Ausland

100 MILLIONEN K-POP-STANS MOBILISIEREN FÜRS KLIMA

FANS KOREANISCHER POP-BANDS SIND BEKANNT FÜR IHR SOZIALES UND POLITISCHES ENGAGEMENT


Koreanische Popmusik ist der sechstgrößte Musikmarkt der Welt. Das liegt allerdings nicht primär an den Fans in Korea, sondern an den vielen Fans im Ausland. Nun wollen K-Pop- Fans ihre gut organisierten Fanclubs für den Kampf gegen die Klimakrise nutzen.

Sie sind viele, und sie sind gut organisiert. Die Rede ist von den Fans koreanischer Popmusik, den „Stans“. Weltweit gibt es 1800 Fanclubs in 98 Ländern mit mehr als 100 Millionen Mitgliedern. Und jetzt gibt es auch eine Aktion fürs Klima: Kpop4Planet. Gestartet wurde die Aktion von der 21-jährigen Indonesierin Nurul Sarifah, ein Fan der Boyband EXO. „Stell dir vor, 100 Millionen Fans machen bei der Klimaaktion mit. Das ist die mächtigste Stimme für Wandel“, sagte Narifah beim Launch der Plattform im März und erklärte auch, warum gerade K-Pop-Fans das Klima retten sollen: „Der Klimawandel ist die Krise unserer Generation. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist der Kampf für unsere Zukunft.“

Sarifah hat sich von einem Aufruf der Girlband Blackpink zu Kpop4Planet inspirieren lassen. Die vier Blackpink-Mitglieder riefen ihre knapp 60 Millionen Fans, auch „Blinks“ genannt, im Dezember über YouTube dazu auf, sich über das Klima zu informieren. „Wir hatten einfach das Gefühl, etwas sagen zu müssen“ sagte Jennie Kim. Blackpink sind die derzeit wohl erfolgreichste Girlband der Welt. Letztes Jahr haben sie mit der Veröffentlichung des Lieds „How You Like That“ gleich fünf Rekorde im Guinnessbuch geknackt. Und sie sind einflussreich. Das US-Magazin „Forbes“ listet sie regelmäßig unter den einflussreichsten Celebrities Koreas und Asiens. Dass sie diesen Einfluss auch politisch nutzen, wundert Jay Song von der australischen Melbourne-Universität nicht. K-Pop-Fans „haben sich schon immer ernsthaft mit politischen und sozioökonomischen Themen auseinandergesetzt, die von Jugendarbeitslosigkeit und psychischer Gesundheit bis zu sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit und sexuellen Minderheiten reichen.“


„Wenn K-Pop-Fans das Klima ernst nehmen, können sie einen riesigen Unterschied machen“ - Nayeon Kim (r.), Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin, mit einem Plakat zum Klimaschutz

„Wenn K-Pop-Fans das Klima ernst nehmen, können sie einen riesigen Unterschied machen“ - Nayeon Kim (r.), Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin, mit einem Plakat zum Klimaschutz

„Wenn K-Pop-Fans das Klima ernst nehmen, können sie einen riesigen Unterschied machen“ sagt Nayeon Kim (r.), Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin, mit einem Plakat zum Klimaschutz (Fotos: kpop4planet)


Und Aufrufe wie von Blackpink zeigen Wirkung: „Wir sorgen uns um die Umwelt. Wir lassen uns von unseren Vorbildern inspirieren, die uns gezeigt haben, dass ihnen die Gesellschaft am Herzen liegt“, sagt etwa Arendeelle, die, wie bei vielen Menschen in Indonesien üblich, nur einen einzigen Namen hat. Die Indonesierin koordiniert in ihrem Land die Fans der Band Super Junior. Die Stans sind sich auch sehr bewusst, dass sie dank ihrer Zahl und ihres Organisationsgrads Wirkung haben. „K-Pop-Fangemeinschaften tun tolle Sachen über Grenzen und Generationen hinweg“, sagte Nayeon Kim anlässlich des Launchs von Kpop4Climate. Die Koreanerin ist Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin. „Wenn K-Pop-Fans das Klima ernst nehmen, können sie einen riesigen Unterschied machen.“

Die erste konkrete Aktion der Plattform Kpop4Planet hat denn auch etwas mit der Band Blackpink zu tun. Blackpink und die koreanische Boyband BTS sind in einer Werbekampagne für den größten Onlineversandhändler Indonesiens aufgetreten, Tokopedia. Nun hat Kpop4Planet eine Kampagne gestartet, um Indonesiens Amazon dazu zu bringen, nur noch Strom aus erneuerbaren Quellen für die vielen Serverfarmen zu nutzen. Damit drehen die Fans die Wirkungsrichtung in der Beziehung mit ihren Idolen quasi um. „K-Pop Stars lassen sich vom Aktivismus ihrer Fans inspirieren und beeinflussen“, sagt K-Pop-Expertin Jungwon Kim von der Yonsei-Universität in Korea. Wenn die Fans mit einer Kampagne auf einen Werbepartner der Band abzielen, kommt die Band kaum umhin, sich zumindest hinter den Kulissen auch für das Anliegen einzusetzen.


„Wenn K-Pop-Fans das Klima ernst nehmen, können sie einen riesigen Unterschied machen“ - Nayeon Kim, Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin, mit einem Plakat zum Klimaschutz

Nayeon Kim, Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin, mit einem Plakat zum Klimaschutz

Nayeon Kim, Fan der Band NCT Dream und Klimaaktivistin, mit einem Plakat zum Klimaschutz

 

Der Klimaaufruf von Blackpink wurde aber noch von einem anderen Publikum wahrgenommen: den Organisatoren der diesjährigen UN-Klimakonferenz COP26 im November in Glasgow. Der britische Premierminister Boris Johnson hat die Mitglieder von Blackpink in einem persönlichen Brief darum gebeten, Kulturbotschafterinnen für COP26 zu werden. „Ihr Video war ein riesiger Erfolg und wurde mehr als zehn Millionen Mal gesehen. Der Klimawandel ist das wichtigste Problem unserer Zeit. Es ist fantastisch, dass Sie diesen Moment gewählt haben, um dieses Thema zu unterstützen.“ Sarah Marchildon von den UN Global Climate Action Awards erläutert die Logik hinter der Rekrutierung von Celebrities: „Es geht darum, Barrieren einzureißen und Brücken zu bauen – zu einem Publikum, das wir sonst nicht erreichen würden.“ Und dann geht es natürlich um Zahlen. Die meisten Videos auf dem Youtube-Kanal von COP26 wurden bislang nur ein paar hundert Mal gesehen. Da kommt eine Band natürlich gelegen, die mit einem Song fünf Rekorde im Guinnessbuch brechen kann.

Derartige Rekordleistungen sind vor allem dem hohen Maß an Organisation und den technischen Fähigkeiten der Stans zu verdanken, die sie schon oft unter Beweis gestellt haben. Nachdem die Boyband BTS letzten Sommer eine Million Dollar für die Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA gespendet hat, haben ihre Fans, bekannt als „Army“, innerhalb von 25 Stunden eine weitere Million gespendet. K-Pop-Fans sind auch für Online-Aktivismus bekannt. Das hat etwa die Polizei von Dallas erfahren. Diese publizierte letztes Jahr eine App, mit der man Demonstrationen filmen und die Bilder direkt an die Polizei schicken kann. Als Stans darauf stießen, fluteten sie die App mit Videos ihrer Idole, bis die Polizeiserver kollabierten. K-Pop-Fans sind aber auch offline aktiv: In Indonesien, Korea und China haben K-Pop-Fanclubs schon Wälder gepflanzt, um ihren Idolen eine Freude zum Geburtstag zu machen.


Die vielleicht spektakulärste Aktion von K-Pop-Fans und den Nutzern der Videoplattform TikTok fand im US-Wahlkampf statt. Für eine Veranstaltung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump in Tulsa konnte man online kostenlose Eintrittskarten reservieren. Der Chef von Trumps Wahlkampagne Brad Parscale twitterte kurz vor der Veranstaltung, dass über eine Million Eintrittskarten angefordert wurden. Das Stadion mit 19.000 Plätzen war dann aber noch nicht mal zur Hälfte gefüllt: Nur 6200 Menschen wollten wissen, was Trump zu sagen hatte. Alle anderen Anmeldungen entfielen auf Stans und TikTok-Nutzer, die dazu aufgerufen hatten, sich massenweise anzumelden, um dann nicht hinzugehen. Der bekannte Republikaner und Trump-Gegner Steve Schmidt twitterte daraufhin: „Die Teenager von Amerika haben gerade einen vernichtenden Schlag gegen Donald Trump gelandet.“


Oder um es mit Ray Mal, einem Blackpink-Fan aus Malaysia, zu sagen: „Die Erde braucht uns Blinks.“

 

Christian Mihatsch

hat in St. Gallen Wirtschaft studiert und dann als Unternehmensberater in Zürich und als Delegierter des Roten Kreuzes (IKRK) in Afghanistan, Angola und Liberia gearbeitet. Seit gut zwölf Jahren ist er nun als Umweltjournalist tätig. Er ist außerdem der Initiator der Website showyourbudgets.org, die CO2-Budgets für alle Länder der Welt zeigt. Mihatsch lebt mit seinem Sohn in Chiang Mai (Thailand).