ausstellung ganz oft, dass Sitzen nicht immer gleich ist.“

Die Inspiration für eine Ausstellung rund um das Thema „Sitzen“ kam von einem externen österreichischen Kuratoren-Team und wurde gemeinsam mit dem Humboldt Forum weiterentwickelt. „Man kann sehr gut an den Alltag der Kinder anknüpfen. Man erlebt jeden Tag, dass man zusammensitzt oder auch eben getrennt in verschiedensten Konstellationen und zu verschiedensten Tätigkeiten“, sagt Gesine Klintworth.

In der Mitte des Ausstellungsraums laden Tische und Stühle zum Basteln ein. Mit Hilfe von bunten Papierschnipseln und Wänden, die als Leinwand dienen, lassen die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf. Dabei kommt auch die koreanische Halbinsel nicht zu kurz. Neben der südkoreanischen Flagge, begleitet von dem Wort „한국“ (Hanguk, dt. Südkorea), befindet sich zwischen all den kleinen internationalen Kunstwerken auch eine nordkoreanische Flagge.

Die Ausstellung erweist sich als ein gelungenes Rundum-Konzept für jedes Alter und lädt zum Entdecken, Staunen, Nachdenken und Ausprobieren ein. Sie kann noch bis zum 27. März 2022 besucht werden. Bei den anderen Ausstellungen im Humboldt Forum dürfen die Besucher sich auf weitere, auch koreabezogene Ergänzungen freuen.

 

Zwei akustische Streifzüge zu koreanischen Spuren im Humboldt Forum finden sich in der Hörecke des Koreanischen Kulturzentrums: 

Koreanisches im Humboldt Forum – ein Schlossbesuch: Folge 1 (Nimm Platz! - über die Kultur des Sitzens)
https://soundcloud.com/kulturkorea/koreanisches-im-humboldt-forum-ein-schlossbesuch-folge-1


Koreanisches im Humboldt Forum – ein Schlossbesuch: Folge 2 (Von Teeschalen, Mondvasen und kindlichen Begleitern)
https://soundcloud.com/kulturkorea/koreanisches-im-humboldt-forum-ein-schlossbesuch-folge-2




Bild von Anna Hermann

Anna Hermann

Foto: privat

Anna Hermann

hat den Bachelor in Koreastudien an der Freien Universität Berlin abgeschlossen und absolviert zurzeit ihren Master. Sie ging 2018 bis 2019 im Rahmen eines internationalen Austauschprogramms an die Yonsei University und interessiert sich besonders für die Geschichte Ostasiens.