Wie die Wahrnehmung der koreanischen Popkultur wirtschaftliche Chancen schafft
Von Victoria-J. Fode
Wie die Wahrnehmung der koreanischen Popkultur wirtschaftliche Chancen schafft
Von Victoria-J. Fode
Die KPOP.FLEX in Frankfurt/Main (14.-15. Mai 2022) - Europas erstes K-Pop-Mega-Festival (Foto: DKphotos)
Am 14. Mai 2022 sah sich Deutschland gespalten – zumindest, wenn man der Twitter-Userin glaubte, die die Ereignisse jenes Wochenendes knapp auf den Punkt brachte: „Die eine Hälfte der Deutschen schaut Måneskin, die andere Mamamoo“. Gemeint waren zum einen die Vorjahressieger des Eurovision Song Contest, die bei der 66. Ausgabe des Chanson-Wettbewerbs in Turin dem europäischen Publikum ihre neue Single vorstellten, und zum anderen, ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, die vierköpfige koreanische Girlband, die ungefähr zeitgleich die Bühne der KPOP. FLEX in Frankfurt/Main in ein Pop-Wunderland verwandelte. Ein dezimierter Kommentar, der doch als Reflexion einer neuen Ära dient. Dass die Koreanische Welle nun also in Deutschlands Mitte und somit auch im deutschen Kommerz angekommen ist, haben die 70.000 Besucher:innen des 2-tägigen Festivals eindrucksvoll bewiesen.
Illustration BTS (Foto: Pixabay, Ak_Graphics)
2012 sah die Wahrnehmung koreanischer Popkultur und derer Vertreter in Deutschland noch anders aus. PSY wurde als kurzlebiges Partyphänomen von den Medien aufgenommen, in den Charts mit Gangnam Style zwar hoch und runter gespielt, doch dem tieferen Sinn hinter der poppigen Fassade des ausgelassenen Slapstick-Tanzes wurde nur wenig Beachtung geschenkt. Die Medienwissenschaftlerin und Kulturhistorikerin Annekathrin Kohout wirft in ihrer hervorragenden Essay-Reihe Hallyu und die Globalisierung von K-Pop auf ihrem Blog Sofrisch Sogut einen genaueren Blick auf die ersten Reaktionen der Mainstream-Medien auf die damalige Ankunft der koreanischen Popkultur hier in Deutschland und beleuchtet dabei brillant das diesbezügliche distanzierte Verhältnis der deutschen und internationalen Nachrichtenmacher.
„Obwohl diese Popkultur so erfolgreich ist, global betrachtet, wird sie im Feuilleton fast gar nicht besprochen oder wenn, dann nur extrem exotisiert behandelt. Obwohl die Videos und die Musikstücke extrem viel Material liefern, um darüber zu sprechen und zu schreiben“, erklärt sie im Gespräch. Lang schien es so, als ob sich der Mainstream rigoros weigere, vor allem K-Pop als ernstzunehmendes, massentaugliches Musikgenre für den westlichen Markt wahrzunehmen. Nun, 10 Jahre später, hat sich K-Pop zu einem detailliert durchdachten, wirtschaftlich rentablen globalen Phänomen entwickelt. So sehr sogar, dass nun auch Überschriften wie ``BTS lassen Aktienkurse abstürzen,, Platz im Wirtschaftsressort der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung finden.
Auch in Deutschland wurde die Meldung vom Hiatus der Band, die einen akuten Aktienabsturz für das südkoreanische Unterhaltungsunternehmen HYBE mit sich brachte, mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Denn wie bei fast jedem funktionierenden Nischen-Trend war es auch in der Bundesrepublik nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Wirtschaft sich den steigenden Impact von BTS, BLACKPINK, EXO und Co. zunutze machen würde, um ihn an die breitere Masse heranzutragen.
Für Deutschland hat sich Korea zum zweitwichtigsten Exportmarkt in Asien entwickelt. Von Essen über Beauty- und Fashion-Artikel bis hin zu Haushaltswaren und eben K-Pop-Merchandise; der Markt für koreanische Handelsgüter boomt. Die Parfümerie Douglas und die Drogeriekette DM haben K-Beauty bereits in ihr Standardangebot mit aufgenommen, und auch das koreanische Kultgericht Kimchi aus fermentiertem Kohl hat sich ganz selbstverständlich bei Rewe und Co. in den Regalen etabliert. Immer mehr deutsche Tanzschulen wie zum Beispiel die Flying Steps Academy in Berlin bieten neuerdings neben ihren bewährten Hip-Hop- und Contemporary-Kursen auch K-Pop Dance Classes an. Ganze K-Pop-Nächte finden sich in den Veranstaltungskalendern verschiedenster Event-Locations wieder, wie unter anderem im Stuttgarter The Private Room, im Hamburger Kent Club oder im Berliner Kultclub Spindler&Klatt.
Impression von der KPOP.FLEX in Frankfurt/Main (Foto: Dkphotos)
Am besten gelingt der kommerzielle Erfolg aber natürlich denjenigen, die bereits von Beginn an den richtigen Riecher bewiesen hatten. Einen K-Pop-Shop zu eröffnen, ist dabei vielleicht nicht jedermanns erste Idee, stellte sich aber für Thomas und Renate Funk als Jackpot heraus. Weil ihre Tochter Nadine Schwierigkeiten hatte, Merchandise ihrer Lieblingsbands zu bekommen, gründeten ihre Eltern 2012 einfach selbst Deutschlands ersten K-Pop-Onlinestore: DAEBAK. Nur drei Jahre später konnte dem ein Ladengeschäft in Frankfurt/ Main hinzugefügt werden, seitdem ist dieses zu einer Pilgerstätte für K-Pop-Fans aus Deutschland und darüber hinaus avanciert.
Manchmal braucht es aber auch einfach einen Besuch an der Quelle direkt, damit der Geistesblitz einschlägt. Im Falle von NOLAE.DE, einem weiteren deutschen K-Pop-Onlinestore, war es wortwörtlich die Quelle der Inspiration, erzählt CEO Julian Kuhlmann. Als sein Mitgründer Ole Tonsen 2019 nach seinem Auslandssemester nicht nur mit unzähligen neuen Erfahrungen nach Deutschland zurückreiste, sondern dies bepackt mit den unterschiedlichsten K-Pop-Fanbestellungen seiner Bekannten tat, meldete sich sein innerer Business-Alarm.
Wie es auch die DAEBAK-Kolleg:innen erfahren hatten, war es zur großen Überraschung der beiden Männer gar nicht so leicht, an CDs, Platten und anderen Merch von K-Pop-Acts in Deutschland zu gelangen. Selbst sind die Gründer aus Berlin zwar keine eingefleischten K-Pop-Fans, dafür aber Könner auf ihrem Fachgebiet des Online-Marketings und Experten für E-Commerce, Start-ups und Trends. Passend zum Weihnachtsgeschäft gründeten die beiden dann im November 2020 ihren Online-K-Pop-Store. Ihre Vision: einen „Safe Space“ für K-Pop-Fans anbieten zu können. „Wir wollen es Fans ermöglichen, einfach und sicher bestellen zu können, ohne in irgendwelche Zollfallen zu tappen, ohne super lange auf die Bestellung warten zu müssen und dann nicht mal jemanden erreichen zu können. Das haben wir selbst auch oft genug erlebt“, berichtet Kuhlmann.
Einfach war der Weg zum Erfolg nicht. Denn für einen liquiden Verkaufsfluss von authentischen Merchandise-Artikeln braucht es zuverlässige Zulieferer direkt von der Halbinsel. Doch wie findet man die richtigen Partnerunternehmen, wenn man selbst die Sprache nicht spricht, Englisch dort nicht zur ersten Fremdsprache gehört und Google auch nicht als primäre Suchmaschinenoption genutzt wird? Mit viel Geduld, penibler Recherche und der richtigen Strategie. Mittlerweile ist NOLAE.DE in ganz Europa tätig und bietet über 4.000 Artikel an. Das Team ist auf 19 angewachsen, eine gut sondierte Zusammenstellung aus multilingualen Festangestellt:innen, Werkstudent:innen und einigen Ultra-Fans „mit der Top 1% K-Pop Knowledge“ – unverzichtbar, wenn man die stetig steigende Nachfrage der K-Pop-Community zufriedenstellend bedienen möchte und mit den Dienstleistern in Südkorea dafür kommunizieren muss.
Momentan sind die Gründer von NOLAE.DE also „super zufrieden“, haben ihr Auge aber auch zukünftig auf eine breitere europäische Expansion geworfen und entwickeln ihren Online-Shop konstant weiter. Auch das DAEBAK-Team profitiert nach wie vor vom Anstieg der K-Pop-Popularität, und die Macher der KPOP.FLEX freuen sich bereits auf eine 2. Auflage ihrer Erfolgsmesse in diesem Jahr.
Korea ist (k)ool. Und Korea ist definitiv kein Geheimtipp mehr.
Ein Beitrag aus dem Online-Magazin „Kultur Korea" des Koreanischen Kulturzentrums (https://kulturkorea.org/de/magazin/die-reise-des-k-pop-die-kommerzielle-mitte-deutschlands)
Victoria-J. Fode (Foto: Puria Safari)
Das Adjektiv „neugierig“ beschreibt Victoria-J. Fode wohl am besten. Genau diese Neugierde auf Menschen und ihre Geschichten brachte sie bereits während ihres Studiums des internationalen Journalismus in Liverpool, UK, dazu, beim Guardian und beim CNN reinzuschnuppern. Als Creative Producerin, freie Autorin und Moderatorin geht sie dieser Passion noch immer nach und hat sich vor allem auf den Bereich Film spezialisiert. Ihrer Liebe zum Kino ist auch die Faszination für die koreanische Gesellschaft, Geschichte und Popkultur entsprungen, mit der sie sich nun seit mehreren Jahren beschäftigt.