Von Rabea Kujawsky
Wohin geht man, um frische Lebensmittel einzukaufen? Oder wenn man zum Einzug gern neue Vorhänge hätte? In Deutschland würden die Kunden vermutlich einen Supermarkt und ein Gardinen-Fachgeschäft aufsuchen. In Korea hingegen gibt es dafür die Jaerae Sijang (재래시장), traditionelle Märkte.
Diese Märkte haben das ganze Jahr rund um die Uhr geöffnet und bieten so gut wie alles für den Alltagsgebrauch an. Heutzutage besitzt so gut wie jede koreanische Stadt - ob groß oder klein - mindestens einen traditionellen Markt, der Landwirten und Einzelhändlern die Möglichkeit bietet, einem breit gefächerten Publikum ihre Waren zu präsentieren und zu verkaufen. Vor allem in den Großstädten wie Seoul oder Busan sind die rund um die Uhr geöffneten traditionellen Märkte über Jahrzehnte, in einigen Fällen sogar Jahrhunderte, hinweg längst ein Teil des Stadtbilds geworden und haben sich in die Gemeinden integriert.
Namdaemun-Markt (Foto: wikimedia commons)
Es gibt eine Redewendung, die viele Koreaner mit ihren traditionellen Märkten in Verbindung bringen: „Saram Naemsae“ (사람 냄새), was direkt übersetzt „Geruch der Menschen“ bedeutet. Im ersten Moment mag der Ausdruck etwas merkwürdig klingen, aber wenn er poetisch als „die Menschlichkeit fühlen“ interpretiert wird, ist er gar nicht mehr so unpassend.
Die vielen Interaktionen der Marktbesucher mit den Händlern, aber auch der Besucher untereinander zeigen die Wichtigkeit der Märkte für den zwischenmenschlichen Austausch.
Der erste Eindruck von einem traditionellen Markt kann vor allem bei größeren Märkten überwältigend sein. Die Händler werben lautstark für ihre Waren, im Umkreis der Essensstände verteilt sich der Geruch von frisch zubereitetem Essen, und die meist engen Gassen lassen den Markt unstrukturiert und verwirrend erscheinen. Überwindet der Besucher jedoch den ersten vermeintlichen „Kulturschock“, bietet sich ihm die Möglichkeit, einen guten Einblick in die koreanische Gesellschaft und Kultur zu erhalten. Durch das große Sortiment an Waren und frisch zubereiteten Speisen sind die Märkte bei allen Altersgruppen sehr beliebt. Keine Seltenheit ist der Anblick einer Gruppe Firmenangestellter im Anzug, die neben einer Gruppe Oberschüler ihr Abendessen genießen.
Namdaemun-Markt, Seoul (Foto: wikimedia commons)
Einer der bekanntesten und ältesten Märkte Koreas ist der Namdaemun-Markt in Seoul, der auf eine etwa 600-jährige Geschichte zurückblicken kann. Er wurde im Jahr 1964 neu eröffnet, nachdem er im Koreakrieg zerstört worden war. An den Verkaufsständen lassen sich vor allem Kleidung, Küchenutensilien, Schreibwaren, Pflegeprodukte und Schnittblumen finden. Er besteht aus ca. 9500 Läden und Verkaufsständen und ist somit der größte traditionelle Markt Koreas.
Dongdaemun-Markt, Seoul (Foto: wikimedia commons)
Ein weiterer sehr beliebter und bekannter traditioneller Markt ist der Dongdaemun-Markt, ebenfalls in Seoul, wobei „Markt“ hier vielleicht nicht die passende Bezeichnung ist, da der gesamte Bereich rund um die Dongdaemun-Station und das Dongdaemun-Tor (,Großes Ost-Tor‘) viele verschiedene Märkte einschließt, wie einen Textilgroßmarkt, einen Markt für Papier und Schreibwaren sowie einen Markt für medizinische Geräte und Gebrauchsgegenstände und deshalb unter dem Oberbegriff „Dongdaemun-Markt“ zusammengefasst wird.
Trotz großer Beliebtheit müssen sich diese Märkte immer stärker gegen modernes Kaufverhalten und den Komfort des Internetshoppings und der Einkaufszentren behaupten. Durch staatliche Förderprogramme, aber auch dank der Kreativität der Gemeinden sind mancherorts einzigartige Konzepte zum Erhalt der traditionellen Märkte entstanden. Zum Beispiel wurden Apps entwickelt, die den Marktbesuchern bei der Orientierung behilflich sind und über Angebote und Veranstaltungen der Märkte informieren. Ein anderes Beispiel ist der Romantische Markt in Chuncheon, der die Marktbesucher durch Kunstprojekte und Ausstellungen beeindruckt.
Der Gukje-Markt (wikimedia commons)
Der Gukje-Markt (,Internationaler Markt‘/국제시장) in Busan ist wegen seiner Vielzahl an internationalen Waren nicht nur bei Einheimischen, sondern auch bei Touristen sehr beliebt. Der Markt mit seinem vielfältigen Publikum lockt immer wieder Filmteams an und diente auch schon einige Male als Kulisse für Fernsehdramen. Benannt nach dem Markt ist der erfolgreiche koreanische Spielfilm „Ode to My Father“ (koreanisch: ,국제시장‘) aus dem Jahr 2014, der die Zeit des Koreakriegs (1950-53) thematisiert.
Über die Autorin:
Rabea Kujawsky studiert seit 2016 Koreastudien an der Freien Universität Berlin. Sie studierte von 2018 bis 2019 im Rahmen eines internationalen Austauschprogramms an die Ewha Womans University. Sie interessiert sich besonders für den sozio-kulturellen Wandel Koreas.
Rabea Kujawsky (Foto: privat)