Ausland

Von Rabea Kujawsky


Die traditionelle koreanische Stickkunst Jasu (자수) ist seit Jahrhunderten Bestandteil des alltäglichen Lebens in Korea. Durch ihre filigrane und künstlerische Machart kann Jasu von Weitem betrachtet leicht mit einem Gemälde verwechselt werden. Mit einer Nadel und einem Faden werden die Motive meist auf Baumwollstoffe oder Seide gestickt und finden überall im Alltag, der Religion und der Kleidung Verwendung. Üblicherweise kommt Jasu bei der traditionellen koreanischen Kleidung Hanbok (한복), bei Einwickeltüchern Bojagi (보자기) und beim Dekorieren von Gegenständen zum Einsatz - beispielsweise in Form von Wandschirmen, Vorhängen, Schachteln und Kisten.





                                                    Kranich-Jasu (Foto: wikimedia commons) 




Es gibt kein genaues Datum für die Entwicklung oder Entstehung von Jasu. Forscher gehen davon aus, dass sich das Kunsthandwerk mit dem Aufkommen und der Entstehung der ersten Textilien entwickelt hat, da dafür lediglich eine Nadel und ein Faden benötigt werden. Das älteste noch erhaltene Jasu-Kunstwerk, Cheonsuguk Mandara, zwei Wandschirme aufbewahrt in einem buddhistischen Tempel in Japan, kann auf das 7. Jhdt., zu Beginn der Zeit der drei Reiche (57-676 n. Chr.), datiert werden. Zur Zeit der Goryeo-Dynastie (1215-1368) wurde Jasu zur Dekoration von persönlichen Gegenständen wie Schränken, Kästchen und Bojagi verwendet und oftmals in Form von Geschenken an buddhistische Tempel übergeben. Während der Joseon-Dynastie (1392-1910) wurde Jasu zusätzlich zur Verzierung der Abzeichen auf den Uniformen der Beamten und Offiziere verwendet und machte den Rang und die Position der jeweiligen Person sichtbar. In den Regierungseinrichtungen wurden zu diesem Zweck Stickstuben eingerichtet, in denen ausschließlich Frauen arbeiteten und stickten. Die Stickkunst Jasu entwickelte sich zu einer Tugend, die von jeder kultivierten Frau beherrscht und mit Stolz und Hingabe ausgeführt werden sollte.





                                                    Abzeichen Hyungbae (Foto: wikimedia commons) 




Traditionell wurden die Fäden für die Jasu-Herstellung per Hand gefärbt. So treten die Farben stärker hervor und wirken strahlender. Am häufigsten werden die drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb sowie Grün und Weiß verwendet, basierend auf dem philosophischen Konzept von Yin und Yang und den 5 Elementen: Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser. Des Öfteren werden auch die Farben Schwarz, Violett und Pink genutzt. Mit Jasu werden Pflanzen- und Blumenmotive, Vogel- und Insektenmotive, Kalligrafien, Fabelwesen sowie die 12 Symbole der Langlebigkeit (Sipijangsaeng/십이장생) dargestellt: Sonne, Berge, Wasser, Wolken, Steine, Kiefer, Hirsch, Schildkröte, Kranich, Bambus, Pfirsich der Unsterblichkeit und Pilz der Unsterblichkeit (glänzender Lackporling).


Obwohl Jasu lange Zeit als Freizeitbeschäftigung der kultivierten Frauen nicht sehr hoch angesehen war, gewann die Stickkunst in den letzten Jahrzehnten an Beliebtheit und wird vor allem im Ausland sehr geschätzt. 1976 wurde in Seoul das Museum für koreanische Stickkunst eröffnet, und es fanden unter anderem schon Ausstellungen zu Jasu in Europa und den USA statt.



Über die Autorin: 


Rabea Kujawsky studiert seit 2016 Koreastudien an der Freien Universität Berlin. Sie besuchte von 2018 bis 2019 im Rahmen eines internationalen Austauschprogramms die Ewha Womans University und interessiert sich besonders für den soziokulturellen Wandel Koreas.




Rabea Kujawsky (Foto: privat)