Von Johannes Ohr
„Parasite“, „Squid Game“, „Hellbound“, „All of Us Are Dead“ – wer regelmäßig Netflix und Co. nutzt, kommt an den Produktionen eines Landes derzeit nicht vorbei: Südkorea. Egal ob Musik, Mode, Serien oder Filme: Die Popkultur des ostasiatischen Landes boomt und ist rund um den Globus längst auf Siegeszug. Der Hype hat mit dem Wort „Hallyu“ sogar eine eigene Bezeichnung. Übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie „Koreanische Welle“ – die mehr und mehr auch in der Bundesliga ankommt.
Mit Dong-gyeong Lee (Schalke), Dong-jun Lee (Hertha), Hyunju Lee (Bayern II) und Ji-han Lee (Freiburg II) wechselten in der Winterpause 2022 gleich vier Spieler aus Südkorea nach Deutschland. 23 Transfers aus dem 52 Millionen-Einwohner-Staat in die 1. oder 2. Bundesliga gab es bislang insgesamt, davon alleine sieben seit 2018. Hinzu kommen unzählige Transfers in unterklassige Ligen (selbst Unterhaching schlug schon zu) oder in die Nachwuchsleistungszentren der Proficlubs. Was steckt hinter dem Korea-Boom in der Bundesliga?
Einer, der die Entwicklung maßgeblich mit angestoßen hat, ist Thies Bliemeister. Der Hamburger, heute Spielerberater bei der Agentur ICM Stellar, vereinbarte 2008 mit dem südkoreanischen Fußballverband (KFA) ein Austauschprogramm im Nachwuchsbereich. Sechs Talente wagen damals im Teenager-Alter den Sprung nach Deutschland. Drei gehen nach Nürnberg, drei nach Hamburg. Darunter auch: Heung-Min Son. Der Stürmer schlägt nach seiner Ausbildung beim HSV voll ein, wechselt 2013 für 12,5 Mio. Euro erst nach Leverkusen, zwei Jahre später für 30 Mio. Euro schließlich in die Premier League zu Tottenham. Heute ist Son DER Fußball-Star in Südkorea. Und nicht nur für Bliemeister der Türöffner. Sons Entwicklung in Hamburg gilt in Südkorea noch heute als Musterbeispiel dafür, dass sich ein Wechsel nach Deutschland so richtig lohnen kann.
„Das Projekt rund um Son war aus meiner Sicht das Beste überhaupt. Die Spieler konnten in jungen Jahren im Ausland viel lernen, sich vor allem taktisch entwickeln“, sagt Bliemeister rückblickend zu SPOX und GOAL [1] und nimmt damit gleichzeitig schon einen Teil der Analyse vorweg. Dass sich immer mehr deutsche Vereine für südkoreanische Spieler interessieren, liege vor allem an ihrer Technik und Lernwilligkeit. Korea-Experte Bliemeister: „Das fällt den Scouts natürlich auf. Taktisch gibt es oft Defizite. Aber weil die Jungs so schnell lernen, holen sie das schnell nach.“
Darauf setzt jetzt auch Schalke. Der Pott-Klub schlug im Winter 2022 bei Ulsan Hyundai zu, verpflichtete mit Dong-gyeong Lee den ersten südkoreanischen Spieler der Vereinsgeschichte. (...)
„Er hat einen unglaublichen Torabschluss, ist technisch wahnsinnig gut ausgebildet, dazu brutal spielintelligent“, glaubt Bliemeister an seinen Klienten. „Meines Erachtens hätte er schon früher nach Europa wechseln müssen, da waren wir aber noch nicht seine Berater.“