Kann eine Frau aus dem zutiefst konservativen Korea des 16. Jahrhunderts zu einem Star des 21. Jahrhunderts werden? Shin Saimdang alias Eojin Eomeoni (Weise Mutter) legte genau diese Karriere hin. Geboren 1504 auf dem Familiensitz Ojukheon, dem Schrein des Schwarzen Bambus in Gangneung / Provinz Gangwon, führte sie ein Leben zwischen Anpassung und Widerstand gegen die sich immer stärker verkrustenden Konventionen ihrer Zeit. Zu ihren Lebzeiten galt sie als die perfekte, tugendhafte Tochter und ideale Mutter, gleichzeitig aber machte sie eine für das konfuzianische Korea des 16. Jahrhunderts ungewöhnliche Karriere als große Dichterin und Malerin.
Die Wiederentdeckung starker Frauen
Der Hype um große und starke koreanische Frauen begann vor etwa 15 Jahren mit der auf historischen Ereignissen beruhenden Fernsehserie „Dae Jang-geum“ (‚Juwel im Palast‘), in der eine selbstbewusste Küchenhilfe sich inmitten der Wirren und Intrigen am Königshof zu behaupten weiß und schließlich zur ersten Leibärztin eines Königs in der koreanischen Geschichte aufsteigt. Die durchschnittlichen Einschaltquoten lagen bei 43,6 %, bei einigen Folgen stiegen sie sogar auf bis zu 57,8 %. Diese Serie gehörte übrigens zu den wichtigsten Wegbereitern der »Koreanischen Welle« (Hallyu), eine Bewegung, die die zeitgenössische koreanische Kultur, insbesondere Film und Musik, in ganz Asien und auch darüber hinaus ungeheuer populär machen sollte.
Im Bugwasser dieser Welle gelangte auch Shin Saimdang zu neuem Ruhm. Sie war auch vorher nie vergessen, aber in ihrer Rolle als konfuzianische Übermutter ein doch etwas angestaubtes Idol. Ihr zu Ehren gibt es den Saimdang-Preis für die »Mutter des Jahres«, der an Frauen vergeben wird, die den Spagat zwischen Karriere und dem Anspruch, eine gute Mutter zu sein, schaffen. Hip ist das für junge Koreanerinnen nicht.
Einen ersten Wandel in der Rezeption von Shin Saimdang gab es im Jahr 2009. Nahezu ein halbes Jahrtausend nach ihrem Tod wurde ihr als erster koreanischer Frau die Ehre zuteil, als historisch bedeutende Persönlichkeit auf einem Geldschein verewigt zu werden: Shin Saimdangs Konterfei ist auf der 50 000-Won-Note zu sehen. Erstmals nahm man sie damit nicht nur als Mutter des großen Philosophen Yulgok war, sondern würdigte ihre große Leistung als koreanische Malerin und Kalligrafin. Diese Entscheidung ist in Südkorea heftig kritisiert worden, zum einen von konservativ eingestellten Männern, zum anderen aber auch von ihren Geschlechtsgenossinnen der Frauenbewegung. Da Shin Saimdang in Korea als das Ideal einer guten, fürsorglichen Mutter gilt, kritisierten sie, dass mit dieser Auswahl weiterhin einfach nur sexistische Stereotype bedient und befördert würden.
Es folgten Romane, Kinderbücher, wissenschaftliche Abhandlungen, die Shin Saimdangs posthume zweite Karriere beförderten. Darüber hinaus gibt es sogar ein nach ihr benanntes Kosmetikunternehmen, 2017 gipfelte die neue Aufmerksamkeit in der Fernsehserie „Saimdang, Memoir of Colors“ (사임당, 빛의 일기, wörtl.:Saimdang, Bitui Ilgi / ‚Saimdang, Light's Diary‘), eine der teuersten Produktionen in der Geschichte des koreanischen Fernsehens. In dem prachtvoll ausgestatteten Drama findet eine Dozentin für Kunstgeschichte die Tagebücher von Shin Saimdang und entschlüsselt das Geheimnis eines geheimnisvollen Porträts, hinter dem sich die dramatische Liebesgeschichte von Saimdang mit einem fiktiven Prinzen verbirgt.